IHK-Jahresempfang: Auf Donner und Blitz folgte Harmonie

Mit einem Saalfeuerwerk zu den Klängen des TU-Orchesters schloss der offizielle Teil des IHK-Jahresempfangs. Foto: Marcus von Bucholz

Der Repräsentant für Handel und Industrie blickt zufrieden auf ein gutes Jahr für die Wirtschaft zurück. Ein sozialdemokratischer Minister wird als Gast der Wirtschaltslenker mit Beifall bedacht. Und der Boss des honorigen „Industrieclub 1918“ konstatiert die „guten Zeiten“ für seine Branche in der Region – da bedurfte es schon der Kunst, um die Harmonie des Neujahrsempfangs der Industrie- und Handelskammer Braunschweig zu irritieren.

 

IHK-Präsident Helmut Sreiff mahnte in seiner Rede Bürokratieabbau und bessere Nachwuchsausbildung an. Foto: Marcus von Bucholz

So eröffnete das Orchester der TU Braunschweig die Traditionsveranstaltung im Großen Saal der Stadthalle mit Johann Strauss’ Schnell-Polka „Donner und Blitz“. Danach begrüßte IHK-Präsident Helmut Streiff den Umweltminister Olaf Lies (SPD), der den verhinderten Ministerpräsidenten Stefan Weil vertrat und die Landtagsvizepräsidenten Petra Emmerich-Kopatsch (SPD) und Frank Oesterhelweg (CDU) sowie Oberbürgermeister Ulrich Markurth namentlich. Streiff’s dringlichste Bitte an die Politik in diesen ökonomisch guten Zeiten: Die Verbesserung der Ausbildung des Nachwuchses. „Die duale Berufsausbildung ist ein deutscher Exportschlager, der in Fernost kopiert wird“, stellte er fest. „Deutschland hat keinen Akademikermangel, sondern einen Fachkräftemangel.“ Die Politik müsse sicher stellen, dass Niedersachsens Schüler insbesondere in den Grundkompetenzen Rechnen/Mathe gestärkt werden: „Niedersachsens Schulabgänger belegen in diesen Kernfächern bundesweit nur Platz 13. Wir haben in unserem Land einen Mathe-Notstand.“

Minister Olaf Lies nahm die Steilvorlage dankbar auf und erklärte brav: „Vor dem demographischen Wandel ist Investition in die Bildung die beste Wirtschaftsförderung, die wir machen können.“ Er plädierte für eine weitgehend kostenfreie Weiterqualifikation auch nach Durchlaufen der dualen Lehrlingsausbildung, „da müssen wir uns nicht aus China loben lassen“. Was Lies sorgsam vermied: Den Handelsbossen wegen der 400-Euro-„Mac“-Jobs ins Gewissen zu reden. Denn was nützt die schönste Ausbildung, wenn der Einzelne hinterher von seinem Gehalt nicht leben kann?

 Der frühere Wirtschafts- und heutige Umweltminister Olaf Lies (SPD) erhielt von den IHK-Mitgliedern reichlich Beifall. Foto: Marcus von Bucholz

Beifall für den Umweltminister

Stattdessen gab’s ein ministeriell-lokalpatriotisches Hoch auf die Hochtechnologie in der Region mit 27 Forschungseinrichtungen, in denen 15.000 Menschen arbeiten. Bis 2023 sei die Weddeler Schleife endgültig zweigleisig, der seit Jahren von der Wirtschaft geforderte A 39-Ausbau könne 2020 endlich beginnen. Und überhaupt, Niedersachsen werde 30 Millionen Euro in der Ausbau von ÖPNV und Schiene investieren. Beifall für den Umweltminister, der damit Forderungen der IHK entgegen kommt.

Einig waren sich Wirtschaft und Politik auch darin, dass „der größte Konzern in unserer Region nicht weiter diskreditiert wird“ (Streiff), da von diesem „das Wohl und Weh der Region“ abhänge. Umweltminister Lies beeilte sich, den Diesel-Skandal als „Versäumnis der Vergangenheit“ abzuhaken und darzulegen, dass „NOX-Immissionen nicht das Problem eines modernen Diesesls“ seien. Stattdesen lobte er brav die Vorreiterrolle der regionalen Wirtschaft beim Thema „autonomes Fahren“. Nochmal Beifall.

 Gastgeber Volker Heemsoth bereicherte die Reden mit Anekdoten zur Gründung des Industrieclub Braunschweig von 1918. Foto: Marcus von Bucholz

Bevor der offizielle Teil mit einem phantastischen Indoor-Saalfeuerwerk schloss, sprach Volker Heemsoth (Vorsitzender des ausrichtenden Industrieclub Braunschweig) erneut seit Jahren drängende Probleme der Wirtschaft an. Sein Appell an die Politiker unter den Gästen: „Stoppen Sie die Bürokratie, gehen Sie den Reformstau im Land an, forcieren Sie endlich den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Hier hinkt Deutschland mit Platz 17 im Vergleich zu den europäischen Wettbewerbern hinterher. Beim Thema Bürokratieabbau liegen wir sogar auf Platz 21; gleichauf mit Bulgarien und Rumänien.“ Bereits Streiff hatte für die Gesetzgebung das Prinzip „One in, One out“ gefordert – für jede neue Vorschrift müsse eine alte gestrichen werden.

Stadthalle: Neubau statt Renovierung

Nach dem offiziellen Teil diskutierten die rund 1200 Gäste bei kalt/warmen Speisen vom Buffet viele der Anregungen, die die Redner ihnen mitgegeben hatten; insbesondere die Stadthallenrenovierung (Heemsoth plädierte für Abriss und Neubau), das „Flohmärkte-Verbot“ (von der IHK durchgesetzt, um den Einzelhandel vor professionellen Händlern zu schützen) oder die befürchteten Umsatzeinbußen, wenn Niedersachsen einen zusätzlichen Feiertag bekommt. Auf lokaler Ebene interessant: Die IHK möchte beim jährlichen Tennisturnier im Bürgerpark einen „Gesprächstag Wirtschaft/Wissenschaft“ etablieren, um die Vernetzung kreativer Köpfe mit der Produktion voranzutreiben.

Unter den Gästen gesehen: Carsten Müller (MdB CDU), Annette Schütze (MdL SPD), Christoph Bratmann (MdL SPD) und viele politische Entscheidungsträger sowie Spitzen der Verbände und Forschungseinrichtungen aus der Region.