Vom klugen Friedrich und dem tumben Otto
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 02. Juli 2009 08:40
- Geschrieben von Inge Gerlach
In Braunschweig grüßt sein (fast echtes) Bild an allen Einfallsstraßen, kein Fetzen Papier verlässt das Rathaus, der nicht vom Logo des erlauchten Jubilars geziert wird, Nur draußen im Lande fragt man noch immer „Who the f… is Otto?“. Das muss doch seinen Grund haben, und Professor Biegel hat ihn auch ausfindig gemacht: Die Staufer sind an allem schuld, lautet seine Verschwörungstheorie. Genauer gesagt, die staufisch gesinnten Geschichtsprofessoren des 19. Jahrhunderts, die gebannt auf Friedrich II., Ottos siegreichen Widersacher starrten, der so trotzig den Päpsten Contra bot und auf dessen Wiederkehr sich ursprünglich die Hoffnungen der einfachen Menschen in den folgenden Jahrhunderten richteten, ehe sie auf Barbarossa gelenkt wurden.
Hätte Otto IV. eine echte Chance gegen Friedrichs Popularität gehabt? Aber ja doch! Da war an seinem Hof Herr Walther von der Vogelweide erschienen, der nicht nur als Minnesänger, sondern auch als politischer Propagandist einen guten Namen hatte. Der hatte ursprünglich für König Philipp, den Staufer, gedichtet und gesungen. Nach dessen Tod fehlte ihm ein Gönner, und er stellte sich in Ottos Dienst. Drei Lieder im „Ottenton“ sind überliefert, mit denen er auf dem Frankfurter Reichstag für den Welfenkönig in die Saiten griff.
Doch dann beging Otto einen Fehler: Als Walther, der als jüngerer Sohn einer Tiroler Adelsfamilie an seine Altersversorgung denken musste, ihn um ein “Lehen“ bat, vergaß Otto, dass „milte“ (=Freigiebigkeit) zu den vornehmsten Tugenden eines mittelalterlichen Königs gehört. Hätte Otto einen guten PR-Berater gehabt, so hätte dieser ihm befohlen, dem notleidenden Walther ein kleines Gut zwischen Harz und Heide zu schenken. Hei, wie der dann gesungen hätte zum Lob des guten Königs! Noch heute müssten die Germanistikstudenten diese Lieder auswendig lernen, und niemals wäre Otto in Vergessenheit geraten.
Als aber Otto nein sagte, da wandte sich der frustrierte Sänger von ihm ab und dem jungen Friedrich zu, der, mit allen Wassern mittelalterlicher Staatskunst gewaschen, ihm alsbald ein Lehen schenkte. Emphatisch dankte Walther dem freigiebigen König, und im ganzen Römischen Reiche wusste man bald: Friedrich ist der richtige! Otto aber versank in einem Loch des kollektiven Gedächtnisses, aus dem ihn erst das Braunschweiger Stadtmarketing herauszuholen versucht.