Der Gutachtenskandal in Braunschweig

Nun ist es endlich raus. Die Teilprivatisierung der Braunschweiger Stadtwerke stellt sich langfristig als Desaster für die Braunschweiger Bürger dar. Mit Stolz wurde uns über Jahre aus dem Rathaus vom Oberbürgermeister Dr. Hoffmann verkündet, dass die Privatisierung der Stadtwerke hoch profitabel für die Stadt ist. Dafür ließ er sich durch die Lokalpresse und bundesweit von den neoliberalen Medien feiern. Kaum jemand hinterfragte kritisch. Schon gar nicht die SPD. Anscheinend waren der Respekt vor dem Finanz-Beratungsunternehmen KPMG und die Furcht um die Bloßstellung eigener Inkompetenz zu groß. Außerdem winkten bezahlte Posten.

Gerne glaubten viele Menschen den Verlautbarungen aus dem Rathaus, denen der CDU und der damaligen FDP. War man sich nicht sogar in Deutschland, in Europa, ja in der ganzen Welt einig, dass die Privatisierung öffentlichen Eigentums, die Heilsbringerin ist? Warum dann nicht in Braunschweig?

Nur wenige Bürger in der Stadt glaubten nicht. Die wollten wissen und Fakten sehen. Sie übernahmen die Rolle der etablierten und versagenden Opposition.

Ausgerechnet  das Gutachten, das OB Hoffmann erstellen ließ, um seine Kritiker zu überzeugen, wurde nun zum Zeugnis von Unglaubwürdigkeit und Inkompetenz. Verdacht erregte zunächst, dass OB Hoffmann das Gutachten ausgerechnet von KPMG erstellen ließ, dem Unternehmen, das die Privatisierung der Stadtwerke plante und leitete, also alles andere war als eine unvoreingenommene Gutachterin. Wenn der OB auf Glaubwürdigkeit wert gelegt hätte, hätte er eine unabhängige Institution auswählen müssen. Aber darum ging es ja nicht. Es ging vielmehr darum recht zu haben, sich in der Öffentlichkeit positiv als erfolgreicher Finanzsanierer zu verkaufen und endlich Ruhe in die Kritikerfront zu bekommen. Das alles geht nun nach hinten los.

Unmittelbar nach der Veröffentlichung nahm sich der Braunschweiger Bürger Matthias Witte das KPMG-Gutachten vor. Rasch erkannte er die Doppelverbuchung der Privatisierungserlöse. Das Fraktionsbüro der Grünen war die erste Anlaufstelle im Rathaus. Man konnte die Ansicht von Matthias Witte nachvollziehen und leitete einen von ihm verfassten Brief, die Fehler im Gutachten aufzeigend, zur Stellungnahme an den OB weiter.

Das Problem: Keine Finanzkompetenz vorhanden. In der Braunschweiger Verwaltung ist der Wille, in allem immer Recht zu haben, weit größer als die Kompetenz schon bei kleinen finaziellen Problemen. Dieser von uns früh gehegte Verdacht, bestätigte sich im Laufe der Zeit immer mehr.

Das Schreiben der Grünen an die Verwaltung wurde mit maßloser Arroganz beantwortet (Antwortschreiben der Verwaltung). Es bestätigte sich der Volksmund: Arroganz ist kaschierte Dummheit.

Immerhin gab es zwei Ratsherren, die den Fehler im Gutachten nachvollziehen konnten, nachdem Sie damit konfrontiert wurden: Prof. Dr. Klages von der FDP, der seit der letzten Kommunalwahl nicht mehr im Rat sitzt, und Ratsherr Rosenbaum von der BIBS.  Politiker der SPD, mit denen dieses Problem mehrfach  besprochen wurde, spielte eine eigene Rolle, auf die später noch gesondert eingegangen werden muss.

Doch wie weiter vorgehen, wenn die etablierten Parteien den Sachverhalt nicht verstehen können oder wollen oder kein Interesse an der langfristigen Finanzsituation der Stadt haben? Am besten zweigleisig. Die neu in den Rat gewählten Piraten wurden informiert. Herr Schicke-Uffmann verstand sofort. Ihm mussten die Fehler nicht mal erklärt werden. Er war es dann, der in den Ratsgremien entscheidende Fragen stellte. Aus den Antworten der Verwaltung wurde erkennbar, dass sie trotz aller Arroganz den Bürgern gegenüber im Okertal der Ahnungslosen lebten. Doch sie war bemüht den Fehler zu verstehen, was letztlich nach mehreren Gesprächen auch gelang.

Das zweite Gleis waren die Medien, denn die sollten als "vierte Gewalt" im Staate mit demokratiebildend sein und durch investigativem Journalismus zur Kontrolle willkürlicher Staatsmacht beitragen. Es war enttäuschend. Irgendwann brachen die Gespräche ab. Couragierte Stellungnahmen geben Journalisten anscheinend grundsätzlich kaum noch. Eher lassen sie sich verleugnen. Erklärungen erwarten sie von anderen.

 


Kommentare

0 #2 Lilly 2013-06-06 22:47
Wie Skandal? Die lokalen Medien berichten davon überhaupt nichts! DAS dürfte noch einer sein...


0 #1 Simone 2013-06-05 15:05
passend dazu:
"Braunschweiger doppelt geschröpft - Rathaus half Veolia auch noch beim Steuersparen":
http://braunschweig-online.com/bibs-forum/48-artikel-der-startseite/9096-braunschweiger-doppelt-geschroepft-rathaus-half-veolia-auch-noch-beim-steuersparen.html

"BS-Energy hat sich an der Strom-Börse verzockt":
http://braunschweig-online.com/bibs-forum/48-artikel-der-startseite/9096-braunschweiger-doppelt-geschroepft-rathaus-half-veolia-auch-noch-beim-steuersparen.html#9142