Bericht: Die Hoffnung auf Frieden in Kolumbien

Es ist schon ein seltenes Ereignis in einer Zeit des Aufrüstens und kriegerischer Auseinandersetzungen in Deutschlands näherer und fernerer Umgebung, von einer Friedenshoffnung zu berichten, die ein ganzes Volk erfasst hat. Es ist zu berichten aus Kolumbien nach einem 53 Jahre währenden Bürgerkrieg, von einer Abstimmung nach 4-jähriger Friedensverhandlung, die mit einer knappen Ablehnung des Friedensvertrages durch die Bevölkerung endete, und wie es weiter gehen soll. Auf meiner Reise nach Kolumbien in die besonders stark von Krieg und Kokaanbau betroffenen grenznahen Provinzen Caquetá und Putumayo, sprach ich bei fast allen Menschen, die mir begegneten, das Thema der Volksabstimmung an und fragte, wie und warum die Person so und nicht anders abgestimmt hat.

Quelle: Amazonasportal

Zum Abschluss der Reise, hielt ich auf Einladung eine Rede zum Frieden auf der Plaza de Bolivar im Zentrum Bogotas, wo sich derzeit eine Zeltstadt entwickelt.

Anlass der Reise war der Besuch der Corporacion Solano und den angeschlossenen Kleinbauern, die den Kakaoexport nach Deutschland aus Caquetá entwickelt. Aus dem besonderen Kakao soll der Braunschweiger Schokoladenlöwe produziert werden, der am 17.11.2016, um 19:00 Uhr, der Bevölkerung in der Ev. Akademie Abt Jerusalem, vorgestellt werden wird. Die Corporacion und einige Kleinbauern wurden einer kritischen Bewertung hinsichtlich Glaubwürdigkeit unterzogen. Dazu später ein gesonderter Bericht in "Fair in Braunschweig".

Bei der Befragung der Personen zeigte es sich, dass mit einer Ausnahme alle abgestimmt hatten, und mit einer Ausnahme alle mit "Si", also einer Zustimmung des Friedensvertrages. Die eine Ausnahme, die mit "No" gestimmt hatte, war der Leiter eine Kakao-Kooperative, dessen Bruder vor vielen Jahren von der Guerilla umgebracht worden war. Das "Si" kam von den Menschen, denen ich auf dem Lande (i.d. Regel Kleinbauern) und in den Kleinstädten begegnet war, beispielsweise in San Jose del Fragua. Diese Gebiete, so sagte man mir, hätten besonders unter den Paramilitärs und der Guerilla gelitten.

Auf meine Fragen bei Kleinbauern nach der Guerilla, und ob sie unter ihr gelitten hätten, wurde mir mehrfach geantwortet, dass sie zu arm seien, als dass die Guerilla ihnen etwas wegnehmen könnten. Probleme gäbe es mit der Guerilla keine, da diese aus der Kleinbauernbewegung schliesslich stamme. Über die Paras wurde nicht berichtet.

Bekanntlich wird der Friedensprozess in Verhandlungen weitergeführt nach der Ablehnung. Inzwischen wird diese Ablehnung nicht nur negativ gesehen. Es wird nunmehr ein breiter Konsens angestrebt. Die Probleme liegen in den Zugeständnissen, die die Santos-Regierung an die Guerilla gemacht hat, und dass der Vorgänger öffentlich versichert, dass die Guerilla sehr kampfesmüde sei, sodass sie leicht geschlagen werden könne. Zugeständnisse, wie Parlamentsmandate ohne Abstimmungsrecht, Finanzierung der Guerilla in der Übergangszeit, keine abzusitzenden Gefängnisstrafen und Landreform bräuchte man unter diesen Bedingungen nicht zu machen.

Es zeichnet sich ein grundlegender Konflikt um den Begriff "Frieden" ab. Die Santos-Seite (Si) will bei aller Ungerechtigkeit Aufarbeitung und Versöhnung nach Entschuldigung. Die Uribe-Seite (No) will Bekämpfung der Guerilla bis zum Sieg oder Entwaffung und Bestrafung der Guerilla nach Gerichtsverfahren. Hier steht also nicht Versöhnung und mehr Gerechtigkeit im Mittelunkt, sondern Rache und vermeintliche Gerechtigkeit. Oder kurz: Versöhnung oder Rache!

Unbestritten ist, dass alle den Frieden wollen. Es fragt sich nur unter welchen Umständen. Klar ist, und das wird auch offen angesprochen, dass die ökonomische und soziale Entwicklung Kolumbiens unter dem Krieg massiv gelitten hat, und dass es zu einer positiven Entwicklung in diesem reichen Land nur kommen kann, wenn der Krieg beendet wird. Die Kosten des Krieges und seine Folgen sind deutlich höher anzusetzen als die Kosten des Friedens bei vorübergehender Alimentierung und Ausbildungsoffensiven der Guerilla.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Guerilla vollständig entwaffnet wird. Einzelne Gruppen werden wahrscheinlich weiter im Kokageschäft tätig sein, weil es dabei ein gesichertes Auskommen gibt, zumal die Vermarktungswege bestehen bleiben. Außerdem gibt es das Ausgangsmaterial, die Kokablätter des Kokastrauches, mehr als genug.

 

Junge und hoffnungsfrohe Menschen bestimmen das Leben im Camp

Trotz allem, hauptsächlich junge Menschen, sehen ihre Chance im sofortigen Frieden. Besonders Aktive unter ihnen haben ein wachsendes Zeltlager auf dem Plaza de Bolivar vor dem Parlamentsgebäude errichtet. Dieses Friedenscamp soll bis zum Friedensschluss bestehen bleiben. Dazu einige Fotos:

Schild im Eingangsbereich zum Camp (Frieden als 4 D... Entwicklung, Recht, Demokratie und Entmilitarisierung)

Das Friedenscamp vor dem Parlament auf der Plaza de Bolivar

Das Friedenscamp ist eine Stätte jugendlicher Kultur mit Musik, Handwerk und voll von Kreativität. Doch es wird auch bedroht.

Egal, ob in Deutschland oder in Kolumbien: meistens regnet es bei Demos, so der subjektive Eindruck.

Einige Wochen zuvor, wurde die Plaza de Bolivar vollständig mit weißen Tüchern (Fotostrecke) bedeckt, auf denen die Namen getöteter Menschen standen. Weiß gilt hier als die Farbe des Friedens.

Auch an ein Zelt für die Straßenhunde ist gedacht. Die hier wohnenden Tiere (3 Hunde, eine Katze) heißen alle "Nobel". Wer denkt da schon an den Nobelpreis für den Präsidenten Santos?

Vor wenigen Tagen fand eine Demonstration der Indigenen auf dem Platz statt. 6000 Indigene demonstrierten für den Frieden. Diesen magischen Kreis haben sie im Camp hinterlassen. Auf ihm wird meditiert.

Als Mitglied der deutschen Friedensbewegung sprach ich Grußworte, und ging dabei sowohl auf die Geschichte des Landes ein als auch auf die Hoffnung, die dieses Land dem Frieden geben kann. Ich beglückwünschte zum Friedensnobelpreis ihres Präsidenten Santos.