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Eine "neue deutsche Afrika Politik"?

Weitere Informationen zur Veranstaltung

Siehe auch: Was tun angesichts der Gewalt in Afrika?

Zur Vorbereitung der Veranstaltung sandte uns unser Gast Wolfgang Heinrich folgenden Beitrag.

Betrachtungen nach der Münchner Sicherheitskonferenz  2014

Zur Sache selbst: man muss bei der Münchner Sicherheitskonferenz unterscheiden, was gesagt wurde, und die veröffentlichte Meinung darüber. Wenn man die Reden von Gauck, Steinmeier und von der Leyen sorgfältig liest, stellt man fest, dass Gauck bei den Instrumenten eines "verstärkten Engagements" das Militär an vierter (!) Stelle nennt. Zuerst nennt er die Diplomatie, dann die Entwicklungszusammenarbeit, dann die "Stärkung multilateraler Organisationen" (Beispiel Vereinte Nationen) und dann erst das Militär. Er fordert sogar, dass sich Deutschland besonders da engagieren solle, wo es besondere Fähigkeiten vorweisen könne, und nennt hier die Prävention von Konflikten! NUR die Prävention! Ähnlich argumentiert Steinmeier. Auch bei ihm kommt das Militärische als "äußerstes Mittel" vor. Und Afrika, insbesondere Mali, erwähnt er in dem Zusammenhang überhaupt nicht. Mali kommt nur ein einziges Mal im Schlusssatz vor als "Herausforderung für die deutsche Außenpolitik".

Von der Leyen ist etwas anders aufgestellt, was man mit Blick auf Funktion und Gelegenheit nachvollziehen kann. Aber auch bei ihr heißt es, dass man ein militärisches Eingreifen nicht grundsätzlich ablehnen kann. Das erscheint mir nicht unbedingt verwerflich.

Etwas völlig anderes ist die veröffentlichte Meinung. Alle - von der FAZ bis taz - haben sich auf die von wem auch immer zuerst verbreitete Meldung gestürzt, Gauck, Steinmeier und von der Leyen  hätten ein verstärktes militärisches Engagement in Afrika gefordert. Wie gesagt, ich halte das für eine sachlich nicht nachvollziehbare Verkürzung.

Nun stellen sich drei Fragen: a) Warum interpretieren die Meinungsmacher in den Medien das so?

b) Warum kommt aus dem politischen Raum keine Richtigstellung? Und wichtigste Frage: warum JETZT?

zu a) Ich habe den Eindruck, dass wir in den Leitmedien eine inzwischen durch und durch militarisierte großdeutsche Grundhaltung haben. Selbst Blätter wie die taz machen da mit, denn auch mit der Kritik am Militärischen lässt sich Umsatz machen.

zu b): Hier kann man wahrlich spekulieren. Meine Vermutung ist: dahinter stehen keine außenpolitischen Interessen, auch keine wirtschaftlichen Interessen und auch m.E. nicht primär rüstungs- oder militärpolitische Interessen. Das Ganze scheint mir getrieben von bündnispolitischen Interessen. Deutschland braucht dringend einen UN-politisch relevanten Bündnispartner für die post-Afghanistan Debatte. Das müsste einer der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sein. Und da kommt nur Frankreich in Frage. Darum auch meines Erachtens die mehrfache Nennung der zentralafrikanischen Republik und Mali. Das liegt nicht daran, dass unsere Außenpolitiker wüssten,  was da los ist. Ich vermute, die Bundesregierung will zwei Dinge verhindern: 1. dass sie am Ende in Afghanistan mit der militärischen Hauptverantwortung hängen bleibt; und 2. dass Deutschland massiv in eine zu erwartende Syrienintervention hinein gezogen wird (was USA und Großbritannien gerne möchten).

Das führt zur Frage: warum gerade JETZT? Ich vermute, die Bundesregierung will möglichst schnell ein paar Truppen in Unterstützung der französischen Afrikapolitik binden, damit sie im Falle eines fortgesetzten Afghanistaneinsatzes oder gar einer Intervention in Syrien sagen kann: "Tut uns leid, wir würden ja gerne. Wir sind auch nicht grundsätzlich gegen Interventionen. Aber leider sind wir andernorts gebunden." Soweit ich weiß, hat Frankreich - im Unterschied zu USA und Großbritannien - nur geringes Interesse an einer Syrienintervention. Da wäre es praktisch, man hätte sich bündnispolitisch vorher anders gebunden.

Ist in den Reden ein Politikwechsel angekündigt? Insbesondere einer gegenüber Afrika?  Unter dieser Frage habe ich mir die Reden angesehen. Und ich komme zu dem Schluss: nein, ein Politikwechsel findet nicht statt. Es ist die Fortschreibung der unter Schröder/Fischer begonnenen militarisierten Außenpolitik. Es ist auch die Fortsetzung der unter diesen beiden begonnenen Politik der Bündnistreue und der machtpolitischen Interessendurchsetzung. Also: Kontinuität seit der ersten rot/grünen Legislaturperiode.

Der entscheidende Unterschied: heute redet man offen darüber und lässt diese Politik durch den Bundespräsidenten auch noch als "Hinwendung" zur Welt verklären. Bundespräsident Köhler musste seinerzeit noch gehen, weil er in sehr vorsichtigen Worten das ausgesprochen hat, was offen im verteidigungspolitischen Weißbuch von 2006, in den außen- und sicherheitspolitischen Leitpunkten der CDU/CSU von 2004 steht  und was jeder außerhalb Deutschlands längst wahrnahm und wusste. Heute darf man diese Politik als Deutschlands Beitrag zur Erlösung der Welt erklären.

Ebenfalls fortgesetzt wird eine Politik, die sich nicht an der realen Lage vor Ort orientiert und in der es vor allem nicht um die Menschen dort geht. Dies wird in den Reden von Gauck und Steinmeier sehr deutlich. Es geht um deutsche Interessen. Punkt. Mehr nicht. Deutsche Interessen sind bündnispolitische und wirtschaftliche.

Der Grundton wird durch Angela Merkel vorgegeben: "Deutschland geht es gut und solange es uns gut geht, geht es Europa gut." Dies beruhigt wahrscheinlich die Griechen, Italiener und Spanier sehr. Und die Afrikaner allemal. Denn was für Europa richtig ist, kann für Afrika nicht falsch sein. Wir machen in Mali genau das falsch, was wir in Somalia seit 1991 falsch machen, was wir in Afghanistan seit 14 Jahren falsch machen, was wir im Kongo seit 1995 falsch machen, was wir auf dem Balkan gründlich falsch gemacht haben und was wir in der Zentralafrikanischen Republik und im Südsudan demnächst falsch machen werden.

In der Politik macht man offenbar keine Fehler. Somalia ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn man etwas tut und es kommt das Gegenteil von dem heraus, was beabsichtigt war, dann liegt es nicht daran, dass man etwas Falsches getan hat. Aber nein! Man hat es nur nicht nachdrücklich, machtvoll genug getan. Mann muss es mit mehr Machtmitteln massiv und lange genug wiederholen.

Diese Politik ist ein Skandal. Aber sie ist es nicht erst seit Gauck, Steinmeier und von der Leyen sie formuliert haben. Sie ist es, seit ausgerechnet eine sozialdemokratisch/grüne Koalition das Kriegführen als (normales) Mittel der Außenpolitik wieder hoffähig gemacht hat. Im Verbund mit einer inzwischen überwiegend national-großdeutsch gefärbten Presse wird diese Politik nun in der fünften Legislaturperiode fortgesetzt.

Ein sehr angesehener General und Oberkommandierender hat einmal gesagt: "Um einen Krieg zu beginnen, braucht man nicht viel Hirn. Das braucht man, wenn man Krieg vermeiden will".

 


Kommentare   
 
0 #1 Heiner Waßmuß 2014-02-19 21:09
Das ist mal eine sehr differenzierte und gut begründete Darstellung! Danke.
 
 

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