Klimaschutz in Braunschweig: Bürgerbeteiligung 2. Runde
- Dienstag, 03. August 2010 08:38
- Gudrun Beneke
Intransparent und wieder keine Energiebilanz zu den Kraftwerken von BS Energy!
Braunschweig beteiligt sich am Projekt „Nationale Klimaschutzinitiative“ und erhält dafür Bundesmittel. Die Stadt investiert diese Zuwendung in ein zweites Bürgerbeteiligungsverfahren zum Klimaschutz. Welche Qualität hat diese Bürgerbeteiligung und was wird damit bezweckt?
Rückschau:
Die erste Beteiligungsrunde im Rahmen der öffentlichen Auslegung des Luftreinhaltplans 2007 war eine Zumutung für die Bürger. Darin wurden ohne plausible Begründung die Einzelheizungen in Braunschweiger Haushalten als Hauptverursacher der örtlichen Treibhausgase und Luftverunreinigungen angeprangert. Ein anvisierter Anschluss- und Benutzungszwang an die Fernwärme von BS Energy aus dem völlig veralteten und überwiegend mit Kohle betriebenen Heizkraftwerk Mitte bildete das Kernstück einer fragwürdigen kommunalen Klimaschutz- und Luftreinhaltestrategie. Sie basierte auf Studien, die BS Energy in Auftrag gegeben hatte. Trotz unzähliger Anfragen aus der Bevölkerung an Politik und Verwaltung hat die Stadt innerhalb von 14 Monaten keine einzige substanzielle Information zur Erhellung der Sachlage heraus gegeben. Eine Anfrage an den Oberbürgermeister, wer bei der Stadt für die Verlässlichkeit der von BS Energy bereit gestellten Informationen bürge, blieb unbeantwortet. Im Herbst 2008 wurde die Einführung des Fernwärmezwangs fallen gelassen. Gleichzeitig erklärte das Umweltamt die vielen Anfragen der Bürger als hinfällig.
Die 2. Runde:
Für die laufende, zweite Beteiligungsrunde ist ein partizipativer Erstellungsprozess des Klimaschutzkonzeptes angekündigt. Die Auftaktveranstaltung fand noch am Tag ihrer Bekanntgabe (!) in der BZ, am 16. Juni 2010, statt. Nur drei Bürger konnten der kurzfristigen Einladung nachkommen. Für Organisation, Moderation und Information sorgten drei Mitarbeiter der Stadtverwaltung, fünf Vertreter der Geo-Net Umweltconsulting und zwei zusätzliche Referenten. Mehrere Politiker flankierten die Zusammenkunft.
Die inhaltliche Grundlage des Partizipationsverfahrens bilden von der Geo-Net Umweltconsulting erstellte Energie- und Treibhausgas-Bilanzen. Darin bekommen u.a. - was durchaus sinnvoll ist - die privaten Haushalte ihre CO2 Emissionen widergespiegelt. Zu den für die Braunschweiger Energieversorgung relevanten Kraftwerken liegt aber keine Analyse vor. Das ist ein Skandal. BS Energy lässt in allen Einzelheiten den Energie-Verbrauch von Kunden auswerten und die damit verbundenen Emissionen ermitteln, ohne den Einfluss der Kraftwerke, die unterschiedlich klimawirksam sind, offen zu legen.
In gleicher Weise unannehmbar ist die Moderation der Arbeitsgruppen sowie die Protokollierung und Dokumentation der Bürgerbeteiligung durch die Geo-Net Umweltconsulting. Dieses Unternehmen war bereits mehrfach im Auftrag von BS Energy und der Stadt in Sachen Luftreinhaltung und Klimaschutz tätig und hat in einem fragwürdigen Immissionsgutachten für BS Energy mit geschickter Strategie das klimaschädliche Heizkraftwerk Mitte in ein umweltfreundliches Licht gerückt. Wie sollen die Bürger vor diesem Hintergrund auf eine unabhängige Steuerung der Bürgerbeteiligung vertrauen?
Des Weiteren ist die methodische, inhaltliche und zeitliche Intransparenz des Partizipationskonzeptes zu bemängeln. So lässt die Stadt die Bürger im Unklaren, auf welcher Ebene und in welchem Umfang sie eingebunden werden. In der Pressemitteilung vom 22. Juli heißt es einerseits: „Jetzt (sollen) Ideen und Anregungen (…) zu realistischen Klimaschutzzielen und Maßnahmen in Braunschweig für den Klimaschutz zusammen getragen werden“. Das klingt nach einem öffentlichen Brainstorming, bei dem Bürger sich mehr oder weniger aus dem Stand heraus einbringen können. Andererseits wird die Mitarbeit der Bürger gewünscht, „um gemeinsam konkrete Maßnahmen (…) zu entwickeln und Schwerpunkte zu setzen.“ Dies würde eine Einbindung der Bürger in einen überschaubaren Prozess bedeuten, der die Aneignung inhaltlicher Kompetenz sowie reflektierte Einlassungen voraussetzt. Das geht nicht an einem Abend!
Die Vorlage einer klaren Übersicht zum Gesamtablauf des Vorhabens zählt zu den Mindeststandards einer Bürgerbeteiligung, damit interessierte Bürger eine Teilnahme einplanen können. Für ein professionell konzipiertes und kompetent durchgeführtes Partizipationsverfahren versteht es sich von selbst, inhaltliche Schwerpunktsetzungen zu begründen und anschaulich zu umreißen sowie das methodische Vorgehen der Bürgerbeteiligung, sprich die Arbeitsweise im Plenum und in Untergruppen, offen zu legen. Eine verantwortungsvoll konzipierte Bürgerbeteiligung gibt zudem über die geplante Verwertung der von Bürgern erbrachten Beiträge Auskunft. Sie dürfen nicht zur unkontrollierten Verfügungsmasse von Politik und Verwaltung werden.
Fazit:
Das laufende Partizipationsverfahren wird mit Steuermitteln finanziert. Die Stadt ist gefordert, dessen gravierende Mängel umgehend zu beheben und die fehlenden Energiebilanzen zu den für die Braunschweiger Energieversorgung relevanten Kraftwerken unverzüglich nachzureichen!