"Nichts ist gut in ..." Riddagshausen

Das Erbe der Braunschweiger Bürger soll verschenkt werden.

 Stiftskirche soll wahrscheinlich verschenkt werden. Zustimmung von kirchlichen Gremien fehlt noch.

Weitestgehend ist man sich einig bei den Entscheidungsträgern. Etwa zehn historisch wertvolle Objekte und auch Flächen sollen den Eigentümer wechseln - durch Schenkung. Verschenkt von der Stadt Braunschweig und der Landeskirche an die "Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz". Jahre hat man verhandelt, doch nun soll alles sehr schnell gehen. Warum eigentlich? Kann das jemand erklären?

 

Soll verschenkt werden (Torhaus mit Wohngebäude)

Der zustimmungspflichtige Rat soll schon in Kürze abstimmen. Die Eile ist mindestens verdächtig. Es soll wohl nicht so genau hingeguckt werden, sonst kommen nur hinderliche Fragen auf. Aber gerade diese Fragen wären interessant. Zum Beispiel diese: Warum machen wir keine Bürgerbefragung, wo den Bürgern doch ihr Kulturgut genommen werden soll, um es unter der Familie Borek mit einem Kuratoriumsmäntelchen verwalten und gestalten zu lassen? Aber man weiß schon wie man´s demokratisch macht - mit Druck, so wie mit allen Privatisierungen im Braunschweig der vergangenen Jahre, die inzwischen OB Hoffmann auf die Füße fallen.

Torhaus soll verschenkt werden

Ja, es ist eine Privatisierung, wenn die historisch wertvollen Objekte in Riddagshausen an die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz gehen. Wollen wir das, wir Büger, dass unsere Zeugnisse der Geschichte privatisiert werden? In den Verantwortungsbereich eines "Kuratoriums", das dem Bürger nicht rechenschaftspflichtig ist, in dem die Familie Borek über die Objekte bestimmt und unsere Kulturgüter damit zunehmend mit wenig Geld aber mit viel Einfluss entdemokratisiert werden.

Zisterziensermuseum soll verschenkt werden

Vicoria Luise marschiert im Geiste mit, und wer noch...?

Die Borekfamilie ist bis heute Anhängerin von Victoria Luise, der sie einst Obdach gaben und deren Erbe sie versucht zu pflegen. Erst vor wenigen Tagen sagte der Historiker Ernst August Roloff in der Abt Jerusalem Akademie:

"Wann und wo immer heute NPD oder andere Rechtsextremisten unter der kaiserlichen Reichskriegsflagge auftreten, marschieren Wilhelm II. und seine Tochter Victoria Luise im Geist in ihren Reihen mit.Vergesst das nicht, Mitbürgerinnen- und bürger Braunschweigs, wenn ihr im November den 100. Jahrestag des Einzuges des Welfenprinzen Ernst August von Hannover und der Hohenzollernprinzessin Victoria Luise feiert! " Hier finden Sie Roloffs Vortrag.

Die Mahnung von Herrn Roloff ist berechtigt. Wir Bürger und Bürgerinnen sollen nicht vergessen und wissen, dass die NPD nicht nur in Springerstiefeln oder auf Marktplätzen zu Anlässen auftaucht. Nein, auch im edlen Zwirn, zurückhaltend und unauffällig, aber wie eine Spinne im unsichtbaren Netz. Im Geiste marschieren diese mit in der NPD. Die Frage ist, wer öffnete dieser Frau und ihre Hochzeit diese Stadt, wer waren die kulturhistorischen Förderer dieser Rechtsradikalen in unserer Stadt in diesem Jahr. Hat unsere Stadt denn nichts dazugelernt? Marschieren die Victoria-Verehrer im Geiste auch noch mit?

"Jedermann weiß, dass mit der Kultur auch die Macht verbunden ist."

Leopold von Ranke (1795 - 1886), Berliner Historiker

Es geht um Einfluss auf die Stadtentwicklung und die Geschichtsschreibung - nicht nur in Riddagshausen. Ein Kuratorium soll über die neu eingebrachten denkmalgeschützen Liegenschaften und Grundstücke (z. B. Klostergärtnerei, die es im Grunde nur als Grundstück gibt) bestimmen. Hört sich demokratisch und kompetent an. Die Wahrheit ist, dass sich die Borek-Familie den entscheidenden Einfluss sichert, bevor OB Dr. Hoffmann in Pension geht. Aber den OB hat Borek nicht nötig, denn die SPD unter Manfred Pesditschek und Linke eilen im devoten Gehorsam voraus und wollen an einigen Details noch drehen. Sie erkennen nichts, sind blind für die Bedeutung von Eigentum, Geschichte und Macht.

Entsetzen erfasst einen, wenn sich die Familie Borek nun auch noch über das Kuratorium Einfluss auf die Stiftskirche sichert. Egal was in den Verträgen steht, die sind geduldig. Entscheidend ist das Eigentum und der Einfluss darauf. Sollte die Kirche auch so blind sein, dass sie die enge Beziehung von Eigentum, Geschichte und Macht nicht mehr erkennt? Mit Kultur ist doch Macht verbunden.

Die Geschicke der in Rede stehenden verschenkten Kulturgüter sollen durch ein Kuratorium gelenkt werden.

Der Einfluss der Familie Borek im Kuratorium wird direkt geltend gemacht durch

- die Bürgergemeinschaft Riddagshausen
- die Borek-Stiftung

indirekt durch
- die Stiftung Neuerkerode durch beachtliche Spenden und die

- die Kirchengemeinde Riddagshausen

Schlecht abschätzbar, aber mit Sicherheit nicht unbedeutend ist der Einfluss von Borek zukünftig auf die Stadt Braunschweig, die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und die Ev. Kirche. Weitere Abhängigkeiten auch über die Pachtverhältnisse liegen deutlich auf der Hand. Man nennt das "Stimmen der Abhängigkeit".

Kommunalpolitisch heißt das: Wer für diesen Plan stimmt, will das kulturhistorisch bedeutsame Eigentum der Braunschweiger Bürger schwächen und der Familie Borek Macht über den Stadtteil Riddagshausen und unser aller historisches Erbe einräumen. Das und nichts anderes steht zur Abstimmung im Rat an. Wer die Privatisierung unseres Erbes will und auch die verquanzte Deutungshoheit über unsere Geschichte durch die Familie Borek, der soll im Rat zustimmen. Nicht der immer wieder diskutierte Geldmangel ist das Entscheidende sondern unsere Kultur, und damit die Bügermacht. Wer die erhalten und fördern will, kann nur gegen die Änderungen der Eigentumsverhältnisse unserer Kulturgüter stimmen.

Es darf nicht sein, dass die Klosterkirche privatisiert wird. Auch sie ist unser aller Erbe. Wenn sie Geld benötigt zur Restaurierung, dann hat das die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz zu bezahlen, denn in diese Stiftung ist auch das Vermögen der Kirchen eingeflossen. Genau für diese Zweck.

Wie eng und kulturlos müssen die  SPD und die Linke sein, wenn sie an den Verträgen noch Details ändern wollen, aber im Grundsatz zustimmen. Liebe SPD und Linke, es geht hier nicht um Details in Pachtverträgen, es geht um unsere Kultur unsere Macht als Bürger und bei Privatisierung um die nicht legitimierte Macht eines reichen Bürgers, der mit billigen scheindemokratischen Tricks unser Erbe bestimmen will.

Dass es der Familie Borek nicht um unser tatsächliches historisches Erbe geht, hat sie in den letzten Jahren gezeigt: Eine dreiseitige Schlossfassade mit Einkaufszentrum dahinter, wird als Schloss und neue Mitte der Stadt angepriesen. Oder der Einfluss auf das Kulturjahr 2013 in dem der Borek-Freundin Victoria Luise besonders gedacht wird, weil sie 1913 einen hannoveraner Welfen geheiratet hat. Dieses "Jubeljahr" in unseren Mauern von Borek und dem Oberbürgermeister Dr. Hoffmann initiiert, ist das Besingen der schlimmsten und schwärzesten Jahre in der deutschen Geschichte. Und diesen Machtanspruch der Borekfamilie wollen die SPD und die Linke im Rat unterstützen?

Das Mindeste, was eine Bürgerschaft erwarten kann, wenn ihr Erbe verschenkt werden soll, ist eine Bürgerbefragung, denn schließlich handelt es sich um ihr Erbe.

Lesen Sie hier einen Leserbrief von Dr. Kerstin Lindner, den die BZ nicht veröffentlicht hat. Sie hat ihn dem B-S zugesandt:

Der Verkauf  historischer Gebäude in Riddagshausen

Befremdlich erscheint der Artikel vom Donnerstag, 5. September, indem die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz dem Leser vermittelt, dass in „Borekshausen“, wie der Volksmund Riddagshausen karikativ bezeichnet, Wohnhäuser und die Klosterkirche in den Privatbesitz der Stiftung übergehen, um den Erhalt des Gebäudekomplexes dauerhaft sicherzustellen. Nachvollziehbar ist, wenn ein Museum oder eine Mühle sich unter die Fittiche einer Stiftung begeben. Warum können Wohnhäuser nicht mit Auflagen privat veräußert werden? Sollte man den unter vorgehaltener Hand vermittelten Argumenten glauben, dass die Borek-Dynastie, stark vertreten in der Stiftung, weitere Kontrolle über den Stadtteil auszuüben anstrebt?

Höchst befremdlich ist der Artikel vom Folgetag, dem 6. September. Da soll eine Kirche in den privaten Stiftungsbesitz übergehen und die Stiftung erachtet es weder notwendig, Bischof  Weber noch irgendeinen weiteren Vertreter der Landeskirche in ihre Öffentlichkeitsarbeit einzubeziehen. Beim unbedarften Leser verbleibt ein Gefühl des Bedrängens der Kirche durch die Stiftung. Sollte die Stiftung ein ehrliches Anliegen verfolgen, den Komplex Klosterkirche zu erhalten, ist dies mit einem Dokument, das die Stiftung zum Erhalt des Gebäudes verpflichtet, getan. Warum drängt die Stiftung darauf, mit diesem Gotteshaus ihren Immobilienbesitz zu mehren?