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Bericht aus Bumsdorf IX - Persil für alle oder Es ist nicht leicht, ein Nazi zu sein

Der Sprecher der Braunschweiger Polizei, Joachim Grande, stellte fest: „Die beiden Beschuldigten werden aufgrund ihrer äußeren Erscheinung – einer ist kahlköpfig und auch der andere trägt seine Haare auffällig kurz – oft als Neonazis angesehen.“ Was aber nicht zutreffe: „Dazu fehlt ihnen ganz einfach das politische Verständnis.“ Das politische Verständnis? Reicht es nicht, mit den Worten „Scheiß Ausländer“ auf zwei aus Syrien stammenden Menschen zuzugehen, auf sie einzuschlagen und schließlich mit einem Stein auf einen der am Boden Liegenden einzudreschen, um zumindest rassistische Beweggründe zu vermuten? Nein, denn zwar nähmen „Angriffe auf offener Straße zu“, jedoch „oft aus nichtigem Anlass.“ Natürlich, das Eingeständnis, dass hier Rassisten am Werk gewesen sein könnten, würde ja das Eingeständnis beinhalten, dass es auch Rechtsextremisten gibt, also Nazis. Und diese sind bekanntlich vor gut sechzig Jahren urplötzlich ausgestorben.

So ist es in diesem Lande inzwischen fast unmöglich, als Nazi anerkannt zu werden. Man gehört der „Hooligan-Szene“ an, ist in „Streitigkeiten unter rivalisierenden Jugendbanden“ verwickelt, ist „Mitläufer“, „Verführter“, „Verwirrter“, „Einzelgänger“ oder ist provoziert worden. Aber rechtsextrem ist hier niemand. Da kann man auch einschlägig vorbestraft sein, „Ausländer raus“ gebrüllt und ein Hakenkreuzkoppelschloss getragen haben. Was nicht sein darf, ist auch nicht geschehen. Der ehemalige stellvertretende Polizeipräsident von Dessau soll im Februar 2007 zu seinen Untergebenen über die Zunahme rechtsextremer Straftaten gesagt haben, „dass man nicht alles sehen muss“. Und wenn es nicht zu übersehen ist, möchte man hinzufügen, kann man es ja wenigstens verharmlosen, schließlich macht es ja viel mehr Spaß, den linken Zecken einzuheizen.

Interessant ist auch die Argumentation, dass den mutmaßlichen Tätern – um noch mal auf den eingangs beschriebenen Fall zurückzukommen – das nötige Verständnis fehlen würde. Diese mangelnde Bildung lässt sich aber einem großen Teil der (gar nicht vorhandenen) Neonazis attestieren. Und ließe sich nicht auch über die marodierenden Hitlerjungen und volltrunkenen SA-Männer in den 20er und frühen 30er Jahren Ähnliches sagen? Wie wird so was eigentlich festgelegt, wer als Nazi zu gelten hat? Muss man da eine Ausbildung machen? Lehrgänge belegen? Eine Hausarbeit schreiben? Ein Praktikum absolvieren? Und steht am Ende dieser staatlich zertifizierten Lehre eine Prüfung? Die stelle ich mir dann so vor:

Prüfer: Vervollständigen Sie bitte. Eine bedeutende Schrift des Antisemitismus sind „Die Protokolle der Weisen von ...“

Prüfling: Wallstreet! Dieses Finanzkapital da an der Ostküste. World Trade Center und so.

Prüfer: Nein, das ist leider nicht richtig. „Zion“ wäre richtig gewesen. Eine bekannte Parole der Nationalsozialisten war: „Die Juden sind unser ...“

Prüfling: Scheiße. Juden sind scheiße! Aber echt. Die sollte man alle...

Prüfer: Nein, das stimmt leider auch nicht. „Unglück“ wäre die Antwort gewesen. Einen Versuch haben Sie noch. Eine andere Parole lautete: „Juda ...“

Prüfling: ... fick dich! Die sollen sich alle ficken, die Juden und Neger und Fidschis!

Prüfer: Nein, das ist auch falsch: „verrecke“ wäre korrekt gewesen. Leider ist bei Ihnen kein geschlossenes rechtsextremes Weltbild zu erkennen. Tut mir leid! Versuchen Sie es doch bei den Islamisten. Die nehmen eigentlich jeden.

So gesehen hätte vielleicht sogar der Führer Schwierigkeiten gehabt, als Nationalsozialist zu gelten – schließlich war seine Schulbildung mangelhaft, sein Deutsch schlecht und sogar im Krieg hatte er es – trotz der hohen Personalfluktuation – gerade mal bis zum Gefreiten gebracht. Andererseits waren Leute wie Himmler (der ein humanistisches Gymnasium besucht hatte) und Goebbels (einer der besten seines Abiturjahrgangs) sicherlich wiederum zu schlau dafür. Und auch Göring, dem verdienten Flieger und jovialen Jäger mit dem Teddy-Bär-Appeal, hätte man wohl keine extremistischen Tendenzen unterstellen wollen. Conclusio: Nazis gab es nicht, gibt es nicht und wird es auch nie geben.

Und zugegebenermaßen ist Rassismus ja tatsächlich nicht unbedingt rechtsextrem, sondern kommt vielmehr aus der politischen Mitte. Und da helfen auch keine Bildungsgutscheine.


PS Nein, es ist nicht schön, sich selbst zu widersprechen. Besonders dann nicht, wenn man dies in der Öffentlichkeit tut, aber so ist das nun mal, wenn man Pressesprecher ist. Zumindest einer der beiden oben erwähnten Täter ist nämlich ein alter Bekannter der Braunschweiger Polizei. Und schon im Jahre 2001 hat dieser Kontakte zur rechtsextremen Szene gehabt. Zudem ist ein Foto von ihm aufgetaucht, das ihn mit Hitlergruß und auf der Brust aufgemalten Hakenkreuz zeigt. Ein „fremdenfeindlicher Hintergrund“ (was für eine bornierte Formulierung!) und ein politisches Motiv seien deshalb nun plötzlich nicht mehr ausgeschlossen und sowieso sei der Staatsschutz von Anfang an involviert gewesen. Warum dieser Zusammenhang bisher so offensiv geleugnet worden ist? „(Die) Ermittlungen“ sollten schließlich „nicht durch über das Notwendige hinausgehende Veröffentlichungen gefährdet werden.“ Antifagruppen sind es dann auch, die diese Zusammenhänge ins Licht der Öffentlichkeit zerren. Mit anderen Worten: Es werden Fakten verschwiegen, es wird abgewiegelt, beschwichtigt, beschönigt und verharmlost und die Bürger und Bürgerinnen werden für dumm verkauft.

Und das alles im Dienste der Wahrheitsfindung.


Zum letzten Bericht aus Bumsdorf, VIII

Mehr Texte von Braunschweiger Autoren:
„Heimatabend“ mit Axel Klingenberg, Jan Off und Frank Schäfer
14. März, 20.00 Uhr
Brunsviga, Karlstr. 35, Braunschweig
http://www.brunsviga-kulturzentrum.de

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http://www.subh.de

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