"Vor dem Krieg"?
- Montag, 02. Januar 2012 19:43
- Andreas Matthies
Seit einiger Zeit braut sich etwas um den Iran zusammen. Jedem einigermaßen sachverständigen Menschen dürfte klar sein, dass Krieg in diesem Fall ganz sicher keine vernünftige Option darstellt. Insofern ist es geradezu atemberaubend, wie locker der Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung Herr Maus in seinem Kommentar vom 02.01.2012 in der BZ mit dieser Option umgeht:
1. Keineswegs sagt er nur einen Krieg vorher oder gibt nur die Einschätzung, er sei "nicht mehr auszuschließen".Vielmehr liefert er Argumente für einen solchen Schritt. Beispiel: "So kriegsmüde Obamas Amerika sein mag ... , man darf weder die Bedrohung Israels und halb Europas durch Atomwaffen dulden, noch eine Blockade der Öltransporte ..."
2. Er klagt an: "Iran ist in der Lage Uran anzureichern, es testet Raketen, die einen Atomsprengkopf nach Tel Aviv und vielleicht bald bis nach Paris tragen könnten." Genau das ist dem Iran aber nach dem Atomwaffensperrvertrag keineswegs verboten, weder die Urananreicherung noch die Entwicklung von Raketen. Falls Herr Maus das nicht weiß, kann er es in einem grundlegenden FAZ-Artikel von Dr. Hans Rühle nachlesen (04. März 2006).
3. Irans Spitzenpolitiker drohten "Israel mit der Vernichtung" und arbeiteten "unbeirrbar daran..,es tun zu können", mit diesem Satz suggeriert Maus höchste Gefahr für Israel. Was er nicht anspricht, ist die Tatsache, dass Israel im Gegensatz zum Iran längst über eigene Atomwaffen verfügt. Nach seiner Logik ist Israel selber also allemal in der Lage, Iran zu vernichten oder damit zu drohen.
4. Selbst wenn der Iran in Zukunft über Atomwaffen verfügen sollte, wäre ein Angriff mit solchen Waffen auf Israel selbstmörderisch, wie dann natürlich umgekehrt genauso. Daraus ergibt sich dann die gegenseitige Abschreckung, wie nicht wenige noch aus der Zeit des Ost-West-Konfliktes wissen. So versteht man auch den Satz des US- Sicherheitsberaters Brzezinski, "ein nuklearer Iran wäre nicht gefährlicher als die Atommächte Indien oder Pakistan. Oder etwa Israel." (STERN, 27. April 2006) Er äußert sogar die Ansicht, dass selbst eine Atommacht Iran "nicht viel schlimmer als im Moment" sei.
5. Schließlich schürt Herr Maus Illusionen über die Erfolgsaussichten eines den "Lebensnerv" Irans treffenden Öl-Boykotts: "Kaum vorstellbar, dass die iranischen Bürger stillhielten, falls lebenswichtige Importgüter ausfielen". Wenn die USA darauf vertrauten, würde das ihre Eskalationsbereitschaft nur befeuern; damit könnte dann eine Situation entstehen, die so keiner gewollt hat und die völlig außer Kontrolle gerät.Gerade iranische Oppositionelle werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass der Druck von außen eher bewirkt, dass das iranische Regime es noch einmal schafft, größere Teile des Volkes an sich zu binden.-
Herr Maus wird diesen Kommentar wohl am Neujahrstag verfasst haben. Viele Menschen sind an diesem Tag schwer verkatert, manche noch in der Sektlaune des Vortags. Wenn auf Herrn Maus allerdings keines von beiden zutreffen sollte, müsste man sich ernsthaft Sorgen machen.
0 #1 Klaus Neumann 2012-01-03 10:31
"Der Berg kreißte und gebar eine Maus." Das Problem ist aber nicht die Maus, sondern der Berg, will sagen, die Verlagslinie, die dahinter steht. Welche Interessen stehen dahinter, und wie mächtig sind sie? Mit freundlichen Grüßen, K. Neumann
