Skandal um Betrug bei Biokaffee aus Äthiopien
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 15. Februar 2017 13:38
- Geschrieben von Uwe Meier
Erntereife Kaffeekirschen an einem Strauch in Äthiopien, der Heimat des Kaffees. Aufgenommen auf einer Reise mit Joachim Hempel nach Dschibuti und Äthiopien.
Zum heutigen TAZ-Aufmacher: „Bio-Siegel außer Kontrolle“
Es vergeht kaum ein Monat, an dem nicht irgendwo von Unregelmäßigkeiten bei der Biokontrolle berichtet wird. Nun aus Äthiopien beim Biokaffee. Eine deutsche und eine holländische Kontrollstelle, beides weltweit agierende Zertifizierungsunternehmen, stehen am Pranger. Zu Recht. Zu Recht steht auch am Pranger die EU, weil sie wichtige Hinweise eines Kontrollstellenleiters missachtet hat.
Das alles überrascht nicht. Ja, es wäre systemwidrig, wenn diese Betrügereien nicht vorkommen würden.
Bedenken wir, dass die internationale Agrarzertifizierung ein Riesengeschäft für große Unternehmen ist, zu denen auch NGOs (Nichtregierungsorganisationen) gehören. Und deren Kunden sind die Agrarkonzerne und auch die vielen Kleinbauern, um die es hier beim äthiopischen Kaffee geht. Beide haben gleiche Interessen: Das Zertifizierungsunternehmen möchte rasch zum Ergebnis kommen, das den Kunden (Bauer) befriedigt und der Bauer möchte rasch ein Zertifikat, damit er weiter an seine gewohnten Handelspartner verkaufen kann. Der Kontrolleur sollte auch möglichst nicht gewechselt werden, weil sonst Betrug und schlechte Zertifizierung auffallen könnte (so wie beim Biokaffee aus Äthiopien). Beide haben also die gleichen Interessen. Darum ist das System der Agrarzertifizierung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit hoch problematisch. Das sollte der Kunde wissen, wenn er einkauft.
Es wäre aber falsch, dieses Problem dem Bioanbau anzulasten, denn nicht dieser betrügt, sondern die Zertifizierungsunternehmen und die Bauern, sofern sie die Inhalte des Bioanbaus überhaupt verstehen. Zweifel sind angebracht, denn Bioanbau ist schwierig, und dafür braucht es gebildete Menschen!
In diesem Zusammenhang verweise ich auf folgende Buchbeiträge:
- MEIER, U. (2016) „Zertifizierung und Standardorganisationen“ S. 111-121. In: FRIEDEL und SPINDLER Hrsg. (2016): Zertifizierung als Erfolgsfaktor. Springer-Gabler, Wiesbaden, 561 S.
- U. (2012) „Standards und Kriterien als Beitrag für eine Agrarethik. S. 229-253. In: MEIER. U. „Agrarethik - Landwirtschaft mit Zukunft“ Agrimedia-Verlag, Clenze S 347
Theoretisch liegt das Problem darin, dass sich unser Wirtschaft im Zuge des Neoliberalismus und seinem radikalen Kapitalismusdogma, ausschließlich um Geld und Gewinn als Zukunftsorientierung dreht. Von Werten, außerhalb monetärer Dogmen, die unsere Welt im Großen und Kleinen (Familie z. B.) zusammenhalten und glaubwürdig und lebenswert machen, ist nicht mehr die Rede. Die gravierenden Auswirkungen der Wertelosigkeit, sind derzeit bei VW zu bestaunen.
Diesem Neoliberalismus mit seiner ausschließlichen Geldorientierung kann der Bioanbau, der durch Kontrolle und Handel umgeben ist von dieser Orientierung, nur schwer etwas entgegen halten, zumal Verfehlungen nur schwer oder gar nicht zu kontrollieren sind. Es liegt mit der Bio-Kontrolle ein Geburtsfehler vor, an dem zu arbeiten ist. Die Glaubwürdigkeit ist nicht nur eine Frage der Anzahl des Kontrollpersonals, und seiner oft miserablen Ausbildung, sondern eine des Kontrollsystems überhaupt.
Nicht nur, aber auch diese Tatsachen, sind für die Braunschweiger Firma „Urwaldgarten“ (Schoko-Braunschweig-Löwe) und die zukünftige GmbH „Cacao de Paz“ hinsichtlich der Glaubwürdigkeit beim Kakao-Anbau Anlass andere Wege zu gehen. Nicht den Weg der Kontrolle, sondern der Partnerschaft, wie wir es angenähert von El Puente oder der GEPA kennen. Die Produkte dieser Unternehmen werden bei "Fair-in-Braunschweig" verkauft.