Eine Reise zu den Flandern Fields
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 05. November 2014 17:00
- Geschrieben von Uwe Meier
Es wird von einer Reise berichtet. Über Besuche der Schlachtfelder des 1. Weltkriegs. Dabei stehen die getöteten und die verwundeten Menschen um Ypern (niederländisch: Ieper, französisch: Ypres, westflämisch: Yper) in Belgien, um die Schlachtenorte an der Somme und um Verdun im Mittelpunkt. Im Mittelpunkt Gedanken, die immer wieder aufkommen und nicht verschwinden wollen.
Als ich in meinem Umfeld kundtat, dass ich nach Flandern und Frankreich fahren möchte, um auf den ehemaligen Schlachtfeldern des 1. Weltkriegs zu gedenken, bekam ich hauptsächlich Ablehnendes zu hören. "Gedenktourismus", "lange her", "das tu ich mir nicht an", "nichts damit zu tun", "will keine schlechten Gefühle", "habe andere Probleme", so könnte ich die Ablehnung zusammenfassen.
In Braunschweig haben wir eine breite Diskussion zum Thema 1. Weltkrieg, dessen Beginn sich zum einhundertsten Mal jährt. Diese Diskussion, die bis heute immer wieder verändert anhält, ist offensichtlich notwendig und damit richtig. Und diese Diskussion war es, die mich bewog an die Orte zu fahren an denen Deutsche, Franzosen, Engländer, Belgier, Australier und viele Menschen weiterer Nationen unendlich viel Leid erfahren haben. Ich wollte sehen, wo vor 100 Jahren meine Vorfahren Belgien und Frankreich überfallen hatten, um dann in einem sinnlosen Krieg der Eliten zu sterben - und auch zu überleben.
Die Diskussion zum 1. Weltkrieg begann in Braunschweig bereits 2013, also ein Jahr vor dem Erinnerungsjahr. Die Stadt unter dem damaligen OB Dr. Hoffmann und dem unvermeidlichen Händler Richard Borek meinten, in ihrem seltsamen Geschichtsverständnis die Hochzeit von Prinzessin Victoria Luise von Preußen mit dem Hannoveraner Welfen Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg in Braunschweig feiern zu müssen. Nein, 1913 hat nichts zu tun mit 1914 und dem Kriegsbeginn, wurde den Bürgern unserer Stadt gesagt. Es muss anscheinend immer noch gelogen werden. Es gab Streit mit vielen Bürgern der Stadt und die Bürgerinitiative „Jetzt schlägt`s 13“ wurde gegründet.
Doch damit nicht genug. Der renommierte australische Historiker Christopher Clark bekam den „Irmela und Gerd Biegel-Preis“ verliehen , weil er in seinem Buch „Die Schlafwandler“ beweisen wollte, dass Deutschland den Krieg nicht begonnen hat, sondern die Mächte Europas fast willenlos, wie Schlafwandler in den Krieg schlitterten. Er widersprach damit den Erkenntnissen des Historikers Fritz Fischer, der Deutschland 1962 die Hauptschuld am 1. Weltkrieg zumaß.
Zahlreiche Veranstaltungen in der Ev. Akademie Abt Jerusalem, dem Landesmuseum, im Haus der Wissenschaft folgten ebenso wie Publikationen.
Ypern
Meine Reise begann am 20. Oktober und führte mich über Aachen, Lüttich und Brüssel nach Ypern. Also an den Ort der "Ersten Flandernschlacht" vor 100 Jahren. Die fünf Schlachten brachten hunderttausenden Menschen den Tod (Soldaten waren sie erst in dritter Linie und in zweiter die Söhne und Väter) – auch durch das von Deutschen erstmalig angewendete Giftgas. Der deutsche Begriff "schlachten" ist also mehrfach verwendtbar und berechtigt.
Das Flandern Fields Museum nach dem berühmtesten Kriegsgedicht des kanadischen Arztes McCrae benannt. You Tube
Ypern wurde im 1. Weltkrieg total zerstört - und nach dem Krieg wieder vollständig aufgebaut. Oben zu sehen die ehemals berühmten Tuchhallen. Nach dem Aufbau wurden die Hallen zum größen 1. Weltkieg Museum umgewidmet.
Im Museum dieses Foto von einem Braunschweiger Totenkopf-Husar des berüchtigten Husarenregiments 17. Zu Volkstrauertagen werden sie geehrt - auch 2014 wieder
Ist unsere Stadt Braunschweig in der Vergangenheit eigentlich irgendwann mal nachweislich friedlich aufgetreten? Ging von unserer Stadt jemals ein friedenspolitischer Impuls aus? Ein Frage, die man mal untersuchen könnte.
Bei Ypern stoppten Franzosen, Briten und belgische Soldaten die deutschen Eindringlinge. Die "Erste Flandernschlacht" dauerte einen Monat - sie war aber erst der Beginn eines zermürbenden Grabenkrieges zwischen Deutschen und Alliierten. Deutsche und alliierte Truppen rangen sich in quälenden Stellungskriegen gegenseitig Meter für Meter Gelände ab, ohne dass es von einer Seite zu einem Durchbruch kam. Ganze Landstriche im Raum der belgischen Kanalküste wurden bei den zähen Stellungsgefechten zwischen dem 20. Oktober und dem 18. November 1914 dem Erdboden gleichgemacht.
Das Stadteinfahrtstor in Ypern ist als Gedenkort gestaltet. Durch dieses Tor marschierten die britischen Truppen, um vor den Toren der Stadt zu sterben.
In diesem Tor findet seit 1928 allabendlich um 20:00 Uhr durch belgische Soldaten ein kurzer Zapfenstreich (Foto: Last Post) statt, der die Dankbarkeit der Belgier an die Briten zum Ausdruck bringen soll.
In dieses Tor sind 34.000 Namen der vermissten Briten und Commonwealth-Staaten eingraviert
Im April 1915 kam es zu einem weiteren Zivilisationsbruch, als deutsche Truppen zum ersten Mal Chlorgas einsetzten. Der Chlorgaseinsatz geschah auf besondere Empfehlung des deutschen Nobelpreisträgers für Chemie Prof. Fritz Haber. Seine Ehefrau beging daraufhin Selbstmord.
Der Mythos von Langemarck
Ehrenmal in rotem deutschen Sandstein
Die erste große Flandernschlacht wurde vor allem durch die Behauptung bekannt, dass weite Teile der deutschen Korps aus jungen Freiwilligen bestand: Schüler, Studenten, Lehrlinge. Der Mythos vom "Opfergang der deutschen Jugend" war aber von der deutschen Führung erfunden worden, um ihr eigenes Versagen zu überdecken, wie die miserable Ausbildung, mangelhafte Ausrüstung und schlechte Führung.
Eingraviert in Eiche - die Namen der toten deutschen Menschen, die auf Langemarck liegen.
Nein, es gibt keine Helden - nur Tote, die meistens qualvoll in Angst krepierten. Nicht für`s Vaterland starben sie, sondern für die sog. Eliten. Zurück blieben Waisen und Witwen und oft auch Blechorden. Und immer Millionen Krüppel, auch seelische. Dass sich die Menschen der Nationen nicht bekämpfen wollten, sah man zu Weihnachten 1914. Briten und Deutsche feierten zwischen den Schützengräben zusammen. Umfassende Darstellung im Museum.
Auf den Denkmälern und Friedhöfen wird immer der Opfer gedacht. Opfer von wem? Warum liegen die Menschen dort in belgischer Erde? Weil sie ein Land überfallen haben, sie sind also auch immer Täter. Wer waren die Verbrecher, die Menschen zu Tätern gemacht haben? Die Eliten (auch Historiker) sorgen für das Verwischen der Spuren.
In Langemarck befindet sich einer der vier deutschen Soldatenfriedhöfe in Belgien. Dort liegen die Gebeine von über 44.000 Soldaten. Die nationalistische Instrumentalisierung der Schlacht fand auch nach dem Ersten Weltkrieg seine Fortsetzung: Die militärische Niederlage wurde in einen moralischen Sieg umgedeutet.
Wo die Vergangenheit lebendig ist oder das Grauen von Ypern
TEIL I von II (Somme) und III (Verdun)