Dr. Hoffmann, die CDU und die Verachtung der Demokratie (erster Teil)

Dr. Hoffmann hat am 11. September seine Mehrheit im Rat verloren. Die CDU fuhr das schlechteste Ergebnis bei einer Ratswahl seit 37 Jahren ein, die FDP kam gerade noch auf einen Sitz. Ungeachtet dieser schweren Schlappe will Dr. Hoffmann nun zwei Entscheidungen mit dem alten, überholten Verwaltungsausschuss und dem alten, ebenfalls überholten Rat durchzwingen. Er missachtet so bewusst das Ergebnis der Wahl und versucht Fakten zu schaffen, die der neue Rat nicht mehr ändern kann.

Fall Nr.1: 500 000 Euro Steuergelder zur „Rettung“ des PPP-Projektes

Am 31. Mai beschloss der Rat das Projekt zur Sanierung von Schulen. SPD, Grüne, BIBS und Linke - die heutige neue Mehrheit also – stimmten aus verschiedenen guten Gründen gegen das PPP-Projekt. Es sollte (und soll) mit einem Volumen von über 200 Millionen Euro die Stadt über 25 Jahre binden. Der Rat hatte nur etwa vier Wochen Zeit, um sich eine Meinung zu bilden über Hunderte von Seiten (die Vergabekammer sitzt schon mehr als zehn Wochen daran, siehe unten). Die Gewerkschaft verdi, die BIBS und die Linke wiesen öffentlich deutlich darauf hin, dass die Zeit viel zu kurz sei, um sich eine fundierte Meinung zu bilden. Sie forderten die Entscheidung zu vertagen. Die Zeit und die Mühe (vom Sachverstand gar nicht zu reden) zur Prüfung der nicht-öffentlichen Unterlagen haben mit Sicherheit nur wenige Ratsherren und –frauen aufgebracht. Also müssen wir davon ausgehen, dass der Beschluss zustande kam, weil die schwarzgelbe Mehrheit schlicht „dem Chef“ gefolgt ist.

Gegen die Vereinbarungen mit Hochtief legte ein Mitbewerber eine Rüge ein. Deren Begründung ist bis heute seitens der Stadtverwaltung nicht öffentlich bekannt gemacht worden. Die BZ vom 29. Juni schreibt dazu, es gehe „offenbar um die Frage, ob das Angebot von Hochtief möglicherweise deutlich unter den Marktpreisen lag“ (in letzter Zeit schreibt die BZ dagegen nur noch von „formellen Mängeln“). Seit Ende Juni prüft nun die Vergabekammer des Landes Niedersachsen, ob in diesem Fall alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Normalerweise muss so etwas innerhalb von fünf Wochen entschieden werden, diese Frist wurde aber wegen des Umfangs des zu prüfenden Materials verlängert (BZ vom 14. Juli); Mitte September waren zehn Wochen vergangen, so dass man vermutlich mit einer baldigen Entscheidung rechnen kann (die Stadt selber hat immer vom Herbst gesprochen, und der ist gerade angebrochen).

Aber nun will die Stadt die Entscheidung gar nicht abwarten (und vielleicht gar nicht öffentlich werden lassen?). Sie bietet dem unterlegenen Mitbewerber eine halbe Million an, wenn dieser seine Beschwerde vor der Vergabekammer zurückzieht. Bezeichnenderweise lässt Dr. Hoffmann dies eine Woche nach der Wahl mitteilen, nachdem ihm also klar ist, dass er das Heft nicht mehr voll in der Hand hat. Und – welch ein Zufall! –der unterlegene Bieter will angeblich „das Vergleichsangebot nur bis Ende September aufrechterhalten“ (Pressemitteilung Stadt, 19. September 2011). Also soll am Dienstag der alte Verwaltungsausschuss, in dem noch die schwarzgelbe Mehrheit herrscht, die halbe Million locker machen, so dass - nach Zahlung an den Beschwerdegänger - Dr. Hoffmann schnell den „Hochtief-Vertrag“ unterschreiben kann. Der würde uns dann, wie gesagt, auf 25 Jahre binden. Weder der jetzt gewählte Rat noch die aus den kommenden vier Ratswahlen hervorgehenden Mehrheiten hätten dann noch die Chance, in dieser Sache irgendetwas auszurichten.

"Allianz für Braunschweig" im Zwielicht

Der Kommunalwahlkampf in Braunschweig schlägt immer noch Wellen. Wurde er doch um eine Person geführt, die gar nicht zur Wahl stand, um den Oberbürgermeister Dr. Hoffmann. Er wurde in den Mittelpunkt der Wahlwerbung gestellt, nicht die CDU oder gar die FDP. Die "Lichtgestalt" Hoffmann sollte es richten. Nichts war zu teuer, um in der NB und der BZ Werbung für ihn zu machen. Die nicht eindeutige Trennung zwischen Wahlwerbung und Redaktion war sicher nicht zufällig. Es ist anzunehmen, dass sie so gewollt war, um den Wähler hinters Licht zu führen. Dieser Fall lag dem Ombudsrat Herrn Kintzi nun vor, der im Grunde alles korrekt empfand. Dass das Wort "Anzeige" über der Wahlwerbung der CDU nicht aufgeführt war, ist angeblich ein "Schönheitsfehler" (Kintzi), denn alles andere war "weitgehend gerecht" (BZ von heute).

Entschuldigung, das fehlende Wort "Anzeige" ist kein Schönheitsfehler, es ist der entscheidende Hinweis. Es hinterlässt den Eindruck, dass die BZ mit der CDU zusammengespielt hat. Bei der Motivsuche steht immer die Frage im Vordergrund: "Wem nützt das?" Hier eindeutig der CDU.

Die Wahlkampfstrategie der CDU, so ein Blick heute zurück, war gemeinsam mit der famosen "Allianz für Braunschweig" auf unterschwellige Desinformation der Wähler ausgerichtet. Diesen Eindruck musste man vor allem auch durch die Wahlbroschüren der "Allianz..." bekommen.

In dieses Bild passen auch die Ungereimtheiten in der sog. "Allianz für Braunschweig". Eine Person wollte nie zur Allianz gehören und hatte das auch entsprechend mitgeteilt. Diese Person stand trotzdem als Unterzeichner unter der Anzeige. Das gibt inzwischen Ärger, weil die Person sich menschlich und auch politisch missbraucht fühlt. Die diffamierenden Worte in der Anzeige wären nicht sein Stil. Vielleicht sind es ja noch mehr, die nicht dazu gehören wollten.

Es ist nur gut, dass diese dubiosen Machenschaften der CDU keinen Erfolg hatten, schon der politischen Hygiene wegen. Hoffmann hat trotzdem verloren! Diese Tatsache in einen persönlichen Vorteil umzudeuteln (siehe vorheriger Beitrag) ist peinlich, aber nicht überraschend. Wie immer zeigt sich in der Niederlage die wahre Größe.

Hoffmann, der Märchenonkel

Leserbrief zur Reaktion des Oberbürgermeisters auf den Wahlausgang (Braunschweiger Zeitung vom 14.09.2011, S. 17 - "Hoffmann, der Entspannte" und Neue Braunschweiger vom 14.09.2011, S. 6 - "Wenn ein neuer Rat Schulden macht, sind das nicht meine")

"Wer's glaubt, wird selig: Die CDU fährt am 11. September in Braunschweig eine krachende Wahlniederlage ein, die sogar noch höher ausfällt als im Landesdurchschnitt und ihr Aushängeschild Dr. Gert Hoffmann findet das angeblich ganz toll. Wo doch die berühmt-berüchtigte Einstimmen-Mehrheit im Rat für ihn eine echte Tortur gewesen sei. Fragt sich nur, warum Hoffmann dann in den letzten Monaten gemeinsam mit seinen "Peinigern" von der CDU so verbissen und erbittert um eben diese knappe Ratsmehrheit gekämpft hat. Von der jetzigen demonstrativen Gelassenheit war da wenig zu spüren - im Gegenteil. Hoffmann und die Seinen ließen propagandistisch und finanziell nichts unversucht, um den unvermeidlichen Machtverlust doch noch abzuwenden. Das einzige Argument der CDU und ihrer "Allianz für Braunschweig" im Wahlkampf lautete: Der Oberbürgermeister darf seine Mehrheit nicht verlieren. Insofern ist das Wahldebakel der CDU auch eine saftige Ohrfeige für Herrn Dr. Hoffmann. Eigentlich müsste er angesichts dieser persönlichen Niederlage zurücktreten. Stattdessen verbreitet er ungehindert das Märchen vom befreiten und erleichterten OB. Dieser Legende sollte niemand auf den Leim gehen. Sie dient einzig und allein dazu, Hoffmanns neuen Status als Auslaufmodell und "König ohne Land" schönzureden."

"Die Geschichte von der Rattenlinie" Vortrag von Eckhard Schimpf

Vortrag am 25.August 2011 im Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte an der TU

Es war ein bemerkenswerter Vortrag von Eckhard Schimpf, wobei mit der "Rattenlinie"  die Fluchtlinie für NS-Leute aus Italien über Genua nach Argentinien gemeint war. Tausende von SS- und SA-Angehörigen konnten hier mit Hilfe der katholischen Kirche, insbesondere des Vatikans, der Verfolgung entkommen, darunter auch Personen wie Eichmann, Mengele, Klaus Barbie und viele andere.


Im Mittelpunkt des Vortrags stand die Flucht des obersten Nazis in Braunschweig, Berthold Heilig, über die Rattenlinie nach Argentinien. Er war von März 1944 - April 45 Kreisleiter der NSDAP in Braunschweig und hatte insbesondere in den letzten Kriegstagen eine Blutspur in der Stadt hinterlassen. 1947 war er von einem deutschen Gericht zum Tode verurteilt worden. Am 10.Dez.1948 (ausgerechnet an dem Tag, an dem die Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen stattfand) gelang ihm eine abenteuerliche Flucht aus dem Wolfenbütteler Gefängnis. Danach verlor sich seine Spur...

Eckhard Schimpf - ansonsten auch bekannt als Rennfahrer - begann 1995 zu recherchieren, und zwar 10 Jahre lang. Er kam zu erstaunlichen Ergebnissen, die er dann 2005 in seinem Buch "Heilig. Die Flucht des Braunschweiger Naziführers auf der Vatikan-Route nach Südamerika" vorstellte.

Die Dinge, die er dort beschreibt, sind zum Teil erschütternd, insbesondere die Beschreibung der letzten Kriegstage in Braunschweig vom 10.-12.April 1945, die Schimpf als 7-jähriger miterlebt hat. Heilig wollte noch am 11. April Braunschweig zur Festung erklären, als schon die Verhandlungen mit den Amerikanern am Stichkanal in Salzgitter liefen. Dann wäre von Braunschweig nicht mehr viel übrig geblieben.

Eckhard Schimpf ist noch jetzt die Betroffenheit über die damaligen Ereignisse anzumerken, insbesondere auch das Kindheitserlebnis, diesen brutalen Menschen durch einen Zufall 1944 im eigenen Garten erlebt zu haben. Dabei gab es eine Situation, die er sein Leben nie vergaß - und die schließlich der Anstoß zu seinen Recherchen wurde.

Berthold Heilig, seit März 1944 als Kreisleiter der NSDAP der oberste Nazi in Braunschweig, wollte ausgerechnet in das Haus in der Ferdinandstraße 4 einziehen, in das kurze Zeit später die Familie Schimpf einzog. Heiligs Frau hatte sich dann aber wegen der zentralen Stadtlage und der Gefährdung durch Bombenangriffe dagegen entschieden. Heilig hatte aber noch einen Hausschlüssel und stand plötzlich im Garten. Ein Schmetterling setzte sich auf seine Uniform - Heilig strich ihn mit der Hand weg, der Schmetterling fiel auf den Boden und wurde dort mit den gewichsten Stiefeln von Heilig zertreten.

Die Erinnerung an diese Situation ließ Schimpf nicht mehr los, und er begann 50 Jahre später zu recherchieren. Was er dabei zu Tage förderte, ist abenteuerlich und zum Teil sehr intim. Er erfuhr von Zeitzeugen, wie nach der Verurteilung zum Tode der Ausbruch aus der Todeszelle im Gefängnis von Wolfenbüttel geplant und durchgeführt wurde (von ehemaligen SA-Leuten und seiner früheren Sekretärin, die dann mit einem britischen Sergeanten liiert war); wie er dann über das Netz der "Stillen Hilfe" nach München und Tegernsee kam; wie er als Mönch verkleidet einige Monate in einem Kloster in den Alpen bei Brixen unterkam; wie er dann über das Netzwerk des Bischofs Hudal nach Rom kam und dort über ein Jahr (zusammen auch mit Eichmann und Mengele) lebte ("Die katholische Kirche hat stets alle unterstützt, die in Not sind", wird Eckhard Schimpf bei seinen dortigen Recherchen hören.) und schließlich die Papiere und das Geld für das Schiff nach Argentinien erhielt und zunächst bei einem evangelischen Pastor in Buenos Aires unterkam.

Es ist enorm, welche Personen Eckhard Schimpf bei seinen Recherchen kennenlernt und die - manchmal erst nach mehreren Versuchen - bereit sind zu erzählen und selbst Einzelheiten weitergeben. Liegt es an der einnehmenden Art von ihm und seiner Persönlichkeit? Er ist offen und verspricht Vertraulichkeit - sonst hätte er wohl nicht so viel erfahren.

Heilig selber schlägt sich dann in Argentinien durch und lässt kurze Zeit auch seine Frau und die drei Töchter nachkommen. Allerdings erfolgt schon nach wenigen Monaten die Trennung. Ein Einschnitt geschieht, als 1960 plötzlich Eichmann vom Mossad in Argentinien entführt wird. Viele der dort lebenden SA- und SS-Leute fühlen sich nicht mehr sicher.  Zu weiteren Festnahmen oder Auslieferungen kam es aber nicht mehr. Heilig selber wurde Alkoholiker und stürzte sich 1978 aus dem 10. Stockwerk eines Hotels in Tucuman und stirbt.

DAS ERGEBNIS DER KOMMUNALWAHL IST AMTLICH FESTGESTELLT

In seiner Sitzung am heutigen Tag hat der Gemeindewahlausschuss für die Stadt Braunschweig einstimmig die Ergebnisse für die Wahl des Stadtrates und der 19 Stadtbezirksräte festgestellt. Bei insgesamt nur kleinen Stimmenverschiebungen im Vergleich zum vorläufigen Ergebnis gab es dennoch Veränderungen in den Sitz- bzw. Mandatszuteilungen.

Im Rat der Stadt wechselte die Sitzverteilung für die FDP. Neu zieht Juliane Lehmann statt des Bewerbers Florian Bernschneider in den Rat ein. Auch in den Stadtbezirken 120 - Östliches Ringgebiet und 213 -Südstadt-Rautheim-Mascherode wurden durch leichte Stimmenverschiebungen die Sitze anders als zum vorläufigen Ergebnis verteilt.

Stadtbezirk 120 - Östliches Ringgebiet

Aufgrund eines Zugewinns der SPD erhält die Partei sechs statt bisher fünf Sitze. Entsprechend muss die Partei GRÜNE einen Sitz abgeben.Daraus folgt, dass der vorläufig gewählte Bewerber Thomas Lepa (GRÜNE) sein Mandat tauscht mit Peter Strohbach (SPD).


Stadtbezirk 213 – Südstadt-Rautheim-Mascherode

Aufgrund eines Zugewinns der Grünen im Stadtbezirk 213 verliert die CDU einen nach dem vorläufigen Ergebnis errechneten Sitz. Der Bewerber Eckhardt Burgemeister (CDU) verliert damit sein vorläufiges Mandat vom Sonntag. Der zusätzliche Sitz für die Partei GRÜNE bleibt jedoch mangels einer ausreichenden Zahl von Kandidaten nach dem Kommunalwahlgesetz bis zum Ablauf der neuen Wahlperiode ab November unbesetzt. Auf der Kandidatenliste der Grünen standen nur zwei Bewerber, erhalten hat die Partei nun jedoch drei Sitze.

Das amtliche Endergebnis kann unter der Internetadresse www.braunschweig.de/kommunalwahl abgerufen werden.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Wahlamt

 


Kommentare   
 
0 #3 W Karl Schmidt 2011-09-30 02:21
Ihre Einlassung zu R.Rs "Kommentar" reizt ungheuerlich, Alexander W. Schon mal reingeschaut in die Ratssitzungen? Der momentanen und zukünftigen Ansammlung von Polittricksern, politischen Hochstaplern, Bauernfängern, Hinterbänkler-Clowns und Sitzungsgeldsam mlern in einigen Fraktionen des BS-Rates könnte es ja gerade als Entschuldigung gereichen, würde man diese als Naivchen bezeichnen.
(Nur der Ordnung halber: Herr Bernschneider ist da außen vor, muß diesen schlecht dotierten, wenig PR-trächtigen Job in dieser zurechtgestutzt en Personality Show j e t z t nicht mehr verrichten.)
 
 
 
0 #2 Alexander W 2011-09-29 14:35
Antwort auf Renate R.

Der Ehestatus reicht garantiert nicht aus, um einen Posten zu bekommen- sonst könnte man ja jedes Naivchen für den Rat aufstellen!
 
 
 
0 #1 renate rosenbaum 2011-09-17 17:58
Sollte der Braunschweig-Sp iegel nur 1:1 die amtlichen Ergebnisse bringen? Ist es nicht erwähnenswert, daß die Wahlergebnisse erneut ausgezählt worden sind?
Was ist hier der Antrieb?
Ist es nicht ein drolliger ZUFALL daß die Frau oder Exfrau von Herrn Lehmann nun einen Ratssitz hat?

Renate
 
 

Häme trotz Stimmenverlust: Hoffmanns Blick auf die Kommunalwahl

Journalist Klaus Wallbaum befragte Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann nach der Kommunalwahl für die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Aufhänger waren die geschrumpfte Mehrheit der CDU und der Zuwachs an politischen Gruppen im Stadtrat. Frage an Hoffmann: „Droht eine Kurswende in der Stadtpolitik?“

Hoffmanns Antwort entblößt seine Intentionen: „Nein. Die wesentlichen Entscheidungen sind gefallen.“ Die Stadt könne die Stadtwerke nicht zurückkaufen, weil der Eigentümer nicht verkaufen wolle. „Das Schloss wird wohl niemand mehr abreißen wollen.“ Der Forschungsflughafen sei ausgebaut, der Ausbau des Stadions in die Wege geleitet. „Dies alles wird wohl keine Mehrheit mehr zurückdrehen können.“

Dem aufmerksamen Bürger ist es seit Jahren klar, aber jetzt sagt Hoffmann es selber: Um nichts anderes geht es ihm, als seinen Willen durchzusetzen, egal, wie unvernünftig und ungeteilt er sein möge. Das hat er geschafft und dreht dem Bürger jetzt eine lange Nase. Kein Wort von Finanzen, Schulen, Sozialem. Aber auch keines vom Spaßbad, der Jugendherberge und dem FBZ.

Zu lesen war das Interview am Dienstag, 13. September, unter anderem auch in der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung.

Der Oberbürgermeister und der Bundestrend

Oberbürgermeister Dr. Gert Hoffmann sieht in dem Ergebnis der gestrigen Wahl keine Abstrafung seiner Politik, sondern gibt vor allem dem Bundestrend die Schuld. Die Frage ist, ob es sich der OB hier nicht etwas zu einfach macht.

Wie der OB die bittere Niederlage der CDU/FDP-Koalition deutet, ist in der gestrigen Presseerklärung der Stadt nachzulesen: „Das schwache Abschneiden der CDU führte er zum einen ­wie fast alle Wahlanalysten ­ darauf zurück, dass die Ratswahl diesmal nicht mit einer OB-Wahl verbunden und er damit gewissermaßen selbst als ‚Zugpferd’ für die Union ausgefallen sei. Noch entscheidender aber bewertet der OB den negativen Bundestrend für die CDU und die ‚Vorgabe’ vom letzten Wochenende aus Mecklenburg-Vorpommern.“

Die Aussage, dass der OB Hoffmann als Zugpferd für die CDU ausgefallen wäre, muss nicht weiter kommentiert werden. Die zentral auf den OB zugeschnittene Kampagne der CDU wird schließlich jedem Braunschweiger noch vor Augen stehen:
‚Für die Erfolgspolitik von Dr. Gert Hoffmann! Am 11. September: Alle Stimmen für die CDU! So stand es 100 000-fach auf Postkarten, auf Plakaten und in Anzeigen.
Der OB fungierte also als das Zugpferd der CDU.


Nicht zu bestreiten ist allerdings der negative Bundestrend für die CDU. Zu fragen ist allerdings, wieweit ein solcher bundesweiter Trend, der sich in einer herben Niederlage der Braunschweiger CDU niederschlägt, automatisch signalisiert, dass der Wähler damit ungerechtfertigterweise den Hund prügelt, obwohl er dessen Herrn meint.

Weiterlesen: Der Oberbürgermeister und der Bundestrend

Geht es noch um Rechts und Links?

Diese Frage muss man sich stellen, wenn man sich die Wahlergebnisse in Braunschweig, in den anderen Kommunen und Landkreisen ansieht und die Probleme, die wir haben damit in Beziehung setzt. Und diese Frage ist auch nicht neu.

Die aus den demokratischen Anfängen stammende Einteilung in rechts und links, aus der Sitzordnung in den Parlamenten kommend, wird an Bedeutung zunehmend verlieren, sei sie auch noch so plakativ.

In Braunschweig zeigt das Ergebnis der Kommunalwahlen besonders deutlich, dass das Setzen auf tradiertes Wählerverhalten zunehmend keine Wahlerfolge mehr bringt. CDU und SPD verlieren oder stagnieren auf einem relativ niedrigen Niveau mit dem Trend eher nach unten als nach oben. Das Ergebnis zeigt aber auch, dass viele Bürger mitreden wollen, aber kein Forum finden. Sie gründen sich ihr eigens. Die Parteienlandschaft wird zerzaust. Vor fünf Jahren war es die BIBS, die mit einem neuen Politikstil (der Stadtrat ist nur der verlängerte Arm von der Straße) ins Rathaus einzog. Sie hat sich nun etabliert, weil ausreichend Bürger sie und ihren Stil - auch die Verwaltung kontrollierenden - für wichtig halten.

Eine Bürgerbewegungspartei ist zunächst auch die Piratenpartei. Sie spricht besonders jungen Menschen an, die mitgestalten wollen und in den etablierten Parteien keine Heimat sehen. In rechts und links sind die nicht einzuordnen, und das ist gut so. Und die Grünen? Auch hier fällt die Einordnung in rechts und links schwer, orientiert sie sich doch hauptsächlich an ökologischen Zukunftsproblemen mit einem gesellschaftspolitisch liberalen (hat nichts mit der FDP zu tun) Kern.

Die Linke hat ihre Sitzordnung im Parteinamen. Das ist schlecht, wenn es hoffentlich bald nicht um rechts und links geht, sondern um Überlebens- und Demokratieentscheidungen. Schon der Name vermittelt den Eindruck der Stagnation, des Klassenkampfes. Die Linke hat ein Namens- Struktur- und Marketingproblem. Dabei hat die Linke viel zu bieten - nicht nur eine knallharte Analyse der finanzwirtschaftlichen Verhältnisse und richtungsweisende Vorschläge. Alle wissen es, dass die Banken unsere Demokratie kassiert haben. Nicht die marginalisierten Kommunisten haben die zerstört, sondern der marktradikale Kapitalismus, wie ihn auch OB Dr. Hoffmann vertritt. Die Linke ist damit demokratiefördernd, was man gemeinhin den Etablierten nachsagt. Das ist aber keine Frage von rechts und links. Es ist eine über die Machtverhältnisse, Gerechtigkeit und Umwelt. Alle drei sind untrennbar miteinander verknüpft.

Rechts und Links sind verstaubt und gehören einer anderen Epoche an. Es langweilt endlos. Sie sind ein Synonym für Erstarrung, verhinderte Zukunftsorientierung und Demokratieabbau. Um es umgangssprachlich zu sagen: Rechts und links sind un-sexy.

 

 


Kommentare   
 
0 #4 W Karl Schmidt 2011-09-15 03:22
U.M., bitte, wer? Bitte, was? Sie werfen Nebelkerzen. Nicht Ingeborg Gerlachs Replik auf Ihre Kommentierung gegen die BiBS irri-
tiert. Es sind gerade Ihre verschrobenen (verklausuliert en intellektuellen ) Einlassungen die Verwunderung hervorrufen! Nur bei mir? Wenn, dann wird´s nicht so bleiben - in der Zukunft. Klare Worte erwartet man von Ihnen. Daran soll man sich dann reiben, -oder es lassen. Ansonsten wird es ein mieses Spiel. Sie mögen vergessen haben, viele Menschen jedoch nicht, dass Sie vor wenigen Monaten noch als Kandidat der BiBS um einen renommierten politischen Posten antraten. Ihren Wechsel zu anderen Ufern haben Sie Ihren Wählern jedenfalls nie erläutert.
 
 
 
0 #3 Wilma 2011-09-14 23:48
Dann müssen wir die Linke eben ein wenig aufsexen- das kriegen wir doch hin- nicht wahr, Uwe ? ;-)
 
 
 
0 #2 Uwe Meier 2011-09-13 11:50
Es ist mir nicht verständlch, dass Ingeborg Gerlach den "neuen Politikstil" durch die BIBS so negativ interpretiert und meint diesen Stil verteidigen zu müssen.

Es ist schlicht eine andere Form des Demokratieverst ändnisses und der öffentlichen Umsetzung. Dass es diese Möglichkeiten in unserer Demokratie gibt, und diese in Braunschweig in einer einmaligen Form auch wahrgenommen wird, ist doch nur positiv zu bewerten.
 
 
 
0 #1 Ingeborg Gerlach 2011-09-13 10:57
„Die BIBS ist nur der verlängerte Arm der Straße“, heißt es da lapidar. Das klingt so, als wüte der Pöbel auf Braunschweigs Straßen, unterstützt von einer verantwortungsl osen Bürgerinitiative. Richtig ist, dass die BIBS in bestimmten Konflikten (Flughafen, Atommüll, Schule Schunteraue, Bahnübergang Steinriedendamm usw.) Unterstützung gewährt, wo in die Verwaltung versagt bzw. bewusst etwas verschweigt. Agiert wird in Demonstrationen (gutes Bürgerrecht), vor allem aber auch in Bürgerversammlu ngen, wo Diskussionen pro und contra stattfinden (Beispiel: letzte Woche in Wenden in Sachen Atommüll): _Doch eine Kernkompetenzder BIBS ist die Akteneinsicht der Ratsleute. Es wurde schon mancher merkwürdigen Vertrag durchleuchtet, den die Stadt einging. Grundsätzlich dringt die BIBS auf Transparenz, und zwar in den parlamentarisch en Gremien. Das wird auch weiter so bleiben, und man sollte diese Anstrengung lobend hervorheben, wenn man Bilanz zieht._Durch beide Arten von Aktivität ist die BIBS ein ernstzunehmender Faktor in der Politik, was in dem Beitrag völlig negiert wird. _
 
 
 

Wundersame Interpretationen der Dimap-Umfrage

Die CDU hat Anfang Juni eine Infratest dimap-Umfrage zur politischen Stimmung in Braunschweig in Auftrag gegeben, die bis zum Wahltag nicht im Klartext veröffentlicht wurde. In der Interpretation dieser Umfrage kommen die CDU und ihr OB Hoffmann zu erstaunlich anderen Ergebnissen.

Vor der Wahl teilte die CDU in ihrer Wahlkampfzeitung ‚Braunschweig Extra’ vom 4.9.2011, Seite 2: ‚Respekt aus allen Lagern’ ihre Interpretation der Umfrageergebnisse mit:

„Doch die schamlos zur Schau gestellte Hochnäsigkeit von Hoffmanns politischen Gegenspielern, aus dem CDU-feindlichen Bundestrend Kapital schlagen zu können, wird sehr gedämpft durch die aktuelle dimap-Umfrage. (…)

Bringt Hoffmann der CDU tatsächlich wieder so viele Stimmen ein, dass ohne die Christdemokraten keine Mehrheit im Rat zustande kommt? Die Überzeugungen der Braunschweiger lassen nach der dimap-Umfrage nur diesen Schluss zu.“

Es muss für die CDU eine bittere Überraschung gewesen sein, als am Wahlabend dann doch alles ganz anders kam. Eine Enttäuschung, vor der sie ihr OB Hoffmann hätte bewahren können. In der städtischen Pressemitteilung nach der Wahl vom 11.9.2011 ist nämlich zu lesen:

„Nicht überrascht dagegen zeigte er [der OB] sich von dem Ergebnis der Wahlen zum Rat der Stadt Braunschweig. ‚Angesichts des Bundestrends und meiner Kenntnis der Wahlumfrage von Infratest dimap Anfang Juni war klar, dass Schwarz-Gelb die bisherige Patt-Situation verliert und insbesondere die CDU starke Einbußen haben wird’, sagte Hoffmann in der Wahlnacht.“

WAHLAMT - VORLÄUFIGES WAHLERGEBNIS DER KOMMUNALWAHLEN IN BRAUNSCHWEIG

Mit einer Wahlbeteiligung von 49,5 % endete die Ratswahl in Braunschweig, 0,2 Prozentpunkte höher als vor fünf Jahren. Alle Ergebnisse von Sonntagnacht und die Namen aller vorläufig gewählten Bewerberinnen und Bewerber für den Rat der Stadt und die 19 Stadtbezirksräte finden Sie im Internet unter www.braunschweig.de/wahlen/ergebnisse/ergebnisse_kw11.html
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Wahlamt Braunschweig
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Telefon 0531 - 470 4114
Telefax 0531 - 470 4141
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Fotos: Stadt Braunschweig, edK - Fotolia.com, Frank Heinzelmann - Fotolia.com