Offener Brief der GRÜNEN Ratsfraktion: Bild "Brennendes Braunschweig"

Offener Brief der GRÜNEN Ratsfraktion vom 08.02.2012 an den Direktor der Braunschweigischen Landessparkasse (BLSK) Carsten Ueberschär

Betreff: Präsentation des Bildes "Brennendes Braunschweig" von NS-Maler Walther Hoeck in der BLSK-Hauptniederlassung Dankwardstraße

"Sehr geehrter Herr Ueberschär,

die Kontroverse um das in der Hauptniederlassung Dankwardstraße gezeigte Bild "Brennendes Braunschweig" des NS-Malers Walther Hoeck beschäftigt auch unsere Ratsfraktion. Die Haltung und der Umgang der Braunschweigischen Landessparkasse (BLSK) mit dieser Thematik stoßen bei uns auf Unbehagen und Verwunderung. Ein Bild mit einer solchen Geschichte unzureichend kommentiert in einem öffentlichen Raum auszustellen, zeugt unseres Erachtens von scheinbarer oder tatsächlicher Unkenntnis sowie mangelnder Sensibilität. Daher haben wir Verständnis für die berechtigte Kritik des "Bündnisses gegen Rechts" vom 1. Februar 2012. Das Vorgehen der BLSK musste zwangsläufig eine öffentliche Diskussion über den angemessenen Umgang mit NS-Kunst und NS-Künstlern in Braunschweig (inklusive der Forderung, das Bild wieder abzuhängen) auslösen.

Mittlerweile wird in der seit langem mit unterschiedlicher Intensität geführten Debatte über "Giftschrank versus Ausstellung" überwiegend kein generelles Tabuisieren von NS-Kunst mehr gefordert. Hauptargument dafür: Dies könne zu einer unerwünschten Mystifizierung der entsprechenden Kunstwerke und zu einem Märtyrerstatus für die betroffenen Akteure führen. Grundbedingungen für den Umgang mit Werken aus der Zeit des Nationalsozialismus sind jedoch die kritische Aufarbeitung der Begleitumstände ihres Entstehens sowie ihre fachgerechte Kontextualisierung. Die wenigen Angaben, welche die BLSK zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu dem genannten Bild bereitstellt, reichen unserer Ansicht nach bei weitem nicht aus, um dies zu gewährleisten.

Daher bitten wir die BLSK nachdrücklich, zum einen die Figur des Malers Walther Hoeck in ihrer gesamten Verstrickung in die künstlerische Propaganda wie auch die politischen Organisationen des Nazi-Regimes kritisch zu beleuchten. Dies würde nicht nur die Einbeziehung des zeithistorischen Kontexts sicherstellen, sondern auch den Eindruck vermeiden helfen, es könne sich um eine nachträgliche Ehrung des genannten Künstlers handeln. Wir halten es für unumgänglich, das Bild und seinen historischen Hintergrund - die Bombardierung Braunschweigs im Oktober 1944 als Folge des von Hitler-Deutschland entfachten Zweiten Weltkriegs mit all seinen monströsen Begleiterscheinungen (Auschwitz!) - aufzuarbeiten, um der Gefahr der Entstehung eines möglichen "Opfermythos" vorzubeugen.

Dies sollte in Zusammenarbeit mit ausgewiesenen Fachleuten passieren, z. B. aus den Reihen des Historischen Seminars der Technischen Universität, des Georg-Eckert-Instituts für Internationale Schulbuchforschung und/oder des Arbeitskreises Andere Geschichte. Bearbeitet werden sollten dabei unserer Meinung nach auch die Geschichte des Bildes "Brennendes Braunschweig" nach 1945 (z. B. die Gründe für das Abhängen in den 1970er Jahren) sowie der Aspekt der Instrumentalisierung des Bombenkriegs der Alliierten in der Ideologie der heutigen Neonazis.

In der Braunschweiger Zeitung vom 3. Februar 2012 wurde ja über den Pressesprecher der BLSK (Lutz Tantow) mitgeteilt, dass eine öffentliche Diskussion über das Bild und seinen historischen Kontext sehr erwünscht sei. Wir würden uns freuen, wenn Sie die öffentliche Kritik des "Bündnisses gegen Rechts" und auch unser Schreiben zum Anlass nehmen würden, diese Diskussion tatsächlich intensiv zu führen und als aktiven Prozess zur Erarbeitung einer Kontextualisierung des Bildes oder alternativer Möglichkeiten (wenn ersteres im Rahmen der BLSK nicht möglich sein sollte) zu gestalten.

 

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Stahl 

(Mitglied im Ausschuss für Kultur und Wissenschaft des Rates der Stadt Braunschweig)"