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"Reduktion von Leistungen bei stetig steigender Gebühr"

Am Donnerstag, den 24. April stellten Prof. Dr. Ernst Mönnich (Univeristät Bremen) und der Verwaltungsrechtsexperte RA Benno Reinhardt ihr in Zusammenarbeit mit dem Finanzexperten Dr. Wolfgang Swillims erarbeitetes Gutachten zur finanzwirtschaftlichen Analyse und Bewertung der Privatisierung der Abwasserentsorgung in Braunschweig vor. Das Gutachten wurde im Auftrage der Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) erstellt.

Schulden und Erlöse etwa gleich hoch - finanzwirtschaftlich fragwürdig
Im Konferenzsaal der Stadthalle stellte Prof. Dr. Mönnich in einem ausführlichen Vortrag über seine finanzwirtschaftliche Bewertung der hiesigen Abwasserprivatisierung fest: Das Braunschweiger Privatisierungsmodell ist ein Null-Summen-Spiel zu Lasten des Gebührenzahlers. Treibendes Motiv aller Gestaltungsmerkmale des Privatisierungsmodells der Braunschweiger Stadtentwässerung sei die Gewinnung von Liquidität für den allgemeinen Haushalt. Gleichzeitig entstünden beim Abwasserverband und der Stadtentwässerung Braunschweig (StEB) allerdings neue Schulden, für die die Stadt im Wege von Forfaitierungskrediten bürge. Der Umfang dieser Schulden entspräche aktuell nahezu den Privatisierungserlösen. Der künftige Schuldenstand und die Schuldenentwicklung bis zum Ablauf des Vertragszeitraums sei nicht transparent. Ihre Höhe werde vor allem von Investitionen der Stadtentwässerung Braunschweig ind das Kanalnetz bestimmt. Die Kapitalkosten dieser Schulden würden aus dem Gebührenhaushalt getragen.
Auf diese Weise würden die Braunschweiger Bürgerinnen und Bürger zum Finanzier des Braunschweiger Abwassersystems. Das in Braunschweig gewählte Privatisierungsmodell werfe eine Vielzahl von finanzwirtschaftlichen, kostenrechnerischen und gebührenrechtlichen Fragestellungen auf.

Hieraus ergäben sich für Stadt gebührenrechtliche Risiken. Entgegen den Behauptungen der Stadt hätte in den letzten Jahrzehnten tatsächlich auch im Braunschweiger Stadtgebiet eine Beitragsfinanzierung von Kanalbauten im zweistelligen Millionenbereich stattgefunden, wie die städtische Haushalte seit Anfang der 60er Jahre bewiesen. Vor 1974 sei das Vermögen der Stadtentwässerung weitgehend über Zins und Tilgung in den Gebühren der Bürger zweckgebunden finanziert worden. Es sei nicht erkennbar, dass in Braunschweig der allgemeine Haushalt im kostenrechnerisch relevanten Zeitraum jemals durch Steuerfinanzierung von Investitionen, übernahme von Kapitaldienstlasten oder Verzicht auf die Ausschüttung von Eigenkapitalzinsen zum Aufbau einer verzinsungfähigen Eigenkapitalbasis in der Sonderrechung Stadtentwässerung beigetragen habe. Nach 1974 bis zur Privatisierung wären Reinvestitionen und der Netzausbau fast vollständig aus den Abschreibungen als Teil der Gebühren und aus den zweckgebundenen Zuschüssen des Landes finanziert worden. Es sei ebenso nicht erkennbar, dass in Braunschweig der allgemeine Haushalt im kostenrechnerisch relevanten Zeitraum jemals durch Steuerfinanzierung von Investitionen, übernahme von Kapitaldiestlasten oder durch den Verzicht auf die Ausschüttung von Eigenkapitalzinsen zum Aufbau einer verzinsungsfähigen Eigenkapitalbasis in der Sonderrechnung beigetragen habe. Der aktuelle Ansatz von kalkulatorischen Eigenkapitalzinsen in Höhe von 8,5 Mio. Euro pro Jahr (4,3 % von 194 Mio. Euro) als Belastung des Gebührenzahlers sei daher hochgradig zweifelhaft und dringend prüfungsbedürftig. Soweit aus Abschreibungen neues Vermögen gebildet würde, dürfe dieses nicht verzinst werden.

Auswirkungen der Privatisierung für den allgemeinen Haushalt und die Gebührenrechnung gravierend
Die kalkulatorischen Abschreibungen seien in Braunschweig seit 1993 auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten ermittelt worden. Die weitere Fortschreibung der Abschreibungsbasis wäre 1998 mit Einrichtung einer "Sonderrechnung" auf dieser Grundlage (Wiederbeschaffungszeitwert) eingefroren worden. Die Anwendung des Wiederbeschaffungszeitwerts in der Kostenrechnung diene dem reproduktiven Substanzerhalt und soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Eigenkapitalbasis öffentlicher Einrichtungen stärken. Die vollständige Entnahme von Eigenkapital aus der Stadtentwässerung durch das Braunschweiger Privatisierungsmodell kollidiere mit dieser gesetzlichen Zielsetzung. Die Berechnung von Abschreibungen vom Wiederbeschaffungszeitwert verliere damit ihre finanzwirtschaftliche und abgabenrechtliche Basis.

Die Entnahme von Privatisierungserträgen in Höhe von 115. Mio. Euro zugunsten des allgemeinen Haushalts der Stadt sei aufgrund der gewählten Modellstruktur in hohem Maße problematisch. Die Entgelte des Abwasserverbandes für das 30jährige Nutzungsrecht an den Kanälen stelle einen betrieblichen Ertrag der Sonderrechnung dar und stehe somit dem allgemeinen Haushalt nicht zu.

Mögliche Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf des städtischen Betriebes "Stadtentwässerung Braunschweig" oder aus dem Verkauf des Nutzungrechtes an den Kanälen hätten nicht näher geprüft werden können, weil die Stadt Braunschweig die für diese Prüfung notwendigen Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt hätten. Dieses Faktum sei deshalb bemerkenswert, weil es absolut unüblich sei.

Finanzwirtschaftliche und abgabenrechtliche Kritik am Braunschweiger Privatisierungsmodell ergäbe sich insbesondere aus der Verletzung des Äquivalenzprinzips. Durch die Privatisierung erfolge im Verhältnis zwischen Stadt und Bürger eine Reduktion der Leistungen bei stetig steigender Gebühr. Investitionen in die Sanierung und die Erneuerung der vorhandenen Infrastruktur würden nicht mehr aus den erwirtschafteten Abschreibungen des Gebührenhaushaltes finanziert, sondern würden wie bei Erweiterungsinvestitionen künftig zusätzliche Lasten für den Gebührenzahler über neu aufzunehmende Kredite begründen.

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