EU-Krise: Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten nun auch noch in entgegengesetzte Richtungen?
- Sonntag, 05. Mai 2013 22:03
- Lothar Reinhard
Ohne deutliche Kurskorrekturen in der EU wird Europa bald selbst zum Problem!
Bei den Kommunalwahlen in Großbritannien letzte Woche kam die neue rabiate Anti-EU-Partei UKIP aus dem Stand heraus auf 26% der Stimmen. Und das, obwohl die konservative britische Regierung bereits einen deutlichen Anti-EU-Kurs fährt. Doch auch in anderen Ländern der EU gärt es. Auch in Deutschland ist von Begeisterung für die EU wenig zu spüren, alleine <http://www.lsg.musin.de/geschichte/EU-50/kari-eu-b%25C3%25BCrokaratie.jpg> schon wegen der unüberschaubaren, nicht enden wollenden Rettungsschirme für ein Land nach dem anderen. Doch auch die Überregulierung der Eurokratie kommt häufig beim Volk wenig gut an, ob nun zum jährlichen TÜV-Zwang oder zu fast 30stelligen Kontonummern oder, und....)
Links ein häufiges Motiv zur Karikatur der EU: Der Esel (Bürokrat) als Stier verkleidet, hinterlässt Paragraphen, in Anlehnung an die griechische Sage von Zeus als Stier, der die schöne Königstochter Europa verführte
EU-Europa: Übergang aus Kinderkrankheiten in den Zustand fortschreitender Demenz? Europas Problem besteht nicht nur in der mit den bisherigen Maßnahmen wohl kaum noch lösbaren EURO-Krise, die in erschreckendem Maße offenbart, wie wenig Substanz und Nachhaltigkeit die gesamte neoliberale Ausrichtung der EU in sich birgt. Selbst die größte Errungenschaft der EU, der Friede auf dem davor besonders kriegslüsternen Kleinst-Kontinent, gerät ins Wanken, wenn man die zunehmend nationalistischen Auswüchse und Egoismen innerhalb der EU bedenkt. Da hilft es wenig, dass die EU als solche kürzlich den Friedensnobelpreis erhielt, was bereits an sich irgendwie absurd war.
In Griechenland, dem Mutterland der Demokratie schlechthin, sollen sich laut einer Zeitungsmeldung letzte Woche bereits fast dreiviertel der Bevölkerung in einer Umfrage dafür ausgesprochen haben, dass die Diktatur der 70iger Jahre dort besser gewesen sei. Das erschreckt zutiefst, egal wieviel Aussagekraft diese Umfrage wirklich hatte.
Das Kasperle-Theater in Italien, dem auf Griechenland folgenden Fundament unserer abendländischen Kultur, ist unerträglich, solange ein Krimineller immer und immer wieder an der Macht beteiligt wird, damit er sich selbst inszenieren und bereichern kann und dafür sein wunderschönes Land Stück für Stück in Ruin und Kulturlosigkeit befördert.
Frankreich, das uns und Europa mit den Idealen der Frz. Revolution die weiteren Grundsteine einer Demokratie der Aufklärung sowie von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, geschenkt hat, befindet sich ebenfalls in einer demokratischen Identitätskrise ohnegleichen. Hollande wurde zwar mit deutlicher Mehrheit gewählt, ist aber bereits nach 1 Jahr auf dem Tiefpunkt angekommen und de facto handlungsunfähig. Nicht zu vergessen, dass die rechtsradikale Frau Le Pen jun. 17% der Stimmen erhielt. Und nun auch in Frankreich deutlich anti-deutsche Töne auch bei den Sozialisten von Hollande! Genau wie bei den Bankrotteuren bzw. Staats-Plünderern in Griechenland, Zypern oder Berlusconiland lenkt das zwar hervorragend vom eigenen Fehlverhalten oder Versagen ab, offenbart aber auch eine erschreckende Skrupel- und Orientierungslosigkeit der jeweiligen Eliten bzw. Teilen davon.
Und Belgien? Oder Großbritannien? Oder Bulgarien? Rumänien? Oder gar Spanien? Oder, und? Zerfallsprozesse, wohin man schaut.
Nur: All diese Länder oder Regionen driften ja leider nicht in Richtung vereintes Europa, sondern in schreckliche Kleinstaaterei vergangener Jahrhunderte (Flandern/Wallonien, Schottland, Katalonien uswusf.)! Eine Balkanisierung wie im kleinen ex-Jugoslawien droht, wenn auch hoffentlich nicht so kriegerisch. Auch in Deutschland, der scheinbar letzten großen Bastion, in der die EU noch vermeintlich Frieden, Wohlstand und Wachstum garantiert, sind die Zerfallsprozesse kaum noch zu leugnen, auch wenn die Medienlandschaft dies zumeist gerne täte.
Es soll doch keiner glauben, dass die EURO-Skepsis der Mehrheit der Deutschen auf Dauer nicht zum Tragen kommt. Es soll doch außerdem niemand ernsthaft glauben, dass die ununterbrochene Zuwanderung mit den Schengen-Regularien gemeistert werden könnte. Die Zeichen stehen auf Sturm, auch wenn die Wettervorhersagen weiter Windstille verkünden.
Am schlimmsten auch in Deutschland ist allerdings der beschleunigte Verlust an Vertrauen einer Vielzahl von Menschen in die Fähigkeit der Demokratie, die Probleme noch lösen zu können. Und das auf allen Ebenen! Vor allem aber ist der Glaube daran schwer angeknackst, dass die Demokratie die Probleme überhaupt lösen will oder dass überhaupt noch wirklich über verschiedene Lösungswege gestritten würde.
Die Kaste derjenigen, die real oder vermeintlich die Stadt, den Staat oder den Konzern als Selbstbedienungsläden nutzen, entfernt sich immer weiter vom Gros der Menschen und ihrem Alltag. Viele Mitmenschen sagen "Die da oben machen doch eh, was sie wollen", halten sich aber noch ruhig und geben sich scheinbar (noch) zufrieden mit der Dauerberieselung mit Konsum und Verdummung, die zudem teilweise mit einem würdelosen Voyeurismus alle Fundamente des menschlichen Miteinanders leugnet und zerstört.
Nun ist die Selbstbedienungsmentalität und der wenig zivilisierte Umgang miteinander auch in der sog. "breiten Masse" längst kaum noch anders als in der Oberschicht (auch dabei hat die Chaostheorie leider recht mit ihren Mandelbäumchen).
Die Jugend z.B., die sich am vehementesten Gedanken um das Wie ihrer Zukunft machen müsste, die aufbegehren müsste, wenn die Grundlagen ihrer Zukunft aufgegessen, geopfert oder zerstört werden, schweigt, belustigt sich mit Komasaufen oder dem "Posten" von Intimitäten bzw. unwichtigem Blödsinn auf Facebook oder Twitter.
Da meldete sich etwa die zukünftige Elite von NRW zuletzt nach langem Schweigen erstmals dann massiv zu Wort, wenn angeblich die Mathe-Abi-Klausur zu schwer gewesen sei und verlangt vehement noch eine neue Chance. Nach dem Urteil fast aller Fachleute und Fachlehrer war aber an dieser Mathe-Aufgabe so gut wie nichts Unlösbares, Unfaires oder sonstwie Hinterhältiges. Doch egal: Man konnte es ja mal versuchen, so seine Note zu verbessern. Fast wäre das Ministerium auch darauf reingefallen.
So ist das nun mal auch bei den meisten Jugendlichen, halt genauso wie bei ihren Eltern. Und wenn es um Politik geht oder um Wissen über das eigene Land, die eigene Region oder Stadt oder auch nur um die Fähigkeit, eine Ausbildung auch nur durchzustehen, so herrscht in einem nicht einmal kleinen Teil absolute Fehlanzeige vor. Wenn etwa Ruhrgebietskinder in Duisburg oder Mülheim nicht wissen, dass Bochum auch im Ruhrgebiet liegt, kann das Plattmachen von Opel dort sie auch nicht interessieren. Warum auch, wenn die Freundin gerade den Vorzug eines bestimmten Haarwaschmittel postet oder per SMS lang und breit erläutert, dass ihre Achselhaare jucken.
Kurzum: Ganz Europa scheint nicht zu wissen, wie es weiter gehen soll, aber es auch nicht wissen zu wollen! Fast jede/r oben und unten wurschelt vor sich hin, von Skandal zu Skandal, von Bankenrettung zu Bankenrettung, von Urlaub zu Urlaub oder zumindest von Championsleaguespiel zum nächsten.
Nicht nur im Geschäftsleben oder im Internet, auch im Alltag versucht möglichst Jede/r Jede/n zu besch.... Die verbliebenen Rest-Ehrlichen kommen dabei erst recht unter die Räder.
Hat also die Ellbogen-Gesellschaft auf der ganzen Linie obsiegt?
Nicht wirklich, denn nicht wenige Menschen machen sich Gedanken und Sorgen um die Zukunft, wissen aber keine Antworten. Woher auch, denn es herrscht nahezu Ebbe bzw. Wüste in der Landschaft der Intellektuellen, der Philosophen oder Vordenker. Die endlos vielen Talkrunden beschäftigen sich auch viel lieber mit z.T. völlig überholtem political correctness oder den Eitelkeiten des Jetset oder der immer gleichen Politiker/innen.
Was und wie Europa als EU überhaupt überlebensfähig ist, ist eben auch (noch) nicht wirklich diskutabel, genausowenig wie die Frage der ernsthaften Demokratiekrise europaweit. Wenn die Wirtschaftskrise auch in Mittel- und Nordeuropa größere Kreise zieht, ist es womöglich aber zu spät, weil dann die Fliehkräfte auch dort die EU zerreißen könnten.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks schwadronierten einige angeblich honorige Philosophen noch vom Ende der Geschichte und fast bedenkenlos überließ die geistige Elite den Neoliberalen, deren Lobbyisten und Propheten das gesamte Feld mit den verhängnisvollen Heilsversprechen durch Globalisierung, Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung.
Nun sitzen wir alle auf den Scherben und es wird höchste Zeit, mit dem Denken und Philosophieren wieder zu beginnen, dafür aber auch ganze Teile der bisherigen EU-Doktrinen aus einem neoliberalen, gescheiterten Zeitgeist zu entsorgen!
Die geplante Richtlinie zur Wasserprivatisierung und die sehr erfolgreiche 1. Europäische Bürgerinitiative dagegen sollten Anlass sein zum Umdenken in etlichen Ländern der EU, aber auch im Elfenbeinturm von Brüssel selbst! Irgendwie ist eine Ära vorbei.
Entweder die EU korrigiert sich selbst oder sie wird wieder revidiert und in Einzelteile zerlegt!