Die Verantwortung der Presse für die Berichterstattung der Demos bei G 20 Treffen in Hamburg
- Details
- Veröffentlicht: Mittwoch, 26. Juli 2017 11:04
- Geschrieben von Dietrich Kuessner
Zweimal hat die Braunschweiger Zeitung zu den Vorgängen in Hamburg in Leitartikeln Stellung bezogen: am 8. Juli der stellvertretende Chefredakteur Thomas Roth unter der Überschrift „Gewalt-Touristen in Hamburg“ und ein Woche später wieder in der Samstagausgabe der Chefredakteur Armin Maus unter der Überschrift „Brandstifter verhindern den Wandel.“ Die jeweilige Zusammenfassung ist in hervorgehobenem Schwarz neben den Köpfen zu lesen: Bei Roth: „Es ist wichtig, sie als das zu bezeichnen, was sie sind: Gewalttäter, Verbrecher, Asoziale ohne Respekt vor Menschen und vor fremdem Eigentum“. Im Artikel erfährt man näherhin, wer diese „ Verbrecher“ sínd, nämlich „viele Linke und auch Linksextreme“, weiter unten: „Gewalt-Touristen. Verblendete“.
In einem Halbsatz erwähnt Roth, dass es auch ganz anders in Hamburg aussah: „Viele friedliche Demonstranten sind nach Hamburg gereist“, berichtet Roth, um in der Fortsetzung desselben Satzes den Eindruck von „friedlich“ sofort zu eliminieren: „..aber auch tausend Chaoten.“ Da nennt Roth eine Zahl, er unterlässt die Zahl der friedlichen Demonstranten vom Sonnabend zu erwähnen: 50.000 bis 80.000 , die vom Hauptbahnhof über die Mönckeberg zum Rathaus zogen. Aber das gibt für diese Sorte von Presse nichts her. Frieden ist eben langweilig, abgefackelte Autos – so was gilt als spannend.
Es gab viele andere phantasievolle Demos in Hamburg an der Alster und anderswo, morgens und abends. Bar jeder journalistischen Verantwortung schiebt Roth diese beiseite und beschäftigt sich mit der gewalttätigen Minderheit. Ihn interessiert die Markierung als „Verbrecher“. Er schließt sie aus der zivilisierten Gesellschaft aus, er vermeidet das Nachdenken, dass diese Minderheit Teil unserer Gesellschaft ist, ein Erzeugnis unserer Gesellschaft. In welchem geistigen Raum bewegt sich Roth?
Eine Woche später der Chefredakteur persönlich und neben seinem Kopf die Hauptsache:: „Eine kleine Gruppe hat kein Interesse an der Demokratie. Diese Leute ersetzen Argumente durch Brandsätze. In Hamburg zerstören sie die Chance zur Diskussion.“ Maus öffnet zunächst einen anderen Raum als sein Stellvertreter: er zitiert ausführlich die Kritik eines Finanzspezialisten an der G 20 Runde, um dann aber eine kleine Gruppe von Menschen zu skizzieren, „die kein Interesse an der demokratischen Willensbildung hätte“, um am Ende „keine Nachsicht mit Gewalttätern“ zu fordern, die in Hamburg viele zu viel Bewegungsspielraum gehabt hätten.
Auch Maus fragt nicht nach der Herkunft der Gewalt, und vermeidet den Blick auf die Zehntausenden von gewaltlosen Bürgern und deren zahllose Gesprächsangebote, die hochinteressante Beispiele für Zivilbeteiligung an dem G 20 Gipfel waren. Stattdessen beteiligt sich auch Maus an der Ausgrenzung der Minderheit und schließt inhaltlich zu seinem Stellvertreter auf.
Eine Mehrheit der Redaktion, so lässt sie es ansonsten durchblicken, fühlt sich christlichen Werten verpflichtet. In ihren Bibeln könnten sie etwas erfahren vom förderlichen Umgang mit Verirrten und Ausgegrenzten.
Die Neue Braunschweiger wieder eine Woche später vom Samstag dem 22. Juli illustriert mit drei abscheulichen bürgerkriegsähnlichen Fotos die „Verbrecher“scene in Hamburg samt einem Bericht einer Helmstedter Polizeihauptmeisterin, die von den aufpeitschenden Nachrichten im Polizeifunk berichtet und etwas Authentizität vermitteln will. Gerne hätte ich etwas gehört über die Vorbereitung innerhalb der Polizei auf diese verschiedenen Demonstrationen. Wurde differenziert? Oder richtete sich die Polizei und ihr Einsatzleiter Dudde von vorneherein auf „Bürgerkrieg“, auf Eskalation statt Deeskalation, also auf Gesprächsblockade ein?
Es gab auch ermutigende Bilder: das sitzt ein Demonstrant mit einer Blockflöte auf der Straße, hinter sich den martialischen Aufmarsch einer Polizeikette, oder: wie eine Gruppe von Demonstrantinnen die vor ihnen aufmarschierten Polizisten auffordert, die Helme abzunehmen, und siehe da: mit Erfolg. Sie geben sich zu erkennen. Das Gespräch kann beginnen. Aber nicht mit solchen Kommentaren und Fotos.