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Masthähnchen im Haus der Wissenschaft

So sieht ein gesundes Huhn aus!

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Die Veranstaltung der Braunschweiger Zeitung im "Haus der Wissenschaft" war sehr gut vorbereitet. Zahlreiche Beiträge zur Problematik der Hähnchenmast veröffentlichte die Braunschweiger Zeitung in der Woche zuvor aus unterschiedlichen Perspektiven (siehe Bericht der BZ: Über Hühnerqualen und Verbrauchermacht).

 

Im Grunde gehörte zur Vorbereitung auch die Veranstaltung der Abt Jerusalem Akademie zur Tierethik zehn Tage zuvor mit dem Schwerpunkt Ethik in der Tierhaltung und die Würde des Tieres. Vorbereitend war auch die vierteilige Serie  im Braunschweig-Spiegel gedacht. Sie ging auch auf die Hähnchenmast-Problematik aus den unterschiedlichen Perspektiven, insbeondere jedoch auf die Verantwortung ein (siehe Teil 1, 2, 3 und 4).

Braunschweiger Zeitung Uwe Hildebrandt hatte im Vorfeld gut recherchiert und moderierte die Veranstaltung kenntnisreich, charmant, souverain und fair. Die eingeladenen Experten und Expertinnen kamen aus dem Umwelt- und Tierschutz, dem Ministerium für Landwirtschaft in Hannover, von der TU Braunschweig und aus der Praxis der Hähnchenmast.

Weitere Gäste, die zu Wort kamen, waren Vertreter örtlicher Initiativen und vor allem Gäste im Internet, die erstmalig ihre Fragen in die Runde stellen konnten.

Fast alle Probleme der Hähnchenmast kamen zur Sprache. Dazu beigetragen haben auch die diskussionsfreudigen Zuschauer, die durch Herrn Hildebrand alle zu Wort kamen. Alle, die eine solche Moderation schon einmal gemacht haben, wissen um die außergewöhnliche Leistung von Herrn Hildebrandt, zumal bei einem so schwierigen und kontroversen Thema.

Aus der kontrovers diskutierten Themenpalette möchte ich zwei herausgreifen, die besonders heftig diskutiert wurden und auf die ich in der o.g. Serie im Braunschweig-Spiegel schon einmal eingegangen bin.

 

Zur Antibiotikaproblematik

Die Anwendung von hohen Mengen Antibiotika in der Hähnchenmast, auch aus nicht therapeutischen Gründen ist unter den Tierärzten, den Herstellern der Antibiotika den Aufsichtsbehörden und dem zuständigen Ministerium bekannt – und das nicht erst seit einigen Tagen. Die sog. neuen Erkenntnisse zur hohen Applikationsrate von bis zu 95 % der Mastbetriebe durch die Untersuchungen in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen sind nicht überraschend. Dieser extrem hohe Antibiotikaeinsatz ist in der Hähnchenmast systembedingt, weil bei kranken Tieren alle Hähnchen, auch die gesunden, mit Antibiotika behandelt werden, wenn ein zu hoher Ausfall droht, der durch Töten der kranken Tiere nicht mehr zu beherrschen ist. Wahrscheinlich gibt es eine ökonomische Schadensschwelle. Eine Krankenstation (Quarantäne) für kranke Tiere gibt es nicht.Die wäre viel zu teuer.

Jeder und jede, die Antibiotika zu sich nehmen wissen, dass diese Medikamente äußert diszipliniert anzuwenden sind. Eine Unterdosierung ist zu vermeiden, weil die Gefahr einer Resistenzbildung droht. Dieses Resistenzproblem ist bekannt beim Menschen und den Tieren durch Antibiotika gegen bakterielle Erkrankungen und bei Pflanzen durch die Anwendung von Pflanzenschutzmittel gegen Schadorganismen (Schadpilze, Insekten und Milben). Dieses Wissen ist fachliches Allgemeinwissen!

Das Problem ist, dass es nur wenige unterschiedlich wirkende Antibiotika gibt und dass diese Wirkstoffe auch für den Menschen nutzbar sind, wenn der an einer Bakteriose erkrankt. Regelmäßig schlagen die Fachleute Alarm, weil es nur noch wenige unterschiedlich wirkende Antibiotika für den Menschen gibt. Viele wirken nicht mehr aufgrund der Resistenzen.

Für Heidemarie Helmsmüller aus dem Ministerium ist Fleisch mit geringen Mengen Antibiotika, also unterhalb der amtlich festgelegten Höchstmenge, unbedenklich für den Verzehr. Aber gerade die geringen Mengen Antibiotika können hier das Problem sein bei der Förderung der Resistenzbildung. Auch die Antibiotikamengen, die über andere Wege in die Umwelt gelangen, können Resistenzen verursachen und so dem Menschen nicht mehr zur Verfügung stehen.

Das Problem für die Institutionen ist, dass die Erkenntnisse an die Öffentlichkeit gelangt sind und dort diskutiert werden, so wie in der BZ und anderen Medien.

Zur Verantwortung des Verbrauchers

Auf der Veranstaltung wurde gerne und immer wieder auf die Verantwortung des Verbrauchers hingewiesen. Insbesondere der TU Honorarprofessor Dr. Ulrich Nöhle betone immer wieder, dass sich die „Wahrheit an der Kasse“ zeige. Dort nämlich zeige sich, was der Verbraucher wolle – und das wäre billiges Hähnchenfleisch.>

Herr Dr. Nöhle hätte dann teilweise recht, wenn teureres Biohähnchen neben dem Billigfleisch liegen würde und der Verbraucher wählen könnte. Es gibt jedoch keine Biohähnchen im Angebot der Supermärkte. Und wenn es diese gäbe stellt sich noch die Frage, wie die beworben werden würden.

Fakt ist, dass Billigfleisch intensiv beworben wird. Keine Wochenendbeilage ohne Fleischsonderangebote, um den Kunden damit in den Laden zu locken. Damit verliert das Fleisch seinen Wert, es wird >sozusagen wertloser. Das wird dem Kunden vermittelt.

Hinzu kommt, dass diese Form der Massentierhaltung von der Politik erwünscht ist. Dafür werden sogar Subventionen gezahlt. Beispielsweise etwa 6 Millionen Euro an die Schlachtanlage in Wietze. In der Politik sind die Probleme mit dem Tierschutz und Antibiotika bekannt. Von den Gesetzen wird diese Produktionsweise unterstützt. Man könnte etwas ändern. Aber man will es nicht, weil man Landwirten mit den vorhandenen Investoren und deren Bedingungen Einkommensmöglichkeiten verschaffen will. Landwirtschaftsministerien im Bund und in den Ländern sind schon immer Lobbyorganisationen der Landwirtschaft gewesen und nur einmal (unter Renate Kühnast) die Lobby von Verbrauchern.

Ohne Zweifel hat der Verbraucher Verantwortung für sein Handeln. Aber der Rückzug von der Politik mit dem Fingerzeig auf den Verbraucher als Schuldigen der Misere ist schlicht billig und falsch. Der Fisch stinkt vom Kopfe her!

Die Argumentation, dass ausschließlich der Verbraucher Schuld sei, ist im Grunde eine spezielle Form der Privatisierung staatlicher Aufgaben. Zunehmend wird in der Politik der Schlüssel zur Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen im privaten Handeln gesehen. Diese Sichtweise bezieht sich sowohl auf den Verbraucher, der seinen Konsum nachhaltig orientieren und damit inzwischen Aufgaben des Staates übernehmen solle. Die Verlagerung der Verantwortung stützt sich auf die Annahme, dass die Wirtschaft zunehmend nachhaltige Produkte anbieten werde, wenn Verbraucher nach Maßstäben der Nachhaltigkeit Produkte konsumierten. Verantwortliches staatliches Handeln, so die Kritik, würde damit in den privaten Bereich verlagert.

„Nachhaltigkeit ist eine Aufgabe der politischen Systeme“. Die Aufgabe des Menschen sei es aber, „politisch für die Nachhaltigkeit einzutreten – jenseits von Stromsparen und ökologisch korrektem Konsum“. Mit der Verschiebung der Erwartungen, weg von der politischen Ebene hin zum privaten Handeln setzt sich äußerst kritisch auch GRUNWALD (2010) in folgender Arbeit auseinander: Wider die Privatisierung der Nachhaltigkeit - Warum ökologisch korrekter Konsum die Umwelt nicht retten kann. GAIA 19/3, 178 –182

 


Kommentare   
 
0 #4 Lilo Feuerbach 2011-11-20 02:04
Na, na, wer wird hier denn so ideenlos sein? Einzelkämpfer züchten? I-wo, Politik hat doch noch mehr Instrumente als Subventionsabba u!
 
 
 
0 #3 Jürgen 2011-11-19 17:39
Obwohl sich die Politik immer mehr einmischt( mehr Verbraucherschu tz, mehr Tierschutz ..)ist der Fleischkonsum pro Kopf ständig gestiegen! Früher wurde mit weniger Verbraucher- und Tierschutz erheblich weniger Fleisch gegessen (1 mal pro Woche war üblich)
Natürlich könnte die Politik etwas ändern, in dem Sie z.B. die Subventionen für Fleisch aus Massentierhaltung streicht.
Das würde den Fleischpreis deutlich verteuern.
Aber glauben Sie wirklich, hier in Europa würde sich dadurch etwas bewegen? Vermutlich würde dann die Produktion von Fleisch in andere Länder verlagert.
Hier ist also wieder einmal der Verbraucher gefragt!
 
 
 
0 #2 Kristine 2011-11-18 22:54
Ich verstehe deine Kritik nicht. Ich bin selber schon seit 20 Jahren Vegetarierin und merke, dass sich dadurch eher nichts ändert. Wenn wir keinen politischen Druck aufbauen – zusammen mit allen kritischen Zeitgenossen – wird sich auch weiterhin nichts ändern. Die Politik hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass eine tierschutzgerechte Haltung gewährleistet ist und dadurch Gesundheits- und Umweltschäden verhindert werden. Das müsste durch Gesetze geschehen, vielleicht auch durch eine Besteuerung wie bei Alkohol und Tabak.
Es wäre ja schön, wenn alle Menschen Vegetarier werden würden, darauf alleine möchte ich aber nicht warten!
 
 
 
0 #1 Wilma 2011-11-17 15:00
Menschen, die ausschließlich den Schuldigen woanders suchen, ohne ihr eigenes Verhalten in Frage zu stellen, werden im nächsten Leben hoffendlich als Hähnchen zur Welt kommen, meinetwegen auch als Bio-Hähnchen- wenn sie Glück haben, finden sie einen verantwortungsbewußten Verbraucher, der nicht darauf wartet, dass die Politik etwas ändert. Toi, toi, toi!!
 
 

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