Falsche Bescheidenheit
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- Veröffentlicht: Dienstag, 06. September 2011 11:26
- Geschrieben von Sigrid Probst
Acht Seiten unter dem Titel „ Braunschweig Extra“ fielen mir am Sonntag aus der NB vom 4.9.11 entgegen. Nanu, ein Hinweis auf eine neue Zeitung? Darunter steht aber: Zeitung für Kommunalpolitik. Ins Blickfeld gerät ein Riesenfoto mit der Schlossfassade im Abendlicht. Von einer Werbezeitung der CDU ist immer noch nichts zu erkennen.
Unter Finanzen, ebenfalls auf Seite 1 wird es geschafft, die Wohltaten und unendlichen Erfolge darzustellen, ohne auch nur einmal die vielen Privatisierungen und Verkäufe des öffentlichen Eigentums zu erwähnen. Das ist ein Kunststück ganz besonders anderer Art.
Spätestens da dämmert es dem bemühten Leser: Das ist doch ein Riesenaufriss der CDU zur Kommunalwahl am nächsten Sonntag, 11.09.2011.
Nun ist jede Bescheidenheit dahin.
Mir war gar nicht bewusst, dass ich als graue Maus in einer grauen Stadt gelebt habe. Braunschweig war schon lange ein Oberzentrum und immer eine beliebte Einkaufstadt für mehr als eine Millionen Menschen aus dem Umfeld.
Die vielen Wissenschaftsinstitute gab es schon vor 10 Jahren, manche wurden umbenannt, andere kamen dazu. Von einer Industriestadt vollzog sich im Laufe der Jahre ein deutlicher Trend in Richtig Wissenschaft und Forschung.
Die Bewerbung unter dem Stadtmarketing zur Kulturhauptstadt Europa 2010, sollte man lieber nicht mehr erwähnen. Das war ein grandioser Bauchklatscher, denn gerade wegen des Kaufschlosses, welches einen wahren Kulturschock darstellt, wurde diese Bewerbung hinweggefegt.
Nicht zu verachten ist das Stadtmarketing. Wer errechnet eigentlich mal die gigantischen Kosten, die für die Event Kultur da an Steuergeldern hineingehen?
Nun zur Innenstadt. Dort, auf dem Kohlmarkt, ein weiteres großes Bild, sitzen auf schönen Stühlen Menschen mit einem Kaffee to go in der Hand und lächeln siegessicher: Wir machen alles richtig, oder haben alles richtig gemacht. Es geht um die Erfolgsgeschichte, die Deutschland inspiriert hat! Experten schätzen, dass eine halbe Milliarde an Folgeinvestitionen das Fassadenschloss an Belebung der Innenstadt hinter sich hergezogen hat.
Da schafft es der IAA-Vorsitzende (Vorsitzender des Arbeitsausschusses Innenstadt) Herr von Carolath, nicht mit einem Wort zu erwähnen, dass es erhebliche Probleme in unserer schönen alten Innenstadt mit sichtbaren Leerständen gibt. Ein noch immer schönes Kaufhaus, City Point, in allerbester Lage ist nicht mal mehr halb voll mit Geschäften. Auch viele kleinere Läden stehen leer. Das ist ein sehr hoher Preis. Wackere Kaufleute um den Kohlmarkt herum versuchen dagegen zu halten, aber schon hinter der alten Hauptpost wird es mehr als mager, hinter dem Bankplatz ebenfalls.
Unsere Einkaufstadt ist dort wo die alten Kirchen und Märkte sind und nicht in der so genannten „Neuen Mitte“ im ECE-Einkaufcenter im Schlosskaufhaus.
Es ist schon schlimm genug, dass das Magni-Viertel wie hinter einer Barriere verschwindet. Aus dem Bohlweg ist kein Champs Elysees, wie vom Oberbürgermeister erhofft, geworden. Er wirkt wie eine einfach schreckliche Fressmeile. Die einzelnen Bäume mögen dort nicht wachsen, in einer glänzenden, mit Blaubasalt versiegelten Fußgängerzone.
Wie kann man diesen Mann als Vertreter der Innenstadtleute noch ernst nehmen?
Am 2. September war hoher Besuch in unserer Stadt. Der Bundestagspräsident, der zweithöchste Mann in unserem Staat Herr Norbert Lammert, hat sich in unser Goldenes Buch eingeschrieben. Ganz zufällig war dieser Besuch sicher nicht. Selbstverständlich wurde er in das rekonstruierte Schloss geführt. Dabei hat er danach gefragt, ob die Räume, in denen die Bibliothek untergebracht sind, auch der Stadt gehören. Das musste der Oberbürgermeister verneinen. Dafür werden fast 1,2 Millionen Euro jedes Jahr ( noch 27 Jahre lang) an die Eigentümerin überwiesen. Schon vergessen? Nein.
An diesen Beispielen kann man erkennen, wie mit viel Geld von bestimmten Mitbürgern Wahlwerbung betrieben wird und wie viel Macht dahinter steckt.
Die Angst muss riesengroß sein, gerade diese zu verlieren.