Monarchie und Moderne. Überlegungen zum Braunschweiger „Projekt 1913“.
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- Veröffentlicht: Dienstag, 25. Dezember 2012 22:19
- Geschrieben von Ingeborg Gerlach
Einen flotten „Stabreim“ haben sich die für das 1913 – Projekt Verantwortlichen einfallen lassen, der an einen Werbespruch erinnert. Dem Leser soll suggeriert werden, das Jahr 1913 sei beides gewesen: noch in der Tradition stehend, aber doch schon dem Neuen zugewandt. Dass das Wortpaar keinen echten Gegensatz beinhaltet, haben Kritiker jedoch schon bald herausgefunden. Die vordemokratische Herrschaftsform ist aktueller, als uns lieb sein kann. Gab nicht der OB Hoffmann zu Protokoll, mehr als die famose Victoria Luise interessiere ihn die „Regentschaft“ ihres welfischen Gemahls? Nun hat dieser kaum eigenständige Akzente gesetzt, aber er übernahm die Herrschaftsform, die bisher in dem höchst überschaubaren Land üblich war. Der Monarch stand an der Spitze einer kleinen Elite; die Mitbestimmung des Volkes war dagegen durch ein antiquiertes Wahlrecht auf ein Minimum beschränkt. Man konnte ´durchregieren´.
Und hier liegt die Aktualität dieser Herrschaftsform in unseren Zeiten, denen man das Etikett „postdemokratisch“ verliehen hat. Zwar haben wir ein demokratisches Wahlrecht, aber die Parteien sind weitgehend Lobby-Organisationen geworden. Die eigentlichen Entscheidungen fallen nicht mehr im Parlament, sondern in Gremien, die zu diesem Zweck berufen werden, oder sonst hinter verschlossenen Türen. Ob Brüssel, Berlin oder Braunschweig - Transparenz ist nirgends angesagt.
´Modern´ sind sie freilich, die neuen Regenten. Sie lieben Großprojekte, die mit Vorliebe ohne Bürgerbeteiligung beschlossen werden. Wenn dabei Natur unwiderruflich zerstört wird – das mag im Querumer Wald sein oder im Stuttgarter Schlossgarten oder in den Schluchten des Jang-tse-Flusses - : die Regenten demonstrieren Durchsetzungsfähigkeit.
Diese strukturelle Verwandtschaft zwischen vordemokratischen und postdemokratischen Verhältnissen mag unsere Obrigkeit bewogen haben, der Stadt ein Victoria-Luise-Jahr zu verordnen. Zum einen, um dem Volk vor Augen zu führen, dass eine solche „Regentschaft“ eine ehrwürdige Tradition besitzt. Und zum anderen in der Hoffnung, dass ein wenig vom monarchischen Glanz der damaligen Zeit auf ihr tristes Bürokratendasein falle.