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Epoche der Ökologie - Was ist machbar? Vortrag von Staatssekretär Michael Müller

... beim Braunschweiger Energieforum am 14. November 2008 in der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig.

 

Die Epoche der Ökologie wird beginnen, und wenn wir klug sind, gemeinsam mit einer Renaissance des Sozialstaats, ähnlich der des New Deal durch den US- Präsidenten Franklin D. Roosevelt. Das Jahrhundert der Ökologie stände vor der Tür. Es läge an uns, wie wir es gestalten. Die Weltfinanzkrise, verursacht durch den Zusammenbruch des Finanzkapitalismus, und die Umweltkrise wären jedoch auch eine Chance, bei der es keinen Sinn mache, zurückzuschauen. Sehen wir nach vorne und gestalten eine ökologisch und sozial orientierte Zukunft. Es führe kein Weg an der Epochenwende, an deren Beginn wir uns bereits befänden, vorbei. Alle, die glaubten, man könne so weiter machen wie bisher, befänden sich im fatalen Irrtum. Entscheidend sei die Frage, wie wir das ökologische Jahrhundert gestalten wollten, so Michael Müller, Staatssekretär aus dem Bundesumweltministerium bei der Auftaktveranstaltung der Veranstaltungsserie des Energieforums Braunschweig.

Müller stellte zunächst die belastbaren Ergebnisse aus der Klimaforschung vor. So sei gesichert, dass wir uns bereits im Klimawandel befänden und dass dieser in seiner Geschwindigkeit auch die Experten überrasche. Die Auswirkungen könne jeder Mensch tagtäglich feststellen. Heute würden wir die Auswirkungen erleben, die wir vor 40 Jahren mit unserem Wirtschaften verursacht hätten. Erst 2050 erleben wir also die Auswirkungen unseres heutigen Wirtschaftens – also mit 40 Jahren Verzögerung. Das sei bereits unabänderlich.

Schwankungen im Weltklima hätte es zwar immer schon gegeben. Doch nun veränderten wir das Klima in 200 Jahren in der Stärke, wie normalerweise in 200 000 Jahren. Das Problem sei u.a., dass der Mensch erst reagiere, wenn er ökonomische Auswirkungen massiv spüre. Vorausschauendes Handeln läge ihm weniger, zumal wenn eingefahrene Denk- und Handlungsmuster verlassen werden müssten. Und die müssten verlassen werden.

Tiefe soziale Umwälzungen seien die Folge des Klimawandels. Die Armen würden noch ärmer. 9 % ihres ohnehin kargen Einkommens würde der Klimawandel den Armen der Welt kosten. Die Kosten für die oberen 20 % der Reichen würden jedoch nur 2,5 % betragen. Deutschland, so Müller, gehört zu den 5 OECD-Ländern, in denen die Kluft zwischen arm und reich am stärksten ausgeprägt ist. Von sozialer Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards könne schon seit Jahren nicht mehr die Rede sein.

Müller legte die derzeitige Situation hinsichtlich der Ursachen des Klimawandels deutlich dar. Der Höhepunkt (Peak-Point) der Förderung sei bei Erdgas und Erdöl überschritten. Dieses gelte auch für die meisten anderen Rohstoffe. Die Konsumansprüche der Schwellenländer, vor allem Chinas und Indiens wären ähnlich denen des Westens. Diese Länder hätten gewaltigen Nachholbedarf. So wie die Dynamik der Volkswirtschaften in diesen Ländern sich entwickelten, käme es zur Dynamik der Umweltzerstörung mit dramatischen Folgen für das Weltklima, wenn eine weltweite ökologische Wende ausbliebe.

China sei seit wenigen Wochen der größte CO2-emittent weltweit. Trotzdem läge die Pro Kopf CO2-Emission in den USA bei 19,7 t und in China bei 4 t. Jedes Jahr werden in China so viele neue Kraftwerke erbaut wie in Deutschland insgesamt stehen.

Inzwischen seien die Auswirkungen der Treibhausgase auf das Weltklima unwidersprochen. Die Ursachen lägen neben der Verbrennung fossiler Brennstoffe auch in der Nutzung der Wälder, der Böden und in dem Abbau der Moore, die das hoch klimaschädliche Methan freisetzten. Das klimaverändernde Methan entstünde auch in der Landwirtschaft, bei der Abfallverrottung und auch bei der Energienutzung. Ozon produziere der Verkehr und halogenierte Gase wie Fluor-Gas werden in der Kühlung verwendet. Auch der durch die Erderwärmung und Verdunstung zunehmende Wasserdampf in der Atmosphäre, trüge mit etwa 8 % der Entstehung von Hurricans bei.

Die Folgen

Die Wissenschaft spräche heute auf belastbarer Datengrundlage von der höchsten Konzentration von Treibhausgasen seit 650.000 Jahren. Verbunden ist dieser Konzentrationsanstieg mit dem schnellsten Temperaturanstieg seit 20.000 Jahren. In der Wissenschaft gäbe es derzeit drei Scenarien über die Klimaerwärmung bis zum Jahr 2100:
- optimistische Variante: 1,4-2,9 (1,8) Grad Klimaerwärmung
- pessimistische Variante: 2,4 bis 6,4 (4,0) Grad Klimaerwärmung
- wahrscheinliche Variante: 3 Grad (auf Grönland 9 Grad) Klimaerwärmung

Weltweit diskutiert würden derzeit u.a. als Folge der Klimaerwärmung der Anstieg des Weltwasserspiegels. 635 Mio Menschen lebten in tiefer gelegenen Küstenregionen, die überflutet würden.

Meeresströmungen würden massiv verändert werden und damit auch das Klima. Der Golfstrom, der das Klima Mittel- und Nordeuropas stark beeinflusst, würde bis zu 50 % an Dynamik einbüßen.

An einem Beispiel stellte Müller dar, welche dramatischen Auswirkungen die Klimaerwärmung auf die Wasserversorgung der Menschheit hat. Etwa 100 Mio Menschen seien heute auf Trinkwasser aus Gletscherwasser angewiesen. Allein die sieben Mio.-stadt Lima (Peru) bezieht ihr Trinkwasser zu 100 % aus dem Gletscherwasser der Anden. Das Gletschereis der Anden hätte in den letzten 17 Jahren um 23 % abgenommen. Es sei schon heute abzusehen, wann das Wasser versiegen würde. Diese Dramatik würde zu unübersehbaren sozialen Verwerfungen führen, die weitere Krisen nach sich ziehen würden.

Bei 2 Grad Klimaerwärmung würde sich nach FAO-Schätzungen die Ernte in Afrika halbieren. Hunger und den damit verbundenen Migrationen wären absehbar. In Südeuropa wird es im Sommer 30% weniger Niederschläge geben.

Die Epochenwende

Die Energiepolitik stünde am Scheidewege, so Müller. Die großen Energiekonzerne könnten das Problem nicht lösen, weil sie auf Großstrukturen setzten. Viele lokale, kleine und mittlere Energieproduzenten , die Energie regenerativ gewönnen oder das Energiepotenzial des Energieträgers stärker ausnützten, seien zukünftig erforderlich. Dazu bedürfe es vor allem eines „kulturellen Anstoßes“, der von den großen Energiekonzernen nicht ausgehen würde.

Notwendig sei bis 2015 eine Trendwende, um bis 2050 die Treibhausgase zu halbieren. Je später die Trendwende komme, umso teurer würde es sein den Auswirkungen des Klimawandels entgegen zu wirken. Die Energiewende sei möglich, so Müller:

Die Prioritäten seien klar und müssten nur konsequent umgesetzt werden:

  • Effizienz-Revolution mit Energieeinsparungen von 42-45%. Allein das „standby“ bei Elektrogeräten erforderten 1 Atomkraftwerk durchschnittlicher Größe. Wenn nur die energieeffizientesten Haushaltsgeräte bei 4 Personen Haushalten eingesetzt würden, müssten 17 Kraftwerke nicht gebaut werden.

  • Das äußerst erfolgreiche Energieeinspeisungsgesetz (EEG), dass von Müller im wesentlichen mit gestaltet wurde und an dem sich heute etwa 50 Staaten orientierten, brachte 2001 eine Energieeinsparung von 6%, derzeit von 14% und wird 2020 eine Einsparung von 30% bewirken. Durch das Gesetz sind bis zu 250 000 neue Arbeitsplätze entstanden. Ferner ist Deutschland Weltmarktführer bei alternativ erzeugten Energien. Neue Schwerpunkte werden "Offshore-Energien", "Repowering" und die dezentrale Netzintegration sein.

In Deutschland würden 18 neue Kraftwerke bis 2012 errichtet. 9 Kohle- (6 Stein-/3 Braunkohle) und 9 Gaskraftwerke. Ob die alten Kraftwerke abgeschaltet würden sei unklar, weil die alten die höchsten Gewinne für die Stromkonzerne abgäben. Das Einsparpotential im Falle des Abschaltens der alten Kraftwerke läge bei 42 Mio Tonnen CO2. Der Kampf bei den Verhandlungen zur Phase III (ab 2013) beim Emissionshandel, spitze sich derzeit weiter zu. Wenn der Termin 2013 bliebe, dann wären die Kohlekraftwerke, die derzeit gebaut würden, nicht mehr rentabel.

Verlängerungen der AKW-Laufzeiten stehen derzeit massiv in Diskussion, weil die interessierte Industrie öffentlichkeitswirksam für die angeblich klimaneutral produzierte Atomenergie wirbt. Der Weltklimarat warnt jedoch vor Nuklear-Energie als Weg aus der Krise, da man diese jedem Land zur Verfügung stellen müsste. Auch die Enquete-Kommission des Bundestages, in der zur Hälfte Wissenschaftler sitzen, auch Atom-Lobbyisten, erklärte einstimmig, dass Atomenergie keine Lösung für das Klimaproblem sei.

Die Impulse für eine epochale Energiewende müssten aus den westlichen Ländern kommen, weil sich die anderen Staaten an ihnen orientierten. Das Wissen, die Technologie und das notwendige Kapital seien vorhanden. Die Politik ist nun gefordert die entscheidenden Impulse zu geben. Sie stünde in ethischer und moralischer Verantwortung.

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Die Vortragsreihe des „Energieforum Region Braunschweig“ Einhundertprozent erneuerbare Energien für Braunschweig wird fortgesetzt von der Referentin

Jutta Sundermann (attac) mit dem Thema:
Power to the people – den Energiekonzernen den Stecker ziehen.
Termin/Ort: Donnerstag den 20.11.2008, 19:00 Uhr. TU Braunschweig, Pockelstraße 11 (neben dem Naturhistorischen Museum

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