Tierhaltung in Massen - Wer trägt die Verantwortung? Teil 2
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- Veröffentlicht: Sonntag, 06. November 2011 10:33
- Geschrieben von Uwe Meier
Der Produzent steht in Verantwortung
Produzent ist der Geflügelkonzern (z. B. der Größte Wesjohann Marke Wiesenhof). Die deutschen Geflügelhalter sehen sich in der Öffentlichkeit immer mehr Anfeindungen ausgesetzt. Nach kritischen TV-Berichten über die Haltung, nach Protesten zum Schlachthof Wietze und Blockaden neuer, genehmigter Mastställe sind zuletzt zwei Anlagen innerhalb der letzten Monate in Brand geraten. Peter Wesjohann meint: "Das ist moderne Hexenverbrennung".
Die Produktion von Masthühnern erfolgt streng arbeitsteilig unter der Federführung des Geflügelkonzerns. Die Produktionsweise ist exakt vorgeschrieben, damit das noch lebende Produkt (Das Tier!) termingerecht angeliefert werden kann und die Marge stimmt. Verluste (Tod der Tiere) sind eingepreist. Der Produktionsbetrieb bekommt die Küken und mästet sie in 30 Tagen zur Schlachtreife. Ein Lohnunternehmen holt die Tiere ab und bringt sie zum Schlachthof.
Selbstverständlich steht der Mäster in Verantwortung für seine Tiere. Bei dem Film hier bekommt man einen Einblick in einen Hühnestall. In ihm wird eine Rasse für besonders große Hähnchenbrüste gemästet. So etwas nennt man üblicherweise"Qualzucht"! Nach dem Tierschutzgesetz ist die in Deutschland verboten (§ 11b). Der Mäster ist auch für diese grausigen Vorgänge in seinem Stall verantwortlich (Film) und natürlich für die Medikamentenanwendung (Siehe Teil 1).
Steht der Verbraucher in Verantwortung?
Verbraucherverantwortung wird häufig gefordert. Das ist grundsätzlich richtig, denn der entscheidet was er kaufen will. Aber wer ist DER Verbraucher? DEN Verbraucher gibt es nämlich nicht. Auch der Handel und die Produzenten ziehen sich gerne auf diese Position zurück. Denn schließlich verkauften sie nur, was der Kunde wünsche und damit begründen sie ihr Verhalten. Stimmt das? Nein, es stimmt nicht. Der Bedarf wird gezielt geweckt. Kein Wochenende ohne Zeitungsbeilage in der für billiges Fleisch geworben wird. Billiges Fleisch ist der Blickfänger, um die Kunden in den Laden zu ziehen. Billiges Fleisch wird produziert, um den Bedarf danach erst zu wecken. Und der Kunde wird auch noch in die Irre geführt, indem die Plastikverpackung mit einem anheimelnden Fachwerkhaus darauf, bäuerliche Landwirtschaft vorgaukelt. Ein positives Gefühl sollen die Kunden beim Kauf haben. Er soll ländliche Idylle als Zusatznutzen kaufen. Das ist zusätzlich Täuschung des Käufers.
Der Marketingexperte Volkmar Lübke, befasst sich in einem derzeit noch unveröffentlichten Aufsatz ("Konsumformen jenseits der individuellen Nutzenmaximierung") mit dem Thema Verbrauchermacht. Er schreibt u.a.:
"Obwohl die Verbrauchermacht also bisher Unternehmen oder Branchen noch nicht in dem erhofften Maße zu sozialer und ökologischer Verantwortung zwingen konnte, sind doch national und international ermutigende Signale erkennbar: In immer mehr Prozessen finden sich Vertreter von NRO – Menschenrechtsgruppen, entwicklungspolitische Verbände, Umweltschützer –, engagierte Mitarbeiter aus dem öffentlichen Sektor, Entscheidungsträger aus Gewerkschaften und von Verbraucherorganisationen zusammen, die erkannt haben, dass die Aufspaltung in unterschiedliche Interessensphären und Strategien nur Nachteile hat. Klassische Organisationsegoismen werden tendenziell überwunden, und es kommt zu langfristigen Kooperationen, die angesichts der komplexen gesellschaftlichen Probleme auch dringend notwendig sind. Beispiele für derartige Netzwerke sind z.B. das deutsche Netzwerk für Unternehmensverantwortung „CorA“ (Corporate Accountability) und sein europäischer Dachverband „European Coalition for Corporate Justice“ (ECCJ). Hauptadressat der Arbeit dieser Verbände ist die Politik, als deren Aufgabe es angesehen wird, Mindeststandards und Regeln festzulegen, um Unternehmen zu einem verantwortlichen Handeln zu bewegen. Zunehmend wird in diesen Netzwerken auch die „Verbrauchermacht“ als ein Teilinstrument im notwendigen Instrumenten-Mix zur gesellschaftlichen Kontrolle von Unternehmensverhalten erkannt und systematisch in die Strategiebildung einbezogen.
Ungenügende Informationsbasis
Ein entscheidendes Hindernis für die Ausübung von Nachfragemacht besteht in der ungenügenden Informationsbasis, die Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Öffentlichkeit allgemein zur Verfügung steht. Das sogenannte „Verbraucherinformationsgesetz“ hat daran nichts geändert, da es auch nach seiner Revision im Jahr 2011 keine Auskunftsrechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber Unternehmen vorsieht.
Unter dem Motto „Politik mit dem Einkaufskorb“ wurden VerbraucherInnen in den 1980er Jahren auch zum Hoffnungsträger für gesellschaftlichen Druck auf Unternehmen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Ein entscheidendes Hindernis für die Ausübung von Nachfragemacht besteht in der ungenügenden Informationsbasis, die Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Öffentlichkeit allgemein zur Verfügung steht. Das sogenannte „Verbraucherinformationsgesetz“ hat daran nichts geändert, da es auch nach seiner Revision im Jahr 2011 keine Auskunftsrechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber Unternehmen vorsieht."