Sanierung der städtischen Gebäude (Folge 5)
- Freitag, 04. April 2008 02:00
- Andreas Matthies
Sind PPPs wirklich kostengünstiger?
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung nimmt kein Blatt vor den Mund: die Wirtschaft sei begierig darauf, dass sich Bund, Länder und Gemeinden für langfristige Kooperationen mit privaten Unternehmen öffnen:
Hier sind Visionen für eine neue Wachstumsbranche anzutreffen, denn es geht um mehr als eine halbe Billion Euro - auf die der Sanierungsstau der öffentlichen Hand geschätzt wird.
Auf den Durchbruch für entsprechende öffentlich-private Partnerschaften (PPP) habe die Wirtschaft bisher vergeblich gewartet, jetzt allerdings scheine "frischer Wind in die PPP - Thematik zu wehen." (FAZ, 21. September 2007)
Es ist kein Geheimnis, dass die Bundesregierung sich bemüht, diesen Wind noch kräftig anzublasen. Im November hat dazu der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eigens einen Leitfaden herausgebracht, der es erleichtern soll, PPP - Projekte anzubahnen.
Na und, könnte man sagen, wenn denn die Privaten billiger arbeiten und wichtige öffentliche Projekte schneller umgesetzt werden - warum sollen private Unternehmern nicht daran verdienen? Aber - sind die PPPs wirklich billiger?
Die Süddeutsche Zeitung vom 31. März des Jahres berichtet, dass sich zwei Jahre nach Eröffnung des teilprivatisierten Gefängnisses Hünfeld herausstellt, dass dieses teurer sei als die vergleichbare staatliche JVA Darmstadt. Im Dezember 2005 hatte Ministerpräsident Koch die Hünfelder Anstalt als "eine der modernsten, wirtschaftlichsten und sichersten JVAen Deutschlands" gepriesen. Das wesentliche Argument für die Teilprivatisierung lautete, das Land Hessen spare so 15 % der Betriebskosten, etwa 660 000 Euro im Jahr. Dies war das Ergebnis der obligatorischen "Wirtschaftlichkeitsuntersuchung" gewesen, in der jeweils verglichen wird, welche Kosten entstehen, wenn die Aufgabe vom Staat durchgeführt wird, und welche Kosten bei der Durchführung in einem PPP - Projekt zu erwarten sind. Nur - der angeblich "errechnete" Kostemvorteil ist nicht eingetreten, im Gegenteil.
Wir können davon ausgehen, dass für jedes PPP-Projekt in Braunschweig eine solche Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ausgearbeitet und (vielleicht in der Braunschweiger Zeitung) veröffentlicht wird. Aber was im ersten Moment auf viele Bürger recht überzeugend wirkt, kann falsch und irreführend sein und dafür muss noch nicht einmal eine böse Absicht verantwortlich sein.
Simon-Finn Stolze, Mitarbeiter des TU-Institutes für Bauwirtschaft und Baubetrieb, hat die PPP- Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Stolze ist keineswegs grundsätzlich gegen PPPs. Unter dem Titel "Keine Regeln für Risiken" weist er aber darauf hin, dass nach einer englischen Studie die "insgesamt vorhergesagten Einsparungen bei PPP-Projekten ... zu sechzig Prozent aus der Bewertung der zum privaten Partner transferierten Risiken resultieren." Für eben diese Risikoanalyse gebe es nun allerdings kaum anwendbare Vorgaben oder Richtlinien, so dass eben die Gefahr einer "manipulativen Einflussnahme" bestehe. Dies gelte umso mehr, als "die von den Beratunsunternehmen entwickelten Vorgehensweisen zur Abalyse der Risiken in vielen Fällen nicht vollständig offen gelegt" würden, zum Teil einfach, um das unternehmenseigene Know -how zu schützen. Dann noch einmal:
Die auf Annahmen beruhende Einschätzung der Risiken in PPP- Projekten ist für jede Phase eine sensible Stellgröße, die das Gesamtergebnis wesentlich beeinflussen kann. (Zitate in: Deutsches Ingenieurblatt, Nr.7-8 / 2007)
Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung betrachtet in der Regel lange Zeiträume, etwa zwischen 15 und 30 Jahren. In den PPP-Verträgen sind in diesem Zusammenhang oft versteckte Steigerungsraten, die Kosten betreffend, enthalten (z.B. Anpassungen an Zinssätze, Inflationsraten oder Nachträge), die oft im Haushalt kaum zu überblicken sind und auch bei der Untersuchung noch keine Rolle gespielt haben. Das spiegelt sich auch in der in Folge 3 zitierten
Erklärung der rechnungshöfe wider:
Die Komplexität von PPP - Projekten stellt besonders hohe An-sprüche an die Vertragsgestaltung. Fehlerhafte Verträge haben unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Projektes.
Selbst wenn also den Damen und Herren des Stadtrates die entsprechenden Vertragstexte zur Verfügung gestellt werden, was keineswegs selbstverständlich ist, dürften nur wenige, genauer: sehr wenige, in der Lage sein, zu verstehen, was sie da im Einzelnen beschließen. Ihre Beschlüsse binden aber die Stadt, also unsere Kinder und Kindeskinder, für mehrere Jahrzehnte (um es einmal etwa anschaulicher zu sagen: sie müssen dafür noch gerade stehen, wenn Dr. Hoffmann vielleicht gerade seinen 90. Geburtstag in Bad Reichenhall feiert;
vielleicht wird er dann sagen, dass auch er "damals" den einen oder anderen Fehler gemacht habe...).
Angenommen, ein privater Partner interpretiert die Leistung, die er laut Vertrag zu erbringen habe, anders - natürlich für sich "kostengünstiger" - als die Stadt. Dann gibt es langwierige Verhandlungen, vielleicht sogar mehrjährige Prozesse. Auch diese können natürlich die Kosten des PPP-Projektes in die Höhe treiben. Selbstverständlich versucht jede Kommune, sich - so gut es geht - dagegen abzusichern, aber die Beispiele, wo dies dann doch nicht in allen Punkten gelungen ist, sind Legion.
Bei der Privatisierung der Abwasserwirtschaft hat die Stadt Braunschweig bekanntlich intensiv von der Forfaitierung Gebrauch gemacht. Dadurch hat man dem privaten Partner und dessen Bank praktisch zugesagt, kontinuierliche Zahlungen auch dann zu leisten, wenn der Private die vereinbarte Leistung unzureichend oder gar nicht erbringt. Man hat also dessen Risiko auf die Steuerzahler übertragen, was für die Stadt enorm teuer werden kann. Was ist zum Beispiel, wenn der private den Konkurs anmelden muss? Bei einer Laufzeit des Vertrages über Jahrzehnte ein durchaus mögliches Szenario, dass dann selbst zeitweise vorhandene Kostenvorteile schlagartig und auf Dauer ins Gegenteil verkehren würde. Die ja durchaus Kapital- und PPP-freundliche Frankfurter Allgemeine Zeitung stellt dazu ganz nüchtern fest:
Fast alle PPP - Projekte leiden an einem Schönheitsfehler. Sie werden aus Sicht der Europäischen Kommission in unzulässiger Weise gefördert - in der Regel durch den Einredeverzicht bei der Bankfinanzierung. ... Die PPP - Projekte nach dieser Art können deshalb ohne Probleme vorfinanziert werden (Forfaitierungs-Modell). Das aber ist aus Sicht der Kommission "eine unzulässige staatliche Beihilfe". (FAZ, 21. September 2007)
Würde darauf verzichtet, wären natürlich auch die Kosten der Privaten wesentlich höher!