Die Herzöge von Hinten
- Sonntag, 11. Februar 2007 01:00
- Alexandra Funke
Die Fotografie, am heutigen Standort aufgenommen (07.02.2007), wurde schon während seiner Entstehung gelobt. Denn eine freundliche Nichts ahnende Spaziergängerin sprach mich an: Ich hätte das Foto des Jahres gemacht. Auf meine Nachfrage hin erwiderte sie: Die Standbilder von hinten, das sei ihr auch gerade aufgefallen, gebe es nur im Winter zu sehen, da sie sonst vom Laub der Bäume verdeckt seien.
Hoch zu Ross reiten Vater und Sohn, die Herzöge Carl Wilhelm Ferdinand († 1806) und Friedrich Wilhelm († 1815), in die Dämmerung. Sagen sie dem Löwenwall adieu? Wenn es nach der „Bürgerinitiative“, - die gegen den Verbleib der Herzöge an diesem schönen Ort ist - ginge, ritten sie einem neuen Morgen vor den Schloss-Arkaden entgegen.
Seit ihrer Enthüllung 1874 standen die in Kupfer getriebenen Reiterstandbilder als Denkmäler eines (speziellen) nationalen Bewusstseins, das sich aus dem Kampf gegen die französische Fremdherrschaft entwickelte vor dem Ottmerschloss. Beide Herzöge galten als „Freiheitshelden“ der napoleonischen Kriege. Dies bewog in den Gründungszeiten des Deutschen Reiches einige Braunschweiger Bürger für die Anfertigung und Aufstellung der Plastiken Gelder zu spenden.
Sie ritten also fortan vom Schloss weg, kümmerten sich nicht um den ersten Weltkrieg, sahen weg als die Monarchie unterging, ... kurz: sie bekamen nie so richtig mit, was hinter ihrem Rücken geschah (hier möge der Leser ergänzen, welche Ereignisse sich im Schloss abspielten) bis Metalldiebe nach dem 2. Weltkrieg ihren geliebten Pferden den Popo geraubt haben ... Das Residenzschloss wurde schließlich abgerissen und die Reiterstandbilder bekamen nach ihrer Restaurierung 1973 den Platz an der Kurt-Schuhmacher-Straße. Man hatte sich sehr um einen geeigneten Standort bemüht und dafür eigens eine mobile Attrappe in den Maßen des einen Standbildes angefertigt, um die Wirkung in der Umgebung zu testen.
Nun, nachdem sie noch einmal zwischen 1992 und 1994 einer Restaurierung unterzogen wurden und ihren Standort vorübergehend verlassen mussten, haben sie ein „Rückkehrgesuch!“ vor das „Schloss“ erbeten, dessen Initiatoren einen Spendenaufruf drucken ließen, um Gelder zusammenzutragen für die erneute Umsetzung. Welche Gründe gibt es dafür? ... Wohin sollen die Plastiken zurückkehren? Zum ECE, zu den Schloss-Arkaden, zur Schloss-Fassade? Gibt es nicht dringlichere kulturelle Angelegenheiten, die monetär unterstützt werden könnten?
Da es sich doch sicherlich um eine „Aufwertung“ der Umgebung handeln würde, versetzte man die Herren an den neuen/alten Platz, fragt man sich warum ECE diese zusätzliche Werbung im historischen Gewand (und diesmal immerhin 1:1) nicht mit gönnerhafter Geste aus eigener Tasche zahlt. Ist ihnen vielleicht einerlei, ob die Herzöge vor ihrem Center stehen oder nicht? Warum sollte man für Wegreitende bezahlen, werden sich vielleicht die heute Mächtigen fragen. Wenn sie doch wenigstens zum Portikus hin reiten und somit einerseits als Wegweiser ins Kaufhaus figurieren und andererseits der überkommenen City den Rücken zukehren würden!
Nachschlag zum Thema Reiterstandbilder:
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DIE BRAUNSCHWIEIGER REITERSTANDBILDER: Dokumentation ihrer Restaurierung 1992-1994 / Figur; Wetzig u.a. - Braunschweig: Städtisches Museum, 2003
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DER UNTERTAN (R: Staudte, DDR 1951) Ein Film nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Mann: die Enthüllung eines Reiterstandbildes Kaiser Wilhelms II. fällt ins Wasser, auf diese Weise enthüllt sich der ‚Untertanen-Geist‘ des Protagonisten, da er als einziger trotz des Platzregens in straffer Haltung stehen bleibt.
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Die künstlerische Idee eines SITUATIONISTEN (um 1950?) der vorschlägt im Sinne moderner plastischer Kunst alle Reiterstandbilder der Welt (solche wie Marc Aurel, der Bamberger Reiter eingeschlossen), die allesamt Denkmäler der Unterdrückung seien, an einer Stelle zu versammeln und so eine „Kavallerie-Attacke“ aufzuführen, die durch die Akkumulation der Standbilder ein Denkmal der Denkmäler der Unterdrückung wäre.