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SPD: Frieren unter der wärmenden Decke der „Vollbeschäftigung“

 

Flaschensammler gehören seit über einem Jahrzehnt zum täglichen Bild in deutschen Städten. Die SPD-Spitze scheint die soziale Not der Betroffenen längst nicht mehr wahrzunehmen. Foto: Leeb/honorarfrei

Klaus Knodt zur „2. Mitgliederbefragung des SPD-Parteivorstands“

„Wir haben richtig Lust auf morgen. Gemeinsam erneuern wir jetzt unsere Partei. Bis 2020 wollen wir Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit liefern.“ So annonciert SPD-Generalsekretär Klingbeil die zweite Mitgliederbefragung des SPD-Vorstands an sein Parteivolk, die gerade begonnen hat.

Leider werden schon in den 4 Eingangsfragen einige Themen stark ausgegrenzt. Es geht um Umwelt, Genderei, Europa- und Weltpolitik, demokratische Teilhabe. Wer nichts zu den vorgegebenen Fragenblöcken äussern möchte, kommt kaum vor in der Multiple-Choice-Meinungsäusserungsarithmetik – unliebsame Antworten werden durch selektive Fragestellung behindert. Völlig ausgeblendet sind soziale Fragen derer, die die SPD einst groß gemacht haben.

Kaum angekommen zu sein scheint demnach in den Köpfen unserer sozialdemokratischen Eliten, dass unter der wärmenden Decke der nominell ausgerufenen "Vollbeschäftigung" Millionen Menschen in Deutschland frieren - weil sie sich von McJob zu McJob hangeln müssen, nichts für die Alterssicherung zurück legen können oder schlicht vom 1. Arbeitsmarkt abgehängt sind. Auch in der verblendend gefälschten Arbeitslosenstatistik, die Hartz-IV-er und "Massnahmeteilnehmer" nicht erfasst (ein nie korrigiertes Schröder-Erbe).

Viele Menschen treibt gerade die Angst um die Rente um - und sie wenden sich angewidert von einer heuchlerischen (SPD-)Politik ab, die ihnen kaltschnäuzig um die Ohren haut, "da müßt ihr halt selbst privat vorsorgen“. Wie soll man das mit 9,35 € Mindestlohn machen, der zudem überall löchrige Ausnahmen zulässt???

Fehlende Antworten zu dieser soziale Zukunftsangst, um deren Beantwortung sich die SPD feige herumdrückt, sind die Basis für eine Hinwendung zu radikalen Parteien Links wie Rechts und natürlich den latenten Fremdenhass. Wer selbst kaum noch etwas hat, hat Angst vor dem Teilen-müssen. Anstatt sich substantiell des sozialen Grundproblems anzunehmen, gebiert eine Berliner Luftschloss-SPD nur noch die Lösung "Pflaster drauf und zweimal Pusten". Aber das Volk ist intelligenter, als Berliner SprechblasenproduzentInnen glauben.

Mal konkret: Der hochgelobte Mindestlohn ist zu niedrig, um damit eine Rente über Sozialhilfeniveau zu erzielen. Die hochgelobte Mietpreisbremse hat auf voller Breite versagt. Nahezu alle Programme für Langzeitarbeitslose haben ausschliesslich die Taschen der (privaten) Weiterbildungsträger gefüllt, nicht aber die Zahl der Betroffenen minimiert. Das "Jobwunder" der letzten zehn Jahre wurde erkauft mit einer ruinösen Nullzinspolitik, die die Ersparnisse von Kleinsparern und Durchschnittslohnbeziehern immer wertloser gemacht hat; die Kapitaleigner dagegen absurd reicher, weil sie sich seit zehn Jahren zinsfrei Geld beschaffen können.

Andrea Nahles, Olaf Scholz und Katharina Barley haben sich zu diesen Themen nie eindeutig exponiert. Das Volk, der große Lümmel, impliziert: weil sie es nicht KÖNNEN. Das wird ihnen von der Basis angekreidet. War das nur Wegschauen um des persönlichen Machterhalts Willen, Unfähigkeit, oder - vielleicht noch schlimmer - schlichte Unkenntnis der Problemlage?

Bezeichnend für die Unfähigkeit der jetzigen Parteiführung, die Stimmung im Volk überhaupt noch zu erfassen, sind die Debatten der letzten Wochen: Da ging es um die "Kontrolle der Aussengrenzen", "Digitalisierung", "Handelskrieg mit den USA", "Einsatzfähigkeit der Bundeswehr", "Integration von Flüchtlingen". Das interessiert den Frührentner, Hartz-IV-er, Geringverdiener; die bis zum Erbrechen überdehnt beschworene Krankenschwester oder die "alleinstehende Mutter mit 2 Kindern" nicht die Bohne. Die alle wollen Antworten haben zum Bau massiv fehlender Sozialwohnungen, Infrastruktur in der Fläche, vernünftigen Kitas und Schulen, und was die Butter kostet (auch so ein SPD-Thema: die Mehrwertsteuer belastet einseitig Verbraucher mit geringen Einkommen; warum wird sie nicht gesenkt und die Vermögensteuer wieder eingeführt???).

Die SPD sollte ihr unseliges Koalitions-Gegurke sofort beenden, die komplette Führungsspitze in die (übrigens vollkommen unverdiente!) Rente schicken und 2 Jahre Luft holen zur Grundbesinnung darauf, was Sozialdemokratie mal bedeutet hat: Gerechtigkeit für Alle, Verankerung in der Mitte des Volkes und Solidarität mit den Schwachen statt mit Jenen, die am Lautesten in Talkshows quaken.

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