Die Authentizität eines „Klassikers“: Tschaikowskij und Bartók - Sinfoniekonzert des Staatsorchesters
- Details
- Veröffentlicht: Montag, 22. Februar 2010 10:42
- Geschrieben von Sebastian Barnstorf
Ein umjubeltes 6. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Braunschweig wurde am 21.02.2010 im nahezu ausverkauften Großen Saal der Stadthalle gegeben: Die Rückkehr des ehemaligen Generalmusikdirektors Stefan Soltesz, der das Staatstheater von 1988 bis 1993 nachhaltig geformt und ihnen damit die Einstufung als A-Orchester ermöglicht hatte, geriet zum Triumph. (Ein weitere Vorstellung am heutigen Montag, 22.02.2010 um 20 Uhr im Großen Saal der Stadthalle.)
Die Solopartie übernahm der Ende 2009 für sein 25jähriges Dienstjubiläum geehrte, und 1984 als jüngster Konzertmeister Deutschlands ins Staatsorchester eingestellte Johannes Denhoff.
Auf dem Programm: Das Violinkonzert D-Dur von Pjotr Iljitsch Tschaikowskij, entstanden 1878 am Genfer See und seitdem eines der populärsten Stücke seiner Art, sowie das Konzert für Orchester des Ungarn Béla Bartók, komponiert 1943 in us-amerikanischer Emigration.
„Immer mehr wird mir bewusst, wie aufrichtig diese Musik ist. Dass in jeder Note Wahrhaftigkeit steckt. Dass diese Musik von Herzen kommt und zu Herzen geht. Dass sie absolut authentisch ist“, so charakterisiert Denhoff Tschaikowskijs Violinkonzert, dass zu oft – wie vieles andere vom russischen Romantiker – als Gebrauchsmusik mit viel zu viel Kitsch dargeboten werde.
Die Authenzität dieses „Klassikers“ setzte Johannes Denhoff im Zusammenspiel mit dem Staatsorchester eindrucksvoll um: In breiten, langsamen Tempi wurde der „Hit“ gleichsam in seine einzelnen Bestandteile zerlegt und analysiert, fast schon seziert. Da war kein Platz für viel Kitsch, so doch für viel sehnsüchtige und melancholische Spannungsbögen, die Denhoff insbesondere im zweiten Thema des Hauptsatzes und der Canzonetta des zweiten Satzes mitreißend auskostete. Und auch die schwere Kadenz, die schon von ihrem Charakter her immer der spätromantischen Gefahr des Zerfalls ausgesetzt scheint, gestaltet er bis auf wenige Wackler klar und sanft ersterbend in den höchsten Spitzentönen. Aufrichtige, authentische Musik, die zu Herzen geht. Das mit dem Ende des zweiten Satzes abrupt beginnende temperamentvolle dritte Satz geriet dann mit plötzlicher Temposteigerung zu einem packenden Finale. Als Zugabe brachte Denhoff den begeisterten Zuschauern eine D-Dur Partita von Johann Sebastian Bach.
Der gebürtige Ungar Soltesz am Pult des Staatsorchesters hat nichts von seiner ungeheuren Bühnenpräsenz eingebüßt: Wenn er auch die temperamentvollen Luftsprünge nicht mehr ausführt, so verfügt er als Dirigent über eine Ausstrahlung bzw. Autorität, mit der ihm das Staatsorchester auch nach 16 Jahren fast bedingungslos zu folgen schien: Dies offenbarte sich im grandiosen Konzert für Orchester des Ungarn Bartók, - ein Juwel fast klassisch anmutender Spätromantik mit eingestreuten ungarischen Volksweisen – geschrieben unter dem Eindruck des zweiten Weltkriegs und der Emigration in die USA. Mit ungeheurer Präzision und explosiv ausbrechender Dynamik federte und führte Soltesz durch das Werk. Die klagenden Celli mit dem abwechselnden Flirren der Violinen in der Introduzione des ersten Satzes, der Choral in den Blechbläsern des zweiten Satzes und die immer wieder durchbrechenden rhythmischen Ausbrüche in der Elegie, die nie zur Resignation führen, sondern, im Gegenteil: im Finale mit den für Bartok typischen folkloristischen Zitaten zur „Lebensbejahung des Schluss-Satzes (Bartók)“ ansetzen.
Soltesz' eindringliche, dabei aber immer spielerische Interpretation mit dem Staatsorchester wird noch lange in Erinnerung bleiben.