G 20: Ziviler Ungehorsam im Zeichen von Mutlangen
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- Veröffentlicht: Sonntag, 30. Juli 2017 09:00
- Geschrieben von Uwe Meier
Eskalationsstufen des zivilen Ungehorsams von Wolfgang Proske
Wenn friedliches Sitzen Gewalt sein soll, was ist dann die Stationierung von Atomraketen?
Die Aufregung um die gewalttätigen Demonstrationen gegen den Hamburger Gipfel (G 20) erinnert an eine ähnliche Diskussion als es in den 1980er Jahren darum ging, den zivilen Ungehorsam (Sitzblockade) gegen die Beteiligung der Bundesrepublik an der atomaren Hochrüstung zu diskreditieren.
Worum ging es damals? Im Zuge einer immer weiter eskalierenden Hochrüstung (NATO-Doppelbeschluss) waren die US-Amerikaner dabei auf ihrem Stützpunkt Mutlangen bei Schwäbisch-Gmünd die Pershing II aufzustellen. Um dem entgegenzutreten hatten die Kritiker jahrelang alles getan, um die Militärpolitiker zum Umdenken zu bewegen und die Massenmedien zu einer klaren Stellungnahme zu bewegen. Es gab öffentliche Diskussionen, Unterschiftensammlungen mit Protesten gegen die Raketenstationierung. - Alles vergeblich!
In dieser Situation kamen im Nov. 1982 Richter im Ostseebad Heiligensee zum 11. Richterratschlag zusammen. Es versammelten sich etwa 250 progressive Richter aus ganz Deutschland. Es kam die Überlegung auf, sich gleichfalls wie viele BügerInnen zuvor, zu einer Sitzdemontration zusammenzuschließen. 19 RichterInnen fanden sich bereit, die Aktion durchzuführen. Dr. Helmut Kramer aus Wolfenbüttel, damals Richter am Oberlandesgericht Braunschweig, hatte zunächst gezögert, sich dann jedoch den 19 RichterInnen angeschlossen. "Wenn ich mich da rausgehalten hätte, so sagte er als Begründung, hätte ich in den vielen Jahren meiner Beschäftigung mit den NS-Verbrechen und dem damaligen Duckmäusertum nichts gelernt." Berichte dazu.
Es ging damals also um Sitzblockaden (Presse) durch Richter und Staatsanwälte, und damit um zivilen Ungehorsam (Presse II). Selbstverständlich kamen die RichterInnen vor Gericht und zwar wegen "Nötigung". i(Lesen Sie :"Richter vor Gericht"). Der juristische Konflik wurde bis zum Bundesverfassungsgericht ausgetragen. Ergebnis: Sitzblockaden können rechtmäßig sein - Freispruch für alle Sitzblockierer. Der wird durch den Beitrag von Peter Grottian nun wieder als Alternative zu den gewalttätigen Protesten in Hamburg in Spiel gebracht. Zumal, ziviler Ungehorsam gezielter angewendet werden kann. Grottian nannte einige Beispiele.
Aus kürzerem Rückblick ist zu nennen:
1. Bei VW enge Zusammenarbeit mit der Militär-Junta in Brasilien und Argentinien mit zahlreichen Todesfolgen bei VW-Mitarbeitern. Derzeit wird diese VW-Geschichte in Brasilien bearbeitet
2. Unvergessen ist der Hartz-Volkerts - Bordellskandal.
3. Mitten drin im Sumpf ist VW noch im Betrug um die Abgase bei Dieselfahrzeugen, und schon kommt der nächste Skandal aus dem Sumpf gekrochen - Absprachen in der Autoindustrie.
4. Es scheint, dass die anderen Autofirmen im Schatten des Betrugs von VW mit segelten. Wenn man nun die Todesziffern betrachtet, die Focus bekannt gegeben hat und die vom "Organisation Environmental Health Analytics (LLC)" in Washington, dann soll es nach einer Hochrechnung rund 38.000 vorzeitig gestorbenen Menschen geben wegen nicht eingehaltener Abgasgrenzwerte bei Dieselfahrzeugen allein im Jahr 2015.. 11.400 dieser Todesfälle entfallen auf die EU, wie ein wissenschaftliches Team um Susan Anenberg in Washington berichtet.
Da fragt man sich doch analog zu den Stationierungen der o.g. Atomraketen:
Wenn friedliches Sitzen Gewalt sein soll, was ist dann der vorzeitige Tod von 38.000 Menschen durch Dieselfahrzeuge allein 2015?
Vielleicht ist es bei VW mal nötig Sitzblockaden vor dem Vorstandsgebäude durchzuführen.