Der wahre und der echte Heino

Noch erfreulicher als die Tatsache, dass Braunschweig nun auch ein eigenes Monopoly hat, ist, dass das Stadtmarketing, das bisher nicht gerade durch Konzeptstärke (siehe hier) von sich Reden machte, aufmerksam auf Unser Braunschweig liest. Denn prompt wurde unsere „Anregung“ (siehe hier), eine Sonderedition in Auftrag zu geben in die Tat umgesetzt. Wie von uns erwartet grübelte man im Chateau Charlatane: „Wir haben uns sehr bemüht, alle für Braunschweig einschlägigen Straßen, Plätze und Gebäude aufzunehmen – das waren eine ganze Menge, und die Auswahl wahrlich keine einfache Entscheidung.“, sagt Susanne Novy vom Stadtmarketing.

Wir können uns vorstellen, mit wie viel Schweißperlen auf der Stirn das Problem Schlossallee behandelt wurde. Da hätten wir gerne mal Mäuschen gespielt! Aber das Ergebnis dieser Bemühungen entspricht doch letztendlich ganz unseren Erwartungen, sind sie doch über alle Fallschnüre, die natürlich nicht wir gespannt haben, gestolpert.

Nun ist es also amtlich: Die Burg Heinrichs, bzw. die Burg-Attrappe Ludwig Winters ist das wahre Schloss. Das ECE-Center ist nur ein Echtes Chateau d' Einkauf.

Leid tut es uns wahrlich um den Bohlweg, der erst keine Parkstraße, und dann nicht mal eine Schlossallee sein durfte. Ein echter und wahrer Verlierertyp. Ganz so wie der, der im wahren Leben diese Ereigniskarte zieht: „Lasse alle Deine Schlösser renovieren.“ Dann wünschte diese Person, weder eine wahre noch eine echte SchlossbesitzerIn zu sein.

Leserbrief zu "Korvette Braunschweig nach Probefahrt wieder zurück" (nicht abgedruckt)

Braunschweiger Zeitung vom 15.06.07, von Ernst Johann Zauner

Braunschweig ist Patenstadt für ein Kriegsschiff. Patenschaft meint, es soll „die enge Bindung an die Patenstadt dokumentiert werden“ (Zauner 15.6.07). Braunschweiger/innen sollen also Sympathie entwickeln für ein militärisches Gerät. Solche Meinungsmache ist angesichts der deutschen Geschichte mindestens problematisch. Die BZ sollte darüber aufklären für welche Art von Waffen hier um Sympathie von Braunschweiger/innen geworben wird.

Laut U. Cremer/D.S. Lutz: Die Bundeswehr in der neuen Weltordnung. Hamburg 2000. S. 129 ist eine Korvette mit Marschflugkörpern von 200 km Reichweite ausgerüstet um „Landziele“ beschießen zu können. Das Schiff hat eine Reichweite von 4000 km und kostet ohne Waffen € 190 Mio.. Wer darüber informiert ist, könnte fragen: „Was hat solch ein Schiff mit „Verteidigung“ zu tun? Sollte es im Namen der Braunschweiger/innen auf den Weltmeeren kreuzen und ggf. andere Länder beschießen?“

Informationen über Bewaffnung und Einsatzzweck erhalten BZ-Leser/Innen nicht. Stattdessen berichtet die BZ auf welchen städtischen Feiern die Korvette-Besatzung eingeladen, dass eine 12 Quadratmeter große „Braunschweig-Flagge“ gehisst wurde, dass ein Beiboot auf den Namen „Eintracht“ getauft werden soll und dass die Besatzung so gastfreundlich war, Studenten aus unserer Stadt einzuladen.

Ich als Braunschweiger möchte nicht, dass ein Kriegsschiff mit Angriffswaffen mit dem Namen meiner Stadt weltweit vor den Küsten anderer Länder kreuzt.

Joachim Kleppe 17.06.07

Ein Himmelskonzert als Kammerspiel

- Zur Aufführung von Stockhausens Helikopter Streichquartett in Braunschweig

Die Ankündigung
Ein Konzert der technischen Superlative: "Vier Helikopter plus Piloten und Tontechnikern, vier Kameras mit vier Sendern in den den Helikoptern und Bodenpersonal, ein Streichquartett, ein Auditorium mit vier Fernsehwänden und vier Lautsprechersäulen und ein Klangregisseur mit Mischpult garantieren ein einzigartiges Klangerlebnis." So die reißerische Ankündigung der Veranstalter. Und das alles "vor der imposanten Kulisse des Flughafens Braunschweig-Wolfsburg." Dazu die Betonung der Schwierigkeiten, die es kostet, die 4 Streicher zu synchronisieren und die Musik aus den Helikoptern hin zum Mischpult zu senden. So eine Ankündigung erinnert fatal an eine Außenwette von "Wetten-Das". Entsprechend groß meine Befürchtungen im Vorfeld, nichts als ein Spektakel geboten zu bekommen, bei dem die Meisterung technischer Probleme im Vordergrund stehen würde, die dann zu allem überfluß auch noch zu avantgardistischer Verknüpfung von Mensch, Maschine und Musik hochstilisiert würde.

Das Konzert

Nach einer Einführung von Musikdirektor Weller zum Verhältnis von Mensch zu Maschine werden die 4 Streicher vorgestellt, die kurz darauf zu den im Vorfeld stehenden Helikoptern gehen. Bald nach dem Start der Hubschrauber wird die Tür des Hangars

Weiterlesen: Ein Himmelskonzert als Kammerspiel

Helikopter Streichquartett - einige szenische Eindrücke

Musikdirektor Weller verschmolz die Sphären von musikalischem Klang und technischem Geräusch vorab in einem einleitenden Vortrag zum Atmosphärischen

und trug vor, was für ihn die Quintessenz des Streichquartettes in der tonalen Auseinandersetzung der Musikinstrumente mit den Hubschrauberrotoren ausmacht. Er griff zu einem szenischen, bildlichen Beispiel. Auf dem Hasenfries des Kaiserdoms von Königslutter fesseln zwei Hasen ihren Jäger: die Technik, mit der wir, die Jäger, die Welt beherrschen wollen, überwältigt uns und macht uns selbst zu Gejagten der Technik.

Weiterlesen: Helikopter Streichquartett - einige szenische Eindrücke

Darf Stadt Bein zeigen?

Grüne und Gleichstellungsbeauftragte sind offenbar der Meinung, Frauen würden durch diese Abbildung von Frauenbeinen herabgewürdigt, denn: "die Frauenbeine stehen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Produkt, für das es wirbt" - so die Aussage. Das Produkt, für das geworben wird, ist die "Einkaufsmöglichkeit" in Braunschweig - d. h. die Möglichkeit, die Braunschweig nackten Frauenbeinen bietet, mittels überlassung eines kleineren oder größeren Geldbetrages ein kleineres oder größeres Stück Textil zu erwerben, mit dessen Hilfe man den Körper bzw. das Körperteil vom Zustand der Nacktheit in den der Verhülltheit versetzen kann. Ich denke, es kann ein legitimes Ansinnen von Frauen sein, die von nackten Beinen getragen werden, diese auf die eine oder andere Weise teilweise oder ganz zu verhüllen und ich denke, das Versprechen, dass Braunschweig die Möglichkeit bietet, ein solches Ansinnen in die Wirklichkeit zu überführen, ist folgerichtig und sachgerecht ins Bild gesetzt worden. (Deswegen muss man das Bild ja nicht unbedingt mögen.)

Ralf Ehlers schreibt und meint nun, dass es bei der Reaktion der Grünen um "Aufrechterhaltung überkommener Herrschaftsverhältnisse von Frauen über Männer" geht - wenn ich das richtig verstehe.

----------------------------------------------------------------------

Wie auch immer: ich möchte nicht in einer Republik leben, in der es Frauen verboten ist, in der Öffentlichkeit "Bein zu zeigen", wenn sie es denn möchten. Kann doch ein nacktes Gesicht eine viel eroterische und "anziehendere" Wirkung haben als ein nacktes Bein. Dennoch (vielleicht auch deshalb) möchte ich auch nicht in einer Republik wohnen, in der es Frauen verboten ist, in der Öffentlichkeit "Gesicht zu zeigen". Ein Gesicht kann solche Wirkung durch Verstärkung der Physiognomik (z. B. Lippenstift) und Mimik unwillkürlich oder willkürlich kontrolliert hervorrufen, wie Beine das durch Stellung, Bewegung und Bekleidung ebenfalls unwillkürlich oder willkürlich kontrolliert können. - Schlimm?

Im Anschluss einige nackte Beine, die Rubens ins Bild gesetzt hat. Gegenüber den Beinen in der Braunschweiger Werbung zeigen sie sich insofern depraviert, wie ihnen kein kleidsames Textil zur Hand liegt, das es ihnen erlauben würde, ihren Körper vom Zustand der Nacktheit in den Zustand der Verhülltheit zu überführen.

Weiterlesen: Darf Stadt Bein zeigen?

Die Braunschweiger Zeitung und ihr "Schloss" oder die Verschiebung von Wahrheit (Teil 35)

Die Braunschweiger Zeitung zitierte gestern, am 2. Juni, Pressestimmen zum „Braunschweiger Schloss". Vorab wird der Tenor der Berichte zusammengefaßt: "Kunst- und Architekturzeitungen äußern sich kritisch, andere begeistert."

Aus Kunst- und Architekturzeitungen wird dann aber rein gar nichts zitiert, die genannten "Anderen" äußern sich zwar durchaus nicht nur begeistert – zitiert wird aber nichts wirklich Kritisches. Wenn denn aber schon ein kritischer Artikel zitiert wird, dann so, dass an der Kritik möglichst vorbei zitiert wird: niedere Demagogie paart sich mit höherer.

Weiterlesen: Die Braunschweiger Zeitung und ihr "Schloss" oder die Verschiebung von Wahrheit (Teil 35)

Schloss-Attrappen - nur ein Vorspiel zur Vertreibung der Farbe aus dem Stadtbild?

In der Juni-Ausgabe des populären Kunstmagazins „Art“ wurde auch aus dieser berufenen Quelle - anbei eine Collage aus Bruchstücken; eine ausführliche Wiedergabe würde einen Bruch des Copyrights bedeuten - ein Urteil abgegeben über die Braunschweiger „Schloss-Arkaden“: Was die Braunschweiger damit „bekommen haben, ist keine Rekonstruktion, sondern eine Attrappe“ heißt es, und:


„Hier handelt es sich schlicht um eine Mogelpackung“ - so das Fazit von „Art“ über die prätentiöse Prachtentfaltung des Braunschweiger Potentaten.

Dabei hatte es an gutem Rat durchaus nicht gefehlt.


So verwies im Juli 2003, als es noch nicht zu spät war, Professor Jürgen Weber in einem Extrablatt auf die „bizarre“ Vermischung von Klassizismus und Kommerz: „Die klassizistische Fassade hat keinerlei Identität mit der Kaufhaus-Architektur. Wo früher Festbälle abgehalten wurden, sollen jetzt Socken verkauft werden ... Eine Kulturschande und ein Schlag ins Gesicht des Klassizismus ... Wir machen uns damit unsterblich lächerlich.“ - mahnte Weber, aber vergeblich: die Spitze der Braunschweiger Verwaltung erwies sich als bemerkenswert beratungsresistent und immun gegen die Stimme der Vernunft.

Postkarte, erhältlich bei guten Adressen.

Weiterlesen: Schloss-Attrappen - nur ein Vorspiel zur Vertreibung der Farbe aus dem Stadtbild?

Der Braunschweiger Flughafen und die Kunst

In Braunschweig wird um die beabsichtigte Verlängerung der Startbahn des dortigen Flughafens gestritten und geklagt. Ein belastbarer und vor allem der Bevölkerung verständlicher Nachweis für den Bedarf einer Verlängerung konnte oder wollte bisher aber niemand erbringen. Vielleicht gelingt es nun der Kunst, den Braunschweigern bisher nicht gekannte Dimensionen des bisher unverstandenen Ausbaubegehrens ins Bewusstsein zu rücken.Dazu soll am 17. Juni 2007 (hatte dieser Tag nicht einmal eine ganz andere Bedeutung?) die deutsche Erstaufführung des Helikopter-Streichquartetts von Karlheinz Stockhausen auf dem Flughafen Braunschweig stattfinden. Dabei erhebt sich ein Streichquartett mit vier Helikoptern in die Lüfte - pro Streicher ein Helikopter. Dieses Musikerlebnis vermischt ohrenbetäubenden Maschinenlärm mit der Musik der in den Helikoptern eingesperrten Streicher. Das staunende Publikum hört und sieht dann in einer Flugzeughalle vor Lautsprechern und Fernsehschirmen mittels Telekommunikation jeden der vier Musiker in Nahaufnahme. Und das ganze dann gleich drei Mal, nämlich um 15, 17 und um 19 Uhr.

Weiterlesen: Der Braunschweiger Flughafen und die Kunst

... ein Fluch auf diesem Schloss? ...

"... Wir schreiben das Jahr 2010. Nachforschungen der Spezialisten der Braunschweiger Feuerwehr ergaben, dass das neueste Kombimodell mit Grillplatte und Doppelfritteuse in der Reihe Snack-Line, das in den Prüfanstalten noch mit Lob überschüttet worden war, der Auslöser gewesen sein soll. Es war schon weit nach Mitternacht, als bei Nordsee urplötzlich Stichflammen emporstiegen. Heißes Fett hatte sich entzündet und nicht nur zu großer Hitze, sondern auch zu Verpuffungen geführt. Die Flammen fanden schnell Nahrung in den braunen Kunstledersesseln von Gelato Tiziano, dem Römer hinter den Säulen des Mittelrisalits. Zum großen Unglück war dann in kürzester Zeit - nachdem sich die Flammen durch die Schuhkarton-Stapel von Humanic Kids gefressen hatten - das Dach erreicht. Und es blieb zum Entsetzen der Braunschweiger Bürger, die in dieser Nacht erneut zu ihrem Schloss strömten, nicht aus, dass ein weiteres Mal die neu gegossene Quadriga mit der "Brunonia" hinabstürzte, diesmal im freien Fall am Food Corner "Ballsaal" vorbei erst ins Pimkie, dann durchschlug sie Hennes & Mauritz und traf schließlich bei Haase Schreiben und Schenken auf. Der Quadriga-Sturz bleibt unfassbar, da die wenige Minuten nach dem Alarm anrückende Feuerwehr nicht nur mit Drehleitern operierte, sondern sich mit Geschick von hinten dem freien Parkdeck auf dem Schlossdach näherte und daher ihren Angriff auf den Brandherd in ganzer Breite sogar mit Wasserkanonen steuern konnte. Vergebens. Die Bronze ist erneut geschmolzen - und der Magnet im Basement schwimmt im Löschwasser. Adolf Steinwedels Vermutung scheint sich zu bewahrheiten: Es liegt ein Fluch auf diesem Schloss."

aus: Bauwelt 18/2007, S. 18.

Nicht nur Kulissen - Architektur in Braunschweig

In der Neuen Zürcher Zeitung widmet sich am heutigen Tage Jürgen Tietz der Stadt Braunschweig (Die Artikel der NZZ sind in der Regel nur einen Tag über das Internet abrufbar). Wie gewohnt in diesen Zeiten mit einem Blick auf die Schloss-Arkaden: "Willkommen in überall" - und wie gewohnt auch das Urteil: "Das architektonische Ergebnis ist enttäuschend. ..."

Mit einer Stimme Mehrheit fiel die Entscheidung für eine Rekonstruktion des Schlosses. Nun also ist es mit rund 600 alten Bausteinen zurückgekehrt, die bei dem Abriss geborgen worden waren. Dem stehen 8200 neu gefertigte Elemente gegenüber. Und obwohl die Presseerklärung der ECE stolz darauf verweist, dass am Schloss Handwerker mitgearbeitet hätten, die schon an der Dresdner Frauenkirche beschäftigt waren, verströmt der auf alt getrimmte Neubau bestenfalls den Charme einer Klötzchenarchitektur aus dem Steinbaukasten. In engen Abständen gesetzte Öffnungen für die Hinterlüftung der Fassade lassen das Schloss wie perforiert wirken. Das Ergebnis ist ein architektonisches Abreissbildchen, ein baugeschichtliches Pin-up, das für den Fortgang der Rekonstruktionswelle in Deutschland nichts Gutes erwarten lässt. Was einst als Residenz ausreichte, das genügt der ECE als Shopping-Mall bei weitem nicht. Und so hat der neue Einkaufstempel auch den einstigen Garten mit verschlungen, der das Schloss früher seitlich flankierte. Mit Glas und Beton, ein bisschen grün, ein bisschen kupferfarben, bietet der Neubau eine auf edel getrimmte Durchschnittsarchitektur. Mit ihrer vertikalen Strukturierung bemüht sie sich darum, die gewaltigen Abmessungen für die rund 30 000 Quadratmeter Verkaufsfläche auf ein erträgliches Mass herunterzuzoomen. Doch spätestens mit der Seitenansicht des Parkhauses endete alles architektonische Bemühen. Da spendet nur noch eine Fassadenbegrünung Trost - doch bis die sich gnädig über die nackten Wände ausbreitet, wird noch einige Zeit vergehen.

Aber ganz ungewohnt in diesen Zeiten, auch eine Ehrenrettung der Stadt in der NZZ. Denn, Architekt sei Dank: es gibt mehr in Braunschweig als nur die Schloss-Arkaden, anderen Umgang auch mit baulicher Vergangenheit. Tietz wirft einen Blick auf die ebenfalls gerade fertig gestellte Jakob Kemenate:

Die etwas versteckt am Eiermarkt gelegene Kriegsruine haben die Architekten Rainer Ottinger und Thomas Möhlendick zusammen mit dem Kieler Künstler Jörg Plickat wiederbelebt. Eine neue Fassade mit einer Verkleidung aus rostrotem Cortenstahl sowie ein Zwischenteil aus Stahl und Glas ergänzen nun das historische Mauerwerk und das alte Gebälk. Hier schreit nichts «Kauf mich! Jetzt!». Stattdessen beginnt die Architektur mit ihrer spannungsvollen Komposition und Materialsinnlichkeit harmonisch zu klingen, kraftvoll, aber nicht lärmend. Und so wird die Jacobs-Kemenate ganz im Gegensatz zur Beliebigkeit der Schlossarkaden zu einem regionalen Architekturerlebnis von überregionaler Qualität.

Gönnen auch wir uns hier einige Blicke auf die Jakob-Kemente:


alt

Weiterlesen: Nicht nur Kulissen - Architektur in Braunschweig