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Forscher entwickeln umweltfreundliches Antibiotikum

Von Anna Paarmann

Ein paar Tage, nachdem die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) die Förderung über 460.000 Euro zugesagt hatte, schlichen sich bei Prof. Dr. Klaus Küm merer Zweifel ein. Eine gute Idee? Ist es verrückt, sich mit einer so kleinen Arbeitsgruppe daran zu wagen? Nahezu alle großen Pharmafirmen haben bereits Jahrzehnte in die Forschungen investiert, doch nur die Wissenschaftler der Leuphana haben es geschafft, ein Antibiotikum zu entwickeln, das nach seiner medizinischen Verwendung nicht mehr aktiv ist. Kümmerer und seine Kollegen haben damit weltweit ein Zeichen gesetzt.

Der 58-Jährige leitet das Institut für Nachhaltige Chemie und Umweltchemie, schon lange sucht er nach einer Methode, Pharmaprodukte so zu verändern, dass sie nicht über Jahre die Umwelt belasten. „Jährlich werden im Humanbereich 500 bis 600 Tonnen Antibiotika eingesetzt“, klärt er auf. Im Zentrum der Forschungen steht der Wirkstoff Ciprofloxacin, ein vielfältig einsetzbares Antibiotikum, das bei Harnwegsinfektionen, Darmerkrankungen und Infektionen der Atemwege verschrieben wird. In der deutschen Human- und Tiermedizin liegt der jährliche Verbrauch bei 33 Tonnen. „Viele meinen, dass die Kliniken die größten Verbraucher sind. Tatsächlich fallen 80 bis 90 Prozent außerhalb an.“ Und der Verbrauch sei in den vergangenen Jahren nochmal kräftig angestiegen.

Ausgeschiedene Antibiotika kehren über den Wasserkreislauf zurück zum Menschen
Das Problem: Ciprofloxacin zerfällt nach dem Ausscheiden aus dem Körper in der Umwelt nicht und wird auch nicht biologisch abgebaut, vielmehr sammelt sich der aktive Wirkstoff in Gewässern oder auch im Klärschlamm. Wird dieser als Dünger verarbeitet, gelangt das Antibiotikum in die Böden, wo es von Nahrungspflanzen wieder aufgenommen werden kann. Und die Bakterien können Resistenzen auf andere übertragen, die besser angepasst sind. „Wir nehmen sie dann über das Trinkwasser wieder auf“, sagt Kümmerer, der auch über eine erweiterte Abwasserreinigung nachgedacht hat. „Das ist keine Möglichkeit, weil jedes der Verfahren nur einige Stoffe entfernt, bei manchen entstehen sogar noch giftige Folgeprodukte. Zudem verfügen weltweit nur 20 Prozent der Länder über konventionelle Kläranlagen.“

Als abgeschlossen sieht er das Projekt, in dem fünf Jahre Arbeit stecken, nicht an. „Wir können noch besser sein.“ Die Bruchstücke, in die der neu entwickelte Wirkstoff zerfällt, seien zwar bekannt, nur sei eines noch nicht vollständig biologisch abbaubar. „Ein Bruchstück wird zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut, also vollständig mineralisiert. Das ist der Optimalfall.“ An dem anderen arbeite man zurzeit noch. Beruhigend sei die Gewissheit, dass das Antibiotikum seine Wirksamkeit verliert, wenn es in die Blase und die Umwelt gelangt. „Wichtig ist, dass die Muttersubstanz zerfällt. Dadurch wird es inaktiv.“

Mit der Forschungsarbeit hat Kümmerer bewiesen, dass solche Eigenschaften gezielt in Medikamente eingebaut werden können. Offene Türen hat er damit keineswegs eingetreten, wurde vor zehn Jahren auf einer wissenschaftlichen Tagung sogar dafür belächelt. Etliche Förderanträge scheiterten, erst die DBU war bereit, den Schritt mitzugehen. „Sie hielt es auch für riskant und hat deshalb Meilensteine eingebaut.“ Eineinhalb Jahre ohne Entwicklung und das Projekt wäre abgebrochen worden. „Wissenschaft bedeutet eben auch, dass es mal nicht klappt. Wir hatten auch etwas Glück.“

Er hat den Fokus auf die Reaktivität gelegt. Ein Wissen, das seiner Meinung nach schon lange in der Welt vorhanden ist. So gibt es Arzneimittel, die in braunen Fläschchen verkauft werden, um den Inhalt vor Sonneneinstrahlung zu schützen. Und solche, die nach Wasserzufuhr geschüttelt und im Kühlschrank aufbewahrt werden müssen, damit sie länger haltbar sind. „Wir haben uns gefragt: Wann soll der Wirkstoff reagieren und wann nicht?“ Berücksichtigt hat Kümmerer dabei auch, dass im Darm ganz andere Bakterien vorhanden sind als in der Umwelt.

Forscherteam auf Partnersuche
Das Forscherteam ist zurzeit auf der Suche nach Partnern. „Wir denken auch über eine weitere Antragstellung nach, das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat ein Programm, in das wir vielleicht hineinpassen.“ Denn die Förderung der DBU läuft im April aus, für Weiterentwicklungen fehlt das Geld. Kümmerer hofft, dass er bis dahin auch für das letzte Bruchteil des Wirkstoffs eine Lösung gefunden hat. „Für Pharmaunternehmen ist das eine große Chance, in Richtung Nachhaltige Pharmazie vorzustoßen, sie steigen aber meist erst ein, wenn alle Risiken beseitigt sind.“

Für danach hat der Chemiker auch schon einen Plan: Er möchte das Konzept für andere Stoffe weiterführen, etwa für Silikone, die durch Shampoo oder Kleidung ins Abwasser gelangen. 100 000 Euro hat Kümmerer kürzlich in eine Promotionsarbeit gesteckt. Das Preisgeld, das ihm 2015 der Wasser-Ressourcenpreis eingebracht hat.

 

 

 

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