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Einer der großen Vordenker: Hans-Peter Dürr in Braunschweig

Am Montag den 08.April 2013 kommt Hans- Peter Dürr nach Braunschweig. Er ist zu Gast beim KOLLEG 88 im Haus der Wissenschaft und wird sich mit dem Braunschweiger Philosophen Claus-Artur Scheier unterhalten. Das Publikum ist eingeladen die Diskussion mit zu gestalten.

Hans-Peter Dürr auf einem seiner vielen Vorträge über die alte politisch wissenschaftliche Denkweise, die uns in die Sackgasse geführt hat.

Es lohnt sich beim Lebenslauf des Physikers Prof. Dürr etwas zu verweilen, denn er gehört zu den Wissenschaftlern, die das Ganze im Blick haben. Sein Doktorvater war der ungarisch-amerikanischer Physiker Edward Teller an der Universität Berkeley, der Vater der US-Wasserstoffbombe (Interview). Mit Teller verband ihn wissenschaftliches Interesse und schon eine frühe politische Gegnerschaft. Beide respektierten sich gegenseitig. Ein schwieriges Verhältnis zwischen Doktorvater und Doktorand.

In dieser Zeit in Kalifornien empfing er Franz Josef Strauß, der ihn bewegen wollte nach Deutschland zurückzukehren, denn der brauchte ihn für sein geplantes Atomministerium und die Atombombe in deutschen Händen. Adenauer kündigte auf der Pressekonferenz am 5. April 1957 die atomare Bewaffnung der Bundeswehr an, und das mit den Worten: "Die taktischen atomaren Waffen sind im Grunde genommen nichts anderes, als eine Weiterentwicklung der Artillerie, und es ist ganz selbstverständlich, dass bei einer so starken Fortentwicklung der Waffentechnik wir nicht darauf verzichten können,. ..."

Es gehört zu den Sternstunden der deutschen Wissenschaft, dass 18 international renommierte Atomphysiker, darunter vier Nobelpreisträger, die sog. "Göttinger Erklärung" (Göttinger Achtzehn) veröffentlichten. Sie stiegen herab aus ihren Elfenbeintürmen und agierten geschlossen politisch gegen die atomare Bewaffnung. Es war ein Aufstand des Gewissens gegen die Regierung. Gut zu wissen, so damals Dürr, dass mein zukünftiger Lehrer Werner Heisenberg diese politische Einmischung mitgetragen hat.

Dürr ist ein politischer Denker geblieben. So trat er öffentlich gegen das sog. SDI- Programm von US-Präsident Reagan an, das sein Doktorvater Edward Teller dringend befürwortete und beförderte. Und er nahm an der Friedensbewegung aktiv teil. Von ihm stammt der Satz:

"Kein Physiker, kein Biologe, Ökonom oder Chemiker ist mehr Experte für das Politische als alle übrigen nachdenklichen Staatsbürger."

Mit diesem Satz wollte er auch deutlich machen, dass Wissenschaft nicht wertfrei ist. So schreibt er zur Gentechnik:

"Auch die Gentechniker schauen die Natur unter dem Blickwinkel der Manipulation an, ohne sich über die Folgen im Klaren zu sein: Eine wunderbare Vielfalt,  sagen sie, aber irgendwie komisch angeordnet. Warum sind Pflanzen da, warum Tiere, warum Menschen und so fort. Die Zusammenstellung ist doch ganz ineffizient! Also machen wir das ein bisschen anders und schreiben alles um, weil wir glauben, wir seien gescheiter. Die Natur ist jedoch so gemacht, dass alles mit allem zusammenhängt. Man kann nicht etwas herausnehmen, ohne die Beziehung zum anderen zu stören. Die Gentechnologie will die existierenden Pflanzen ersetzen durch solche, die einen höheren Fruchtstand haben, weniger krankheitsanfällig oder resistent sind gegenüber Herbiziden. Uns ist die Natur, die sich ständig weiterentwickelt, mittlerweile zu langsam.  Aber warum ist die Natur so langsam. Doch nicht, weil sie dumm ist, sondern weil sie bei jeder Änderung, die sie einführt, darauf wartet, inwieweit diese Änderung sich im Gesamtkontext bewährt. Wir Menschen aber nehmen uns nicht die Zeit."" (Aus: Hans-Peter Dürr, 2012. Warum es ums Ganze geht. Neues Denken für eine Welt im Umbruch, S. 73)

Der Physiker Prof. Dürr wird zu Recht als einer der bedeutendsten Vordenker unserer Zeit bezeichnet. Hat er über die Quantentheorie doch ein Weltbild geschaffen in dem er uns zeigt, dass die großen Probleme unserer Zeit - ob Kriege, Klimawandel oder Wirtschaftskrise - die fatalen Folgen eines überkommenen Weltbildes sind. Eines Weltbildes, von dem wir nur schwer Abschied nehmen können, denn es hat uns unseren bequemen Wohlstand beschert, das jedoch nicht länger aufrecht erhalten werden kann. Und das sei keine ökonomische Frage oder gar eine Systemfrage, sondern eine naturgesetzliche.

Hans- Peter Dürr erklärt das neue Weltbild

Das überkommene Weltbild ist falsch, weil es nicht das Ganze sieht, sondern nur Ausschnitte, Fragmente. Und das Zusammenfügen der Fragmente ergibt eben nicht das Ganze. Dürr plädiert für eine Aufhebung der Grenzen zwischen Natur- und Geisteswissenschaft! Denn um das neue Weltbild zu erkennen und zu begreifen, bedarf es einer Zusammenführung der wissenschaftlichen Disziplinen, auch zwischen den Naturwissenschaften und den Religionen. Alles hängt mit allem zusammen. Erst dann können wir das Ganze erkennen und begreifen.

Eine Begegnung mit Herrn Dürr ist immer lohnend, auch wenn man nicht alles versteht. Allein sein tiefer Humanismus hinterlässt bleibende Eindrücke.

Montag, 08.April 2013 19.00 - 22.00 Uhr im Haus der Wissenschaft, Braunschweig






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