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Faktencheck: A39- und A20- Ankündigungen von Staatssekretär Ferlemann, Ministerpräsident Weil und Verkehrsminister Lies

"Pressemitteilung"


Zahlen und Fakten widerlegen die leere Ankündigungs-Rhetorik von Bundesverkehrs-Staatssekretär Ferlemann (CDU), Ministerpräsident Weil (SPD) und Landesverkehrsminister Lies (SPD)

„Die A 39 ist drin“ – nämlich im Bundesverkehrswegeplan 2016 bis 20130.
Diese aktuelle Aussage von Staatssekretär Ferlemann (AZ Uelzen, 27.2.2016) soll Unkundige beeindrucken, sie ist aber eigentlich banal-selbstverständlich: Denn die A 39 war ja schon seit 2003 im „Vordringlichen Bedarf“ des alten Bundesverkehrswegeplans – und wurde ja trotzdem nicht finanziert. Und das bisher nicht mal wegen ihres schlechten Nutzen-Kosten-Verhältnisses und wegen der Konkurrenz anderer Verkehrsprojekte, sondern ganz einfach, weil die A 39 wegen massiver Planungsprobleme in allen ihrer 7 Planungsabschnitte keine Baureife erreicht hat. Beim Abschnitt bei Lüneburg, der als einziger A-39-Abschnitt eine eigenständige Verkehrsbedeutung hat, ist gerade die Planfeststellung gescheitert. Alle anderen Abschnitte könnten erst dann finanziert werden, wenn in sämtlichen dieser Abschnitte die Planfeststellung erfolgreich war.


Im neuen Bundesverkehrswegeplan wird die A 39 also wieder im „Vordringlichen Bedarf“ stehen (so wie die A 20 und ganz viele andere Straßenbauprojekte aus allen Bundesländern), allerdings – wegen massiver Umweltprobleme – nicht in der neu geschaffenen Kategorie „Vordringlicher Bedarf PLUS“. Und der „Vordringliche Bedarf“ wird auch diesmal mindestens doppelt so viele Straßenbauprojekte enthalten als finanzierbar sind – aber das kennt die nichtfinanzierte A 39 ja schon aus den vergangenen 15 Jahren angeblicher „Vordringlichkeit“ …

Beim jüngsten „Parlamentarischen Abend“ der A-39-lobbyistischen IHKs in Berlin (Lobbyisten anderer, konkurrierender Autobahnen werden wohl eigene „Parlamentarische Abende“ veranstalten) behauptete Staatssekretär Ferlemann laut AZ Uelzen, die Finanzierung der A 39 und auch die der Küstenautobahn A 20 seien „gesichert“. Was für ein Unsinn: Ganz abgesehen davon, dass die Finanzierung mitnichten im Bundesverkehrswegeplan geregelt wird, sondern in kommenden Investitionsrahmenplänen und Bundeshaushaltsplänen – und auch abgesehen davon, dass weder A 39 noch A 20 derzeit und in den nächsten Jahren irgendwelche Aussichten auf Planfeststellung bzw. Baureife haben – hier zur Ernüchterung die offiziellen Zahlen des derzeit noch gültigen Investitionsrahmenplans 2011 bis 2015 des Bundes:

Von 2011 bis 2015 gab der Bund für den Ausbau und den Neubau von Bundesautobahnen und Bundesstraßen insgesamt 7,925 Mrd. Euro aus – also 1,6 Mrd. Euro jährlich.
Davon erhält Niedersachsen – in Konkurrenz zu anderen Bundessländern – bisher und wohl auch künftig ein Zehntel, das wären also 0,16 Mrd. Euro jährlich. Legt man das bisherige Verhältnis der Ausbau- und Neubauausgaben zwischen Bundesstraßen einerseits und Autobahnen andererseits in Niedersachsen zugrunde, dann verbleiben für Neu- und Ausbau der Autobahnen noch jährlich etwa 0,09 Mrd. Euro. Zieht man davon die geplanten Ausbau-Maßnahmen bei Autobahnen ab, so verbleiben für den Neubau von niedersächsischen Autobahnen noch etwa 0,05 Mrd. Euro jährlich. Das wären in den 15 Jahren des kommenden Bundesverkehrswegeplans also etwa 0,75 Mrd. Euro. Das derzeit offiziell genannte Investitionsvolumen beträgt für die A 39 ca. 1,1 Mrd. Euro (Angaben 2012) und für die A 20 ca. 1,3 Mrd. Euro (Angaben 2009) plus Kosten des Elbtunnels von 1,5 Mrd. Euro (Bundesrechnungshof 2014). Legt man die im jetzigen Investitionsrahmenplan angesetzte Baukostensteigerung auch für die kommenden Jahre zugrunde, dann erhöhen sich diese Kosten von 3,9 Mrd. Euro auf ca. 7 bis 8 Milliarden Euro. Zur Erinnerung: Niedersachsen kann nur etwa 0,05 Euro jährlich hierfür vom Bund erwarten und binnen 15 Jahren etwa 0,75 Mrd. Euro – also etwa ein Zehntel der Summe - mit einer Deckungslücke zwischen Versprechungen und Realität von ca. 6 bis 7 Mrd. Euro… 

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Janssen-Kucz verwies vor einiger Zeit sogar auf Zahlen des Bundesverkehrsministeriums, wonach alle 214 derzeit von Niedersachsen angemeldeten Straßenprojekte mit ihren Gesamtkosten von 12,2 Milliarden Euro beim gegenwärtigen Mitteleinsatz erst in 86 Jahren fertig würden.

Total unwahrscheinlich bzw. unsinnig ist also die Hoffnung oder Behauptung, der Bund werde Niedersachsen – auf Kosten aller anderen Bundesländer so bedienen. Da helfen auch hergesuchte „Argumente“ wenig: Ministerpräsident Weil hat offensichtlich seine neueste Rechtfertigung der A 39 dem inhaltlich recht dünnen „Gutachten“ der niedersächsischen A-39-Lobby entnommen: „Die A 39 stopfe „die Lücke zwischen den Boom-Regionen Hamburg und Wolfsburg/Braunschweig“ (LZ). Diese Höflichkeit gegenüber den IHK-Lobbyisten stößt sich allerdings hart an der Realität, denn Hamburg selber nennt die A 39 bei seinen Wunschprojekten eigentlich nie. Und auch VW gehört – trotz seiner höflichen Unterstützung der IHK-Autobahn-Lobby – mitnichten zu den Initiatoren der A 39. Die Positionierung Hamburgs zur A 39 entlarvt denn auch das Gerede zur „Anbindung des Hinterlands und zum Schulterschluss mit den Seehäfen“ (laut LZ Lüneburg „Schlagwörter des Abends“) als leere Behauptung, die ohnehin im Gegensatz zu den wirklichen Empfänger-Regionen der Seehäfen steht. Und weshalb eine derart ungewünschte und unnötige Transitautobahn den Regionen „im klassischen Transitland Niedersachsen“ (Weil) durch den Transit- also Durchgangs-Verkehr irgendwelche wirtschaftlichen Vorteile bringen soll, bleibt das Geheimnis von Herrn Weil. Alle Gutachten über Autobahn-Neubauten der letzten Jahrzehnte beweisen das genaue Gegenteil.             

Ähnlich unkorrekt ist auch die Antwort von Herrn Weil auf den kritischen Hinweis der Landeszeitung Lüneburg zur A 39 und deren „schlechtes Nutzen-Kosten-Verhältnis, dem schlechtesten von den Projekten in Deutschland“: Man könne solche Projekte heutzutage „nicht mehr nur regional betrachten“ – man müsse „großräumig in Netzen denken“. Schön gesagt, aber dennoch falsch: Ganz abgesehen davon, dass die A 39 aus gutem Grund nicht in den Transeuropäischen Netzen zu finden ist – der Bundesverkehrswegeplan rechnet bei der Ermittlung der Nutzen-Kosten-Verhältnisse aller Verkehrsprojekte solche großräumigen Effekte natürlich voll mit ein. Bei der A 39 mit ihrem schlechten Nutzen-Kosten-Verhältnis aber eben nicht – weil diese Effekte eben nicht vorhanden sind.       

Fazit: Alle Redereien von der Finanzierung und dem Bau einer A 39 (und auch A 20) entlarven sich bei näherer Betrachtung leere Vorwahlkampf-Rhetorik.


Auf die Spitze getrieben wird dies mit Ankündigungen über den angeblichen Baubeginn: bei der A 39 soll der Spatenstich laut Ferlemann schon 2017/2018 stattfinden – bei dieser Ankündigung wusste er wohl noch nichts vom aktuellen Scheitern der Planfeststellung im Bereich Lüneburg. Ministerpräsident Weil war da wohl schon besser informiert - trotzdem bleibt seine Aussage von „Baureife und Baubeginn der A 39 noch in diesem Jahrzehnt“ eine bloße Hoffnung. Landesverkehrsminister Lies äußert sich sogar mit einer reinen Plattitüde: Demnach könne man bei der A 20 mit einem Baubeginn schon im Jahre 2021 rechnen“ – „wenn sich keine Verzögerungen ergeben“. Aha. Bundesverkehrsminister Dobrindt wagte in einem Interview des Flensburger Tageblatts übrigens keine zeitliche Prognose…

Aber auch Herr Ferlemann, Herr Weil und Herr Lies lassen sich natürlich trotz allem den Rückzug offen, wenn – erwartungsgemäß – ihre Versprechungen nicht eintreten werden. „Das Geld ist da und manche Bundesländer sind dann stärker und andere schwächer bei der Umsetzung“, sagte dazu Enak Ferlemann laut AZ vieldeutig. „Bis die Lücke endgültig geschlossen und die A 39 fertig ist, wird wohl noch viel Wasser die Ilmenau hinunterfließen“ (Weil). Minister Lies (SPD) äußerte zum Jahreswechsel seine Hoffnung, beim Bundesverkehrswegeplan fänden auch die Autobahnen A 20 (Küstenautobahn) und A 39 Eingang „in den vordringlichen Bedarf PLUS“ –„damit auch sicher gebaut wird.“ Das heißt im Umkehrumschluss: Wenn A 39 und A 20 nicht in den „Vordringlichen Bedarf PLUS“ kommen (und das wird mit Sicherheit nicht der Fall sein), dann ist deren Finanzierung und deren Bau unsicher. Wir wagen sogar die Vorhersage, dass beide Nonsens-Projekte an fehlender Finanzierung scheitern werden – und notfalls auch durch Klagen. 

Deshalb scheint uns in diesem Falle der CDU-Bundestagsabgeordnete Pols aus Lüneburg wesentlich ehrlicher und realistischer: Er erwartet laut LZ Lüneburg den Spatenstich der A 39 wenn überhaupt, dann in 7 bis 10 Jahren: „Der BVWP ist völlig überzeichnet, das muss man wissen, wir stehen in Konkurrenz, und im Norden wird nur eine Autobahn realisiert. Schade, dass wir hintenrunterfallen, das wünsche ich mir natürlich gar nicht.“ Wir dagegen wünschen und erwarten mit guter Begründung, dass sowohl A 39 als auch A 20 als offensichtlich unsinnige Prestige- und Wahlkampfprojekte „hintenrunterfallen“ werden – zugunsten des Ausbaus bestehender, alternativer und regionaldienlicher Verkehrsprojekte.

Das ahnt offenbar auch Ministerpräsident Weil : Er mahnte denn auch eine sorgfältige Planung an, die auch bei Klagen vor Gericht standhalten müsse: „Denn es gibt bekanntlich eine fachlich versierte und sehr engagierte Minderheit gegen das Projekt“, sagte er mit Hinweis auf die „gut organisierten Autobahngegner“ in der Region. Deutliche Skepsis kam laut AZ Uelzen beim Parlamentarischen IHK- Abend von Hubertus Kobernuss, Vizepräsident der IHK Lüneburg-Wolfsburg. „Wir sind absolut frustriert“, sagte der Spediteur aus Uelzen.

Die A-39-Gegner sind übrigens nicht frustriert. Ganz im Gegenteil.

 

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