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Der Hausmeister für alle Notfälle - Interview mit Rent-a-Marcel

Marcel Kellner alias Rent-a-Marcel arbeitet ehrenamtlich als Hausmeister, um Menschen in Not zu helfen. Der Braunschweig Spiegel freut sich sehr, dass exklusive Interview mit Marcel zu präsentieren! Und nicht vergessen: Marcel freut sich sehr über Geld- und Sachspenden! Gerne auch anonym ;)

 

1. Wer bist Du?

Ich bin Marcel Kellner, 24 Jahre und komme aus Braunschweig. Meinen Realschulabschluss habe ich 2011 mit einer Ausbildung zum Dachdecker erworben. Schon vor der Ausbildung habe ich hier und dort gearbeitet, um mir viele Bilder machen zu können, was ich überhaupt werden möchte – an Dachdecker habe ich dabei nie gedacht.

 

2. Was machst Du zurzeit?

Seit Mai 2011 arbeite ich in einem Architekturbüro als Technischer Assistent/Hausmeister.

Im August 2012 habe ich das Projekt: Schöner Wohnen „Rent-a-Marcel.de“ alleine auf die Beine gestellt, was ich immer noch erfolgreich betreibe und weiter ausbauen möchte.

 

3. Warum bietest Du Deine Arbeit ehrenamtlich an?

Ich helfe den sozial schwachen Menschen, die unter uns leben, für die sich aber keiner interessiert. Ich weiß, wie es ist, am Boden zu sein und ich weiß auch, wie teuer Handwerker sind. Das kann sich keiner leisten, der Arbeitslosengeld bezieht – und darauf lege ich meine Hand ins Feuer! Darum biete ich meine Arbeit ehrenamtlich an.

 

 

4. Was waren Deine spannendsten Erfahrungen?

Der eine schiebt arme Menschen in eine Schublade, ich wiederum finde, dass jeder „Kunde“ etwas besonderes ist. Es sind die Geschichten, die mich immer wieder staunen lassen. Eine spezielle Erfahrung durfte ich erleben. Diese Person hatte teilweise eine Behinderung, ging aber arbeiten, wurde da nur gemobbt, hat von Ihrem Vater 30 Tausend Euro Schulden geerbt und kämpft jeden Tag aufs neue, dass es bald Gerechtigkeit gibt. Sie hat kaum Geld, hat mich zum Grillen eingeladen und war sehr offen zu mir. Zu Beginn des Projekts wollte ich genau diese Situationen meiden.

Komischerweise sind es die Armen, die am meisten geben. Ich komme mit Menschen besser klar, die nicht gierig sind und nicht alles haben, was es seit gestern im Laden gibt. Das habe ich schon gespürt, als ich noch klein war, obwohl es in unserer Familie an nichts mangelte.

 

5. Welche speziellen Aktionen hast Du schon gemacht?

Ich habe schon viel in diesen paar Monaten mit Rent-a-Marcel.de erlebt, aber dies ist und bleibt das beste, was ich je für eine Person machen konnte.

Auf Facebook gab es einen großen Aufruf, dort hat eine Mutter für ihre Freundin ein Bett im Autodesign für deren Sohn Mirco (3 Jahre) gesucht. Leider vergebens! Ich hatte diese Meldungen gesehen, aber ignoriert, weil ich zu dem Zeitpunkt auch Werbung geschaltet hatte, dass ich bei solchen Sachen helfen kann, und habe mir gedacht: „Marcel die Leute müssen auf dich zu kommen und du nicht auf sie!“

Kurz darauf hatte ich eine Nachricht in meinem Postfach. Die Mutter der Freundin hatte angefragt, ob ich das nicht machen könnte. Ich habe geantwortet: „Ja, ich nehme das Projekt an.“ Daraufhin habe ich an viele Firmen in Braunschweig Emails geschickt, um Holz und Farbe zu bekommen. Es wurden von der Mutter 40 € gesammelt. Da leider keine Firma bereit war, mir das Holz zur Verfügung zustellen, habe ich gehandelt, habe meinen alten Kleiderschrank zerkloppt und habe aus den Seitenteilen das Auto gebaut. Die Materialien waren zudem auch teurer als 40 €. Ich habe den Rest dazu gelegt, damit ich diesem Jungen den einen großen Wunsch erfüllen kann. Ich kann Ihnen sagen: „Er hat sich sehr gefreut und das ist sicherlich noch untertrieben.“

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6. Wo findet man Dich im Internet? Wie erreicht man Dich?

Im Internet erreicht man mich unter www.Rent-a-Marcel.de, auf Facebook einfach in der Suchleiste „Rent a Marcel“ eingeben.

Auf der Homepage stehen unter Kontakt: Email, Handynummer und Öffnungszeiten. Via Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! bin ich für euch immer erreichbar.

 

 

7. Wie kann man Dich bei Deinem Projekt unterstützen?

Zurzeit versuche ich aus Rent a Marcel einen Verein zu machen, aber das ist nicht leicht – Neuland für mich. Ich versuche irgendwo unter zukommen, so dass ich Spendenquittungen ausstellen kann. Deshalb nehme ich bisher nur Sachspenden entgegen wie Holz, Möbel, Werkzeug, Gutscheine für den Baumarkt/Benzin.

Ein großer Wunsch ist aber immer noch da, der wirklich schwer zu bekommen ist. Da ich mein Projekt vergrößern möchte, bräuchte ich für Fahrten, Umzug, Entrümpelung oder Möbeltransporte einen VW T4 Bus mit mindestens sieben Sitzen und TÜV.

Ich freue mich auch sehr über Arbeitskleidung, T-Shirts, Maschinen, Werkzeug und Sponsoring!

 

8. Wie bist Du auf die Idee gekommen?

Wie ich auf diese Idee gekommen bin, ist eine sehr gute Frage, es hängen mehere Faktoren zusammen – das steht fest. Es fing alles damit an als ich in der Lehre war, fehlende / verspätete Lohnzahlungen, 3 mal Umgezogen, die alten Schulden in die neue Wohnung übernommen, dort wieder Schulden gemacht bis meine Mutter sich entschlossen hat, meiner Ex-Freundin und mir eine Bürgschaft für einen Kredit zu geben. Wir haben die Schulden, die wir bis dahin hatten soweit beglichen, leider hatten wir daraus nicht gelernt und haben auch dank der fehlenden Lohnzahlungen wieder neue gemacht.

Meine Vergangenheit ist schwer, traurig und leer. Die Trennung von meiner Ex-Freundin 2010 ging relativ schnell. In dem gleichen Jahr habe ich eine neue Freundin kennen gelernt, durfte in das Elternhaus von ihr ziehen und habe somit meine erste Chance bekommen, mein Leben selbst auf die Reihe zu bekommen. Dann habe ich 2011 meine neue Stelle im Architekturbüro angefangen. Man hat mir dort angesehen, dass ich zurückhaltend/komisch war. Die Aussprache mit meinem Chef bei einer leckeren Bratwurst mit Brötchen hat das Blatt gewendet.

Es folgten Taten: Dank der Sekretärin und den beiden Chefs habe ich soweit alles bezahlt und habe keine Schulden mehr – außer den Kredit, den ich aber monatlich pünktlich bediene.

Ich war so dankbar! Wenn ich daran denke, könnten mir jederzeit die Tränen kommen, weil mir so sehr geholfen wurde. Vor allem möchte ich nicht wissen, wo ich heute stehen würde, wenn ich all dieses Glück nicht gehabt hätte.

Vor meinem zweiten Urlaub habe ich alles was ich brauchte für diesen Projekt ausgedruckt und im Urlaub wortwörtlich inhaliert.

Nach dem Urlaub war ich wieder fit, gestärkt und bin meine Wege durch die Ämter gegangen. Dort habe ich mich erkundigt, was darf ich und was nicht. Ich muss dazu sagen, dass es dieses Projekt schon mal gab, da hatte ich mich nicht ordentlich Informiert. Ich musste, da ich ein Gewerbe angemeldet hatte, alles, was ich kann, angegeben und meine sieben Meisterbriefe vorweisen. Darauf habe ich nicht reagiert und musste drauf zahlen.

Nach den Ämtern war ich leider nicht schlau, aber mit Papier gut bedeckt. Durch das Gewerbeamt hatte ich nun meine Bestätigung bekommen: „Ehrenamt? Junge, mach das was du kannst, und hilf, wo du nur kannst!“ Das war der Beginn.

Durch die Hilfe, die ich bekommen habe, die Wege die mir neu gelegt wurden, war es an der Zeit, den Menschen etwas zurück zu geben, die genau das gleiche durch machten und immer noch durch machen müssen.

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