Europaexperte Eric Bonse zum Scheitern der EU unter drei Perspektiven

Teil 1. Die Rhetorik des Scheiterns
Der Europäischen Union geht es schlecht. So schlecht, dass sogar ihre wichtigsten Protagonisten in Brüssel und Berlin aufgehört haben, die Lage schön zu reden. Statt die EU als Lösung für alle Probleme anzupreisen, wie bisher üblich, erwecken die EU-Eliten neuerdings den Eindruck, als müssten sich die Europäer vor dem Scheitern fürchten.

Kommissionschef Jean-Claude Juncker, Ratspräsident Donald Tusk, Kanzlerin Angela Merkel und andere überbieten sich in „apokalyptischen Warnungen“, wie die neue US-Website „Politico.eu“ süffisant feststellt. In einer Auflistung der zehn schrillsten Brandreden findet sich vom „Erdbeben“ bis zum „Kollaps“ so ziemlich jedes denkbare Katastrophen-Szenario.

Die Warnung vor dem Scheitern ist allerdings nicht nur ein legitimer Ausdruck der Sorge. Sie ist auch ein Mittel der Politik – um Druck auszuüben und nationale Interessen durchzusetzen.

Teil 2. Die unmögliche EU-Reform

Für die meisten Zeitungen war es nur noch eine Randnotiz. Kurz vor Weihnachten meldete die griechische Regierung, dass der Verkauf von 14 Regionalflughäfen an Fraport besiegelt sei. Lukrative Touristen-Airports auf Inseln wie Mykonos oder Santorin werden künftig vom Betreiber des größten deutschen Flughafens in Frankfurt geführt.

Kurz darauf wurde bekannt, dass die griechische Regierung ein neues Sozialprogramm verschieben muss. Premierminister Alexis Tsipras wollte mit der Initiative die humanitäre Krise in seinem Land lindern. Doch die Troika und die Eurogruppe senkten den Daumen und drohten, die Auszahlung der nächsten Hilfstranche über 1 Milliarde Euro zu verschieben. Kurz danach gab Tsipras klein bei.

Beide Beiträge in Telepolis

Teil 3. Diese Krise hat keine Chance

In Berlin und Brüssel glauben viele, die EU werde gestärkt aus der Krise hervorgehen. Sie liegen falsch. Sie ist dabei, sich selbst abzuwickeln.

Auf den ersten Blick ist die Welt in Brüssel noch in Ordnung. Die Europäische Union wächst und gedeiht auch im fünften Jahr der Finanz- und Schuldenkrise. Gewiss, die Länder des Südens leiden. Doch um ihnen zu helfen, wurden neue Regeln wie der Fiskalpakt und neue Institutionen wie der dauerhafte Eurorettungsschirm ESM aus dem Boden gestampft. Bald wird es auch eine Finanzsteuer geben. Später, vielleicht schon bei den Europawahlen 2014, soll sogar ein Schuss mehr Demokratie dazukommen.

Der Beitrag in der taz (2012)