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Veröffentlicht: Mittwoch, 13. Juni 2012 02:38
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Geschrieben von Heiner Waßmuß, Ortsheimatpfleger in Bevenrode
Ach Du armes Bevenrode, Dir bleibt wohl nichts erspart!
Titelte die BZ noch 2003: „Bevenrode- ein Dorf probt den Aufschwung“, ist von dieser Stimmung heute nichts mehr zu spüren.
Eine Verbesserung der dürftigen Infrastruktur ist nicht in Sicht, schnelles Internet bleibt für das halbe Dorf auch heutzutage immer noch ein Fremdwort, die Hauptverkehrsader in die City wurde durch den Flughafenausbau abgeschnitten und viele haben Angst vor radioaktiver Belastung aus der Nähe zu Eckert & Ziegler in Thune.
Bleibt als letzter Bonus für Bevenrode die schöne, offene Landschaft um die Beberbachaue.Aber auch das wird vielleicht nicht mehr lange so bleiben, denn der Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB) hat am 09.02.2012 eine Windpotentialfläche bei Bevenrode und Grassel ausgewiesen, um die jetzt bereits heftig polemisiert wird. Da der Oberbürgermeister sich dagegen ausgesprochen hat, sind seine politischen Gegner alle vehement dafür. Er beschwört die Zerstörung einer Kulturlandschaft, seine Gegner sagen „kann gar nicht sein, dann hätte er die Waldzerstörung für den Flughafenausbau nicht so forcieren dürfen“.
Worum es hier aber eigentlich geht, tritt bei einer solchen Debatte leider allzu leicht in den Hintergrund:
Deshalb die Fakten. Möglich und in der Vorstufe zur Planung ist ein Windpark von 6 – 7 Windrädern östlich von Bevenrode/südöstlich von Grassel, exakt jeweils 1000 m von der Bebauung entfernt. Bewerbungen von Investoren an die Landbesitzer laufen bereits seit einiger Zeit. Ein Hindernis könnte in der Tat nur noch die Nähe zum Flughafen sein.
Nach Tschernobyl, Fukushima und Asse-Skandal ist den politisch Lenkenden die Einsicht zu einer Energiewende hin zu regenerativer Energieerzeugung gekommen. Vieles spricht dabei für den verstärkten Ausbau der Windenergie, die im Jahr 2010 bereits 6,2% der Stromerzeugung in Deutschland lieferte. Viele messen der Windenergie das größte noch zu nutzende Potenzial zu und keine Investition in eine Form von Energieerzeugung amortisiert sich so schnell wie die in den Wind (Geld ist also im Spiel).
Wind ist immer vorhanden und keine begrenzte Resource, die Anlagen sind nicht klimabelastend, erzeugen keine risikoreichen Abfälle, die tausende von Jahren bewacht werden müssten und sind im Betrieb relativ störfallarm. Warum also nicht, wenn wir doch endlich alle aus der Atom- und Kohlefalle heraus wollen?
Die Windenergie hat jedoch nicht nur Freunde, sondern auch entschiedene Gegner. Die Liste ihrer Argumente ist lang: Infraschall, Schattenwurf, Vogelschlag, Landschaftsverbrauch und Landschaftsverschandelung mit all ihren Folgeerscheinungen sind nur einige davon. Überall gibt es inzwischen Bügerinitiativen dagegen.
Eine besondere Rolle spielt in den Auseinandersetzungen der nicht messbare Begriff der „Landschaftsverschandelung“ oder „Zerstörung von Kulturlandschaft“, der subjektiv sehr unterschiedlich aufgefasst werden kann.
Zwei Gegenpole mögen sein: „Wenn sich da draußen ein paar Windräder drehen und ich dafür Strom für Kochen, Duschen, Fernsehen und Internet bekomme, ist doch alles gut, wenn es denn nicht anders geht“.
oder
„Ich möchte nicht in einer Gegend wohnen, wo ich keinen freien Blick mehr habe, ohne diese riesigen Monster sehen zu müssen, die den Naturgenuss aus der Landschaft entfernen, obwohl sie nicht mal ökologisch sind, weil zur Sicherheit hinter ihnen immer auch herkömmliche Kraftwerke vorgehalten werden müssen und sie auch noch Stoffe wie Neodym verwenden. Mitunter brennen sie sogar ab oder stürzen in sich zusammen“.
Was allen klar sein muss in dieser schwierigen Diskussion: Es geht hier nicht um niedliche Windmühlen, es geht auch nicht um Windräder, wie wir sie aus der näheren Umgebung oder aus Salzgitter oder aus Sachsen-Anhalt auf dem Weg nach Berlin kennen. Es geht hier um wirkliche Riesen! Um aus der bodennahen Prandtl- Schicht (schwankende, in der Richtung häufig wechselnde Winde) in die beständige und berechenbare Ekman- Schicht vorzudringen, werden Windanlagen immer höher, um auch im Binnenland effiziente Wirkungsgrade zu erzielen. In Bevenrode sind Räder vom Typ Enercon E-101 im Gespräch, die bei einer Nabenhöhe von 135 m eine Gesamthöhe von 185 m erreichen. Zum Vergleich: Die Bevenroder Kirche ist ca. 25 m hoch, das Hochhaus am Schwarzen Berge ist 66 m hoch, der „lange Heinrich“, Schornstein des Heizkraftwerks Mitte, ist 198 m hoch. Damit haben wir in etwa eine Dimension, was uns 6 fach erwartet.
Alle technischen Neuerungen stoßen zunächst auf Widerstand, alte Holländer-Windmühlen finden heute jedoch alle Menschen romantisch und auch die Dampflokomotiven wurden als der „Tod der Kultur“ zunächst verunglimpft, als sie erfunden wurden. Wird es uns mit den Windrädern auch so gehen? Braucht es nur etwas Zeit, um sie nicht als hässlich und zerstörerisch, sondern vielmehr als nützlich und anmutig zu empfinden? Gibt es keinen anderen Weg, wenn man vom Atom weg will? Zweifel daran mögen erlaubt sein.
Heiner Waßmuß, Ortsheimatpfleger in Bevenrode
Sehen Sie hier Links auf interessante Beiträge zum Thema:
BZ. Streit um Windkraft bei Bevenrode:
http://www.wolfsburger-nachrichten.de/lokales/Braunschweig/hoffmann-gegen-neue-windraeder-mehrheit-dafuer-id679199.html
TAZ. Streit um Windkraft bei Bevenrode:
http://www.taz.de/Streit-um-die-Energiewende/!94981/
Braunschweig-Spiegel:
http://www.braunschweig-spiegel.de/index.php/politik/politik-allgemein/2598-wieviel-zynismus-ist-ertraeglich
http://de.wikipedia.org/wiki/Windkraftanlage
Unsaubere Geschäfte mit Windenergie:
http://www.science-skeptical.de/blog/die-wind-barone/001461/
Bürgerinitiative gegen einen Windpark Ahlum-Dettum:
http://www.windpark-ade.de/