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Fritz Bauer-Ehrungen: Erinnerungen an Fritz Bauer

In der Fachzeitschrift "Strafverteidiger" (StV) 7/93 veröffentlicht Prof. Herbert Jäger aus Frankfurt/M. den Aufsatz: "Erinnerung an Fritz Bauer" aus Anlass des 90. Geburtstages. Bemerkenswert ist u.a. die Feststellung, dass diese "herausragende Ausnahmegestalt in der nachkriegsdeutschen Strafrechtslandschaft" in der "Öffentlichkeit fast vergessen" und selbst in der "Fachwelt... kaum noch bekannt ist".

Überlegungen über mögliche Ursachen des Vergessens von Fritz Bauer

 

Es ist schon die Frage, wie ein solches Vergessen von Fritz Bauer möglich war. Das heißt, dass im Grunde ein solcher starker Impuls für Gerechtigkeit, Demokratie und Menschenrechte einfach untergehen konnte...

Vielleicht mag es zwei Ursachen dafür geben:

- Die Gegner:

Zum einen gab es seine Gegner, seine Feinde, NS-Täter und unwillige Juristen, die erleichtert waren, als Fritz Bauer gestorben war. Deutlich wird das u.a. am Verlauf der Ermittlungen zu den Aktionen der NS-Euthanasie, die nach seinem Tod stillschweigend eingestellt wurden. NS- "Euthanasie" vor Gericht.

  Die Freunde:

Aber allein die Gegner reichen nicht aus, dass eine Erinnerung verloren geht. Wenn die Freunde und Unterstützer seiner Ideen sich nicht darum bemühen, wird es wirklich problematisch. Und das liegt bei Fritz Bauer wohl vor: Weder die SPD, noch Juristen oder Historiker haben sich wesentlich um das Gedenken bemüht.

Vielleicht haben sie die Bedeutung von Fritz Bauer auch nicht recht wahrgenommen. Ein sichtbares Beispiel scheint hier Professor Dr. Herbert Jäger sein, der die Ideen von Bauer in seinem Aufsatz "Erinnerung an Fritz Bauer" von 1993 als nicht mehr zeitgemäß beschrieben hat. Aber immerhin sei er doch ein ungewöhnlicher Mensch und Humanist gewesen.

Es ist schon bemerkenswert und fast tragisch, dass er das Außergewöhnliche und die Intensität von Bauers Ideen nicht wahrgenommen hat. Bauer war für ihn einfach ein guter Mensch und Humanist. Das Besondere an ihm erkannte er nicht.

Dazu möchte ich einen Vergleich aus der Musik heranziehen. Wenn man einige Töne aus einem Stück von Mozart, Beethoven oder Wagner hört, erkennt man meist schon gleich das Besondere und Außergewöhnliche dieser Komponisten. - Bei Fritz Bauer mag es einem ähnlich gehen. Man braucht nur zwei oder drei Sätze aus seinen Büchern, Aufsätzen oder Vorträgen zu lesen, dann spürt man, dass sich hier ein ungewöhnlicher Geist ausdrückt.

Für manche sind aber Mozart, Beethoven oder Wagner eine Art Hausmusik, wie sie es von beliebig vielen Komponisten her kennen. Sie merken fast nicht den Unterschied. So mag es auch Herbert Jäger mit Fritz Bauer gegangen sein, wenn er folgendes schreibt:

"Der Zeitablauf hat es deutlich gemacht: Die Wirkung Bauers war an seine Person gebunden. Ein Wissenschaftler war er nicht. Seine Schriften vermögen kaum noch einen Eindruck von seiner Persönlichkeit zu vermitteln. Die Bücher, zahlreiche Aufsätze (...) Vorträge (...) sind von nur zeitgebundener Bedeutung, sein Hauptwerk 'Das Verbrechen und die Gesellschaft' (1957) (...) ist mit seinem Empirismus heute wissenschaftlich überholt. (...) Wer von seiner Menschlichkeit eine Vorstellung gewinnen möchte, bleibt auf weniges angewiesen. Sein Beitrag 'Im Kampf um des Menschen Rechte' aus dem Jahr 1955, der wohl persönlichste Text, den es von ihm gibt und in dem man ihm am unmittelbarsten begegnet, gehört für mein Empfinden auch heute noch zum Bewegendsten, was er geschrieben hat." (Jäger, 1993)

 Das Besondere an Bauer und seinen Ideen spürte Herbert Jäger gar nicht. Er schätzte ihn zwar als Mensch, aber mehr nicht. Da Jäger aber auch einen erheblichen Einfluss darauf gehabt hat, ob weitere Schriften von Bauer verlegt werden oder eventuell sogar eine Gesamtausgabe seiner Schriften erscheint, liegt mit dieser Fehleinschätzung  eine besondere Tragik vor. Sicher war diese Schrift von Jäger auch ein Beitrag dazu, dass Bauer vergessen wurde.

Auf die Biographin von Fritz Bauer, Irmtrud Wojak, wirkte diese negative Einschätzung von Jäger sehr ernüchternd. Als sie mit dem Schreiben der Biographie begann, war sie durch den Text von Jäger sehr verunsichert. Sie zitiert den obigen Teil aus dem Aufsatz von Herbert Jäger und fügt dann an:

"War unter diesen Voraussetzungen überhaupt an eine Biographie Fritz Bauers zu denken, woher das Material nehmen? Würde der Jurist überhaupt als die historische Persönlichkeit, die er ohne Zweifel war, erkennbar werden? War sein Denken tatsächlich bereits überholt?"

(Wojak, 2009, S.23f)

 

Vielleicht ist wieder ein neuer Zugang erforderlich, um das Ungewöhnliche, das Aktuelle und Zukünftige von Bauers Ideen und seinem Handeln zu verstehen... und um die Hartnäckigkeit und seinen entschiedenen Einsatz für Gerechtigkeit, Demokratie und Menschenrechte zu würdigen.

Die Ideen Bauers sind eben nicht nur Hausmusik. Es wäre schön, wenn gerade auch diejenigen, die Bauer positiv gegenüberstehen und schätzen, dies auch wahrnehmen würden.

Oben ist dazu der Text von Herbert Jäger "Erinnerung an Fritz Bauer" von 1993. Es ist eine nette, aber im Grunde entmutigende Rede, die wenig von dem Feuer hat, die von den Schriften und Vorträgen Fritz Bauers ausgeht.

 


Kommentare   
 
0 #3 Frieder Schöbel 2012-09-03 21:34
Lieber Friedensreich Breuer,

das Geld ist bereits vorhanden! Es klemmt nur bei den Verantwortliche n im Landgericht, die eine ewige Zeit brauchen, um sich "im Hause abzustimmen"!

 
 
0 #2 Friedensreich Breuer 2012-09-03 13:18
Warum gehen das Friedenszentrum oder die Fritz Bauer Freunde nicht für die Gedenktafel sammeln, oder lassen in den eigenen Reihen eine Spendenbüchse herumgehen, um vielleicht einen Teilbetrag selber dafür zu sammeln, wenn es denn so wichtig ist. Man sollte nicht ständig bei allem, was man fordert, nach dem Staat schreien. Vielleicht gibt es ja auch betuchte Bürger in dieser Stadt, die diese Gedenktafel gerne stiften würden?

 
 
0 #1 Frieder Schoebel 2012-09-03 00:11
Seit vielen Jahren fordert das Friedenszentrum am Haupteingang des Landgerichts eine Gedenktafel zu den Verbrechen der NS-Richter in diesem Haus, auf der nun auch der Name Fritz Bauers erwähnt werden soll. Der Textvorschlag:
IN DIESEM GEBÄUDE TAGTE VON 1933 BIS 1945
DAS NATIONALSOZIALI STISCHE 'SONDERGERICHT BRAUNSCHWEIG'.
SEINE RICHTER VERSAHEN DAS UNRECHT MIT DEM SCHEIN DES RECHTS,
UM POLITISCHE GEGNER UND MINDERHEITEN
BRUTAL ZU UNTERDRÜCKEN UND IN VIELEN FÄLLEN ZU ERMORDEN.
DAS SONDERGERICHT FÄLLTE 92 TODESURTEILE.
NACH DEM KRIEG ARBEITETE HIER STAATSANWALT FRITZ BAUER FÜR AUFKLÄRUNG UND SÜHNE DER VERBRECHEN.Kommentare   
 
0 #3 Frieder Schöbel 2012-09-03 21:34
Lieber Friedensreich Breuer,

das Geld ist bereits vorhanden! Es klemmt nur bei den Verantwortliche n im Landgericht, die eine ewige Zeit brauchen, um sich "im Hause abzustimmen"!

 
 
0 #2 Friedensreich Breuer 2012-09-03 13:18
Warum gehen das Friedenszentrum oder die Fritz Bauer Freunde nicht für die Gedenktafel sammeln, oder lassen in den eigenen Reihen eine Spendenbüchse herumgehen, um vielleicht einen Teilbetrag selber dafür zu sammeln, wenn es denn so wichtig ist. Man sollte nicht ständig bei allem, was man fordert, nach dem Staat schreien. Vielleicht gibt es ja auch betuchte Bürger in dieser Stadt, die diese Gedenktafel gerne stiften würden?

 
 
0 #1 Frieder Schoebel 2012-09-03 00:11
Seit vielen Jahren fordert das Friedenszentrum am Haupteingang des Landgerichts eine Gedenktafel zu den Verbrechen der NS-Richter in diesem Haus, auf der nun auch der Name Fritz Bauers erwähnt werden soll. Der Textvorschlag:
IN DIESEM GEBÄUDE TAGTE VON 1933 BIS 1945
DAS NATIONALSOZIALI STISCHE 'SONDERGERICHT BRAUNSCHWEIG'.
SEINE RICHTER VERSAHEN DAS UNRECHT MIT DEM SCHEIN DES RECHTS,
UM POLITISCHE GEGNER UND MINDERHEITEN
BRUTAL ZU UNTERDRÜCKEN UND IN VIELEN FÄLLEN ZU ERMORDEN.
DAS SONDERGERICHT FÄLLTE 92 TODESURTEILE.
NACH DEM KRIEG ARBEITETE HIER STAATSANWALT FRITZ BAUER FÜR AUFKLÄRUNG UND SÜHNE DER VERBRECHEN.
 
 

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