Künstler/innen schaffen frei von der Leber? - Zur Ausstellung
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 24. Januar 2007 01:00
- Geschrieben von Alexandra Funke
Josephine Prydes Fotoserie „Liver“ zeigt ein Stückchen Leber auf den Automaten verschiedener Banken in Manhattan und Braunschweig
Die in der Galerie der Hochschule für Bildende Künste ausstellenden Künstlerinnen – Monika Grzymala, Katrin von Maltzahn, Josephine Pryde und Maria Sewcz – verbindet, dass sie alle ein Stipendium innerhalb des niedersächsischen Dorothea Erxleben-Programms zur Förderung von Frauen – mit Lehrauftrag an der HBK – erhielten.
Die britische Künstlerin Josephine Pryde stellte das ihr zur Verfügung stehende Katalogbudget ihren Studenten für die Publikation eines Magazins („When I was 23 I decided to dedicate my life to art“) und einer Mindmap („Students‘ Day in the Culture Industry“) zur Verfügung. Das Magazin resultiert aus einer Exkursion nach London, bei der die Braunschweiger Kunststudentinnen und Kunststudenten auch Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit den Vermarktungsstrategien moderner Museen (Tate) und Künstlern wie denen der Young British Art erhielten, die in den 90er Jahren mit Damien Hirst an der Spitze nicht zuletzt über den berühmten Sammler Saatchi auch in Deutschland sehr bekannt geworden sind.
Doch dieses Magazin, beziehungsweise eine erläuternde Beilage der Künstlerin, ist der Zensur der Hochschule zum Opfer gefallen. Ein paar Tage nach der Eröffnung wurden die ‚Mags‘ aus der Ausstellung entfernt und durch einen anderen kleinen Katalog ersetzt. Aus rechtlichen Gründen, wie es hieß.
Ja, sie haben richtig gelesen, auch die freien Künste scheinen in Zeiten des Neoliberalismus, in denen die Hochschulen auf ihre Außenwirkung Acht geben müssen, um zum Beispiel nicht ihre Public Private Partners vor den Kopf zu stoßen und ihnen womöglich der Geldhahn zugedreht wird, nicht mehr wirklich frei zu sein. Solche Eingriffe in die Freiheit der Künste, sowie der freien Meinungsäußerung sind bedenklich und kein Einzelfall. VW zum Beispiel hat vor einigen Jahren aufgrund einer unliebsamen Arbeit eines HBK-Absolventen, die im Rahmen einer Ausstellung im Staatstheater gezeigt wurde, der Hochschule sämtliche Zusammenarbeit versagt. Piech hatte sich durch das Kunstwerk persönlich bloßgestellt gefühlt. Erst jetzt werden wieder vorsichtige Kontakte mit der HBK gepflegt, wie die Ausstellung „Excellent“, die kürzlich bei der VW-Financial ausgerichtet wurde, dokumentiert. Und auch hier lief nicht alles reibungslos: einer für diese Ausstellung ausgewählten Meisterschülerin soll es untersagt worden sein eine Performance aufzuführen bei der sie unbekleidet hätte auftreten wollen.
„[...]When you make the show, you to a certain extent have to hand yourself over, you put yourself in a position of trust with respect to the organisational framework enabling the exhibition and representing both it and your work within a dense media landscape. There often rules in this situation a culture of exchanged gratitude, forced niceness, a tyranny of niceness. This niceness ist the social glue with which the mosaic of the exhibition within the slowly privatising art school is assembled [...]“. [Pryde: Publikation anläßlich der Ausstellung „Dorothea 2005-2006“]
Pryde hat mit ihrer institutionskritischen Beilage, wobei Institutionskritik ihrer künstlerischen Arbeit inhärent ist – neben der Reflexion ihres Lehrauftrages – vor allem Fragen aufgeworfen. Was bedeute es, wenn die Spitze einer Organisation potentiell die Möglichkeit habe mit ihrem Veto eine Publikation zu verhindern? Wie entwickele sich die institutionalisierte Kultur, wenn sie enge Verbindungen zur Wirtschaft unterhielte? Was geschähe, wenn Künstler/innen in Institutionen ausstellen, welche Art Öffentlichkeit werde geschaffen, und wer seien die Nutznießer?
Zumindest insofern schlägt die Kritik der Künstlerin ein: es scheint als hätte sie das Drehbuch für die Reaktion der Hochschule bereits impliziert, die trotz aller ‚niceness‘ der Künstlerin die Zähne zeigt.
Sewcz‘ Fotografien oszillieren zwischen fotografischen Kartierungen urbaner Strukturen und den Emotionen eines poetisierten Alltags.
Die Ausstellung ist noch bis zum 11. Februar zu besichtigen.