1000 Peitschenhiebe, Minister Maas und die „westlichen Werte“
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- Veröffentlicht: Montag, 15. Oktober 2018 14:16
- Geschrieben von Andreas Matthies
Alle, denen die Menschenrechte, der Rechtsstaat und die Demokratie am Herzen liegen, müssen Saudi – Arabien als Reich der Finsternis ansehen. Dazu bedurfte es nicht des Falles des Regimekritikers Kaschoggi, dessen Spur sich bekanntlich im saudischen Konsulat „verloren“ hat. Die Organisation „mena – watch“ (sehr israelfreundlich, aber nicht pauschal saudifeindlich) meldet, dass das Regime seit 2014 fast 600 Menschen hat hinrichten lassen, was bedeutet, dass ihnen mit dem Schwert der Kopf abgeschlagen wurde. Öffentlich. Hinrichtungen von Frauen wegen Ehebruch oder „Hexerei“ seien nicht selten; selbst Jugendliche, die gegen das Königshaus demonstriert haben, werden unter den Vorwürfen des „Terrorismus“ oder der „Störung der öffentlichen Ordnung“ zum Tode verurteilt. Folter ist gesetzlich erlaubt, selbst perverseste Strafen wie das Köpfen und das anschließende Kreuzigen des Torsos werden verhängt (Fall Al-Nimr).
Raif Badawi wurde wegen einer Meinungsäußerung zu 1000 Peitschenhieben und 10 Jahren Haft verurteilt. Und schon im ersten Vierteljahr 2018 sind weitere 48 Menschen hingerichtet worden. Die Herrschaft des neuen starken Mannes Prinz Salman gibt sich zwar nach außen reformerisch, er hat seine Diktatur aber dessen ungeachtet nicht abgemildert, sondern verschärft. Das Beispiel von einem Dutzend Frauen, die sich gegen das Autofahrverbot für Frauen öffentlich eingesetzt haben, aber kurz vor dessen Aufhebung inhaftiert wurden, zeigt das sehr deutlich.
Minister Gabriel kritisierte das Regime, Minister Maas entschuldigt sich dafür
Vor einem halben Jahr hat der damalige Außenminister Gabriel öffentlich u. a. vor einem abenteuerlichen außenpolitischen Kurs der saudischen Führung gewarnt. Daraufhin zog Saudi – Arabien seinen Botschafter aus Berlin ab und ließ deutsche Firmen geschäftliche Nachteile spüren. Minister Maas stand nun also vor der Frage, wie er mit einem Staat umgehen will, der zum einen blutigen Krieg gegen den Jemen führt und sich auch sonst als außenpolitischer Störenfried betätigt und der zum andern massiv Menschenrechte wie rechtsstaatliche und demokratische Elemente unterdrückt. Maas trägt ja immerhin zu allen möglichen Gelegenheiten vor, dass er „die westlichen Werte“ zur Leitlinie seiner Politik gemacht habe. Seine Praxis steht dem allerdings diametral entgegen. Nicht Fortsetzung und Vertiefung der Kritik war sein Bestreben, sondern Buhlen um die Gunst des saudischen Regimes.
Saudis feiern „diplomatischen Sieg über Deutschland“
Vor knapp drei Wochen sprach Maas nun in New York öffentlich von „Missverständnissen in unseren Beziehungen“, die „wir aufrichtig bedauern“ (Spiegel Online, 26. September). Die saudischen Medien werteten das zu Recht als Entschuldigung, am vergangenen Montag kehrte der Botschafter nach Berlin zurück. Ein saudischer Analytiker sprach davon, dass Deutschland eine engere Beziehung zu Riad als je zuvor anstrebe. Es sieht ganz danach aus, dass er Recht hat. So dauerte es fast eine Woche, bis das Auswärtige Amt zum Fall Kaschoggi auch nur kurz Stellung nahm. Auch im Konflikt zwischen Kanada und Saudi-Arabien um eine Menschenrechtsfrage verhielt sich Maas zur Enttäuschung seiner kanadischen Amtskollegin abwartend. Und Deutschland liefert den Saudis nach wie vor Waffen, und Maas ist offenbar bereit, die dem entgegenstehende Koalitionsvereinbarung (zusammen mit seinen CDU-Kollegen) zu brechen. Weder die notleidende Bevölkerung des Jemen noch die unterdrückten Menschen in Saudi-Arabien spielen für ihn eine wichtige Rolle.
Es ist schwer vorstellbar, dass die Mehrheit der SPD-Mitglieder das richtig finden könnte.
Dann sollten sie das aber auch laut und deutlich sagen.