Sagt mir, wo die Bienen sind! (Teil 1)
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- Veröffentlicht: Dienstag, 17. Juni 2008 02:00
- Geschrieben von Holger Pump-Uhlmann
Insektizider Saatgutschutz und die katastrophalen Folgen für die Natur
Kürzlich tickerte die dpa-Meldung über den Äther, der zufolge Pflanzenschutzmittel nach überzeugung von Wissenschaftlern schuld am dramatischen Massensterben der Bienen in Baden-Württemberg seien (dpa, 16. Mai 2008). Was zunächst wie eine eher untergeordnete Nachricht aussah, erweist sich bei näherer Betrachtung als Umweltkatastrophe und -skandal von nicht abzuschätzendem Ausmaß.
Das Pflanzenschutzmittel Chlothianidin des Bayer-Insektizids PONCHO sei eindeutig als Verursacher des zunächst so rätselhaften Bienensterbens identifiziert, meldete das Julius-Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig, das im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums Pflanzenproben und tote Bienen untersuchte. 30 Prozent der Bienen in Deutschland hätten den Winter nicht überlebt. In Südbaden starben in den vergangenen Wochen zusätzlich täglich Tausende, insgesamt Millionen von Bienen.
Ein immer selten werdender Anblick (Quelle: Wikipedia, Foto von Steffen Banhardt)
Die Auswertungen hätten ergeben, dass die Bienen eindeutig mit Chlothianidin vergiftet seien. Bis auf eine Ausnahme sei bei allen 30 Bienenproben "eine Kontaktgiftwirkung nachgewiesen" worden. Chemische Analysen auf Chlothianidin hätten einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Tod der Bienen und dem als Beizmittel für Maissaatgut verwendeten Wirkstoff bestätigt, so das JKI.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) legte sofort die Zulassung für Pflanzenschutzmittel mit Chlothianidin auf Eis, da beim Einsatz von bestimmten Sämaschinen die Bienen dem Gift weit mehr ausgesetzt würden, als im Zulassungsverfahren bekannt gewesen sei. Das BVL habe deshalb "das Ruhen der Zulassung mit sofortiger Vollziehung angeordnet". Die betroffenen Mittel dürfen weder eingeführt, noch in Verkehr gebracht oder gar benutzt werden, heißt es in einer Pressemitteilung des BVL.
Am 5. Oktober 2006 verbreitete die Bayer-Tochter, Bayer CropScience Deutschland noch folgende Meldung:„Für den insektiziden Saatgutschutz in Mais bietet Bayer CropScience Deutschland für die kommende Aussaat erstmals das Produkt Poncho® mit dem neuen Wirkstoff Clothianidin an. …. Poncho® ist in Mais zur Bekämpfung von Fritfliege, Drahtwurm und in Zuckermais zusätzlich gegen Blattläuse zugelassen. Gleichzeitig fördert Poncho® das Wachstum und die Vitalität des Maises, was sich insbesondere bei ungünstigen Wachstumsbedingungen positiv auf die Jugendentwicklung der Pflanzen auswirkt. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat kürzlich die Zulassung für Poncho® erweitert. Neu ist die Anwendung zur Befallsminderung beim Auftreten der Larven des Westlichen Maiswurzelbohrers. Damit trägt Poncho® entscheidend zur Befallsprophylaxe bei. Zugelassen wurde darüber hinaus auch die 2,5-fache Wirkstoff-Aufwandmenge zur Bekämpfung der Larven des Westlichen Maiswurzelbohrers bei starkem Befall. Nach Auftreten des Schädlings in Deutschland wird zusätzlich Poncho® Pro inkrustiertes Saatgut mit der erhöhten Aufwandmenge bereit gestellt. Damit ist der Maisanbau auf die drohende Kalamität durch den Westlichen Maiswurzelbohrer in Deutschland frühzeitig vorbereitet, der mittlerweile in den meisten Nachbarländern vorkommt und dort zum Teil erhebliche Schäden verursacht. Mit der Entwicklung des neuen Wirkstoffs Clothianidin für die insektizide Saatgutausstattung startete Bayer CropScience vor wenigen Wochen mit der Markteinführung mehrerer Innovationen in den Kulturen Raps, Getreide, Rüben, Mais und Gemüse.“
Umweltverbände und -organisationen fragen sich angesichts der seit Jahren schon bekannten schädlichen Wirkungen der Insektizide Gaucho, Poncho und Co., warum es erst zu dem verheerenden Bienensterben kommen musste. Ob die Strafanzeigen gegen unbekannt durch den BUND ausreichen, für genügend Aufklärung zu sorgen, ist fraglich. Vielmehr gilt es nun, das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel genauer unter die Lupe zu nehmen und ebenso die etwaige Forschungsförderung von öffentlichen Institutionen durch private Konzerne.
Generell gilt als Grundforderungen an ein Pflanzenschutzmittel, dass es wirksam und verträglich für Kulturpflanzen sein muss. Bei korrekter Anwendung dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt eintreten. Für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zuständig. Es entscheidet auf Basis von Berichten und Stellungnahmen der Bewertungsbehörden. Diese sind: das Umweltbundesamt (UBA), das Julius-Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (ehemals Biologische Bundesanstalt BBA) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).
Nun ist es zu der kuriosen Situation gekommen, dass das Bundesamt für Verbraucherschutz- und Lebensmittelsicherheit die Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel auf Eis legte, für das es selbst vor nicht einmal zwei Jahren eine Zulassung in erweiterter Form verfügt hatte. Waren die verheerenden Folgen der Zulassung wirklich nicht absehbar?
Grafik: Industrieverband Agrar
Fortsetzung folgt.