Ein „Selfie“ mit Jussi Adler-Olsen im C1 Cinema
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 23. März 2017 14:12
- Geschrieben von Klaus Knodt
Foto: Schwungvoll und tiefenentspannt präsentierte Jussi Adler-Olsen mit Moderatorin Margarete von Schwarzkopf und Vorleser Stefan Wilkening sein neues Buch „SELFIES“ auf Einladung der Buchhandlung Graff im Braunschweiger C1. Foto: Marcus von Bucholz
Blonde Mädchen lispeln niedlich. Hot-Dog-Würstchen strahlen in leuchtendem Rosa. Und über sanften, weißen Dünen flattern rot-weiße Wimpel. So empfängt unser nördlichstes Nachbarland seine Freunde. Fürwahr ein Idyll, bis Thriller-Ikone Jussi Adler-Olsen seine Mannschaft um Mordermittler Carl Mørck zur Recherche treibt. Dann wird unter’m Dannebrog perfide gemeuchelt.
Zum siebten Mal schickt Adler-Olsen seine skurrile Protagonisten-Truppe vom Sonderdezernat Q in seine 5,6-Millionen-Einwohner-Heimat aus, um nach den Schizophrenen, psychisch Deformierten, sozial Unangepassten und dämonisch Grausamen zu fahnden. „Selfies“ lautet der Titel des neuesten Bandes, den der neue Meister des Hitchcock’schen Suspense auf Einladung von Buchhandlug Graff im C1 Cinema vor restlos ausverkauften Saal vorstellte. Der Plot wird nicht verraten. Nur soviel erzählt Adler-Olsen: „Selfies sind nicht nur Schnappschüsse von sich selbst. Sondern für mich auch eine Bezeichnung für Menschen, die sich nur für die Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse interessieren.“ Etwa die 34-Jährige, die „als Kind zu gut behandelt wurde“ und derart behütet nur noch „fordert, fordert und Geld haben will“. Unfähig, die eigene Erbärmlichkeit zu reflektieren, reift in ihr und zwei Gesinnungsgenossinnen die Frage: „Wenn wir von unserer Sozialarbeiterin kein Geld bekommen, warum killen wir sie dann nicht?“ Blöd nur, dass das ausgewählte Opfer ebenfalls einen Rachefeldzug gegen die SchmarotzerInnen des Sozialsystems plant und sich ausmalt: „Was würden die Yogafreundinnen wohl staunen!“
Autogrammstunde nach der Lesung: Die Fans freuten sich über den persönlichen Kontakt mit ihrem Lieblingsautors. Foto: Marcus von Bucholz
Wo es Jussi Adler-Olsen an Kenntnissen der deutschen Sprache mangelte, rezitierte Schauspieler Stefan Wilkening stimmgewaltig die Passagen aus dessen neuen Roman. Zur Freude der Zuschauer las der Autor auch selbst eine Kostprobe seines Werks in seiner Muttersprache vor. So schenkelklopfend amüsant kann das Morden werden, wenn es in lupenreinen Dänisch geschieht. Margarete von Schwarzkopf moderierte und übersetzte den Abend unterhaltsam und eloquent.
Adler-Olsens Aufstand gegen die dänische Gemütlichkeit (tatsächlich wurden im ganzen Jahr 2015 in seinem Heimatland nur 45 Menschen Opfer eines Tötungsdelikts, zwei weniger als allein in Hamburg!) hat Ursachen in der Kindheit. „Ich bin großer Kinofan. Mein Vater war Psychiater und ich bin praktisch in der Klinik aufgewachsen. Da gab es täglich alle möglichen Streifen. Englische Ladykillers, aber auch den Förster im Silberwald und die Sissy-Filme.“ Sowas kann einen Jugendlichen natürlich nur deformieren – oder inspirieren.
Nach Studien der Medizin, Soziologie, Politischen Geschichte und Filmwissenschaft, Berufen als Verlagsgeschäftsführer, Komponist, Vorstandsmitglied in Unternehmen der erneuerbaren Energien sowie Koordinator der dänischen Friedensbewegung blieb Adler-Olsen ersteres Schicksal erspart. Mit Ende 40 begann er, die vielfältigen Eindrücke seines Lebens literarisch zu verarbeiten. Nicht düster wie James Ellroy, aber ebenso rasant auf verschiedenen Zeit- und Erzählebenen spielend. Mit allgewaltiger Zitatenmacht (so lehnt er den Prolog in „Selfies“ an Charles Dickens’ Roman „Little Dorrit“ an) und der Hartnäckigkeit des recherchierenden Reporters, der er übrigens nie war. „Mir ist mal der szenische Fehler passiert, dass in Asien jemand einfach sein Satellitenfernsehen einschaltete. Ich bekam sofort die Email, dass man vorher erst die Blätter und Bananenschalen aus der Schüssel räumen muss. Das habe ich mir gemerkt.“
Im 7. Serienband „Selfies“ entblättert Jussi Adler-Olsen keine Satellitenschüsseln, sondern die Geheimnisse von Mørck’s Mitarbeiterin Rose. Im 8. Band, so versprach er im C1, werde er sich dessen Adlatus Assad vornehmen. Danach ist der Held selbst dran. Im 10. Band gibt’s das „große Feuerwerk“. Seine Fans können sich schon jetzt freuen.
Bei der Signierstunde am Graff-Stand im C1 machten die Käufer des 7. Mørck-Bandes natürlich alle fleissig – Selfies.