Dr. Hoffmann vor der Wahl: Panik, Hektik, Dreistigkeit
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- Veröffentlicht: Samstag, 27. August 2011 15:28
- Geschrieben von Anreas Matthies
Zehn Jahre lang konnte sich Dr. Hoffmann darauf verlassen, dass die schwarzgelbe Mehrheit im Rat der Stadt alles beschloss, was er sich ausgedacht hatte. Nun droht ihm diese Mehrheit am 11. September wegzubrechen. Gibt die CDU schon auf Bundesebene ein schwaches Bild ab, so ist sie auf Stadtebene kaum noch zu erkennen. Und die FDP? Na ja …
Wen wundert es da, dass der OB auch den Wahlkampf schon lange selbst in die
Hand genommen hat. Spatenstiche im Wochentakt, wie durch Zufall alle kurz vor
der Wahl, Zuschüsse und besondere Leistungen aller Art (früher sprachen gerade
konservative Politiker abfällig von „Wohltaten“, die über das Volk
ausgeschüttet werden; so einfach machen wir es uns aber nicht), Pressemitteilungen der Stadt fast im
Sekundentakt – all das zeigt die hektischen Bemühungen um den Machterhalt.
„Schuldenbremse“ als rettende Idee?
Wie wenig Dr. Hoffmann aber auch diesen Aktivitäten traut, zeigt sein jüngster Vorstoß. Gerade mal zwei Wochen vor dem Wahltermin fällt ihm ein, dass der Rat der Stadt sich selbst eine „Schuldenbremse“ einbauen sollte. Wäre ihm das ein ernsthaftes Anliegen, hätte er dem Rat längst einen entsprechenden Antrag vorlegen können.
Der hätte dann im Rat und in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert werden können. Allerdings wäre dann auch die finanzielle Situation der Stadt in ihren verschiedenen Aspekten (und nicht nur auf den „Kernhaushalt“ bezogen) beleuchtet worden, und darin hätte durchaus ein gewisses Risiko für den OB gelegen. Stattdessen will er nun also den Oppositionsparteien die Pistole auf die Brust setzen. „Bist Du für Schulden oder dagegen?“, auf diese schlagwortartige Formel will er alles reduzieren. Wie sehr er die Rolle des im Wahlkampf neutralen Stadtoberhauptes bereits zugunsten des CDU-Wahlkämpfers verlassen hat, wird auch daran deutlich, dass er nicht einmal alle Ratsfraktionen angeschrieben hat. Das zeugt von wenig Respekt vor den Wählern der BiBS und der Linken.
„ Keine Schulden im Kernhaushalt“ – und in den Nebenhaushalten?
Die Pressemitteilung vom 26. August zeigt aber auch, dass Dr. Hoffmann darauf baut, dass viele Braunschweiger seine Finanzpolitik noch nicht durchschauen. Er sagt:
„Neue Kreditmarktschulden im Kernhaushalt seien nicht gemacht worden.“
Stimmt, aber die Kritik der Opposition bezog sich auch nie auf den Kernhaushalt, sondern auf die Nebenhaushalte, die etwa mit der Abwasserprivatisierung oder dem PPP-Schulprojekt verbunden sind. Die Rechnungshöfe dieser Republik (alle!) fassen das unter den Begriff „kreditähnliche Geschäfte“ und mahnen schon lange zu großer Vorsicht. Darüber hat sich Dr. Hoffmann zuletzt bei dem PPP-Projekt mit Hochtief (Volumen von über 200 Millionen Euro) hinweggesetzt. Das hindert ihn nun aber nicht, von anderen zu fordern, dass sie in Zukunft „keine kreditähnlichen Rechtsgeschäfte beschließen“ dürfen. Was er gerade noch kurz vor der Wahl als vorteilhaftes Geschäft für die Stadt verkauft und gegen alle Einwände der Opposition durchgepowert hat, wertet er nun selber offenbar als gefährlich und will es künftigen Räten verbieten.
„Die vorhandene Liquidität wird im Jahre 2012 verbraucht sein.“
Damit nicht genug. Aus den städtischen Dokumenten geht klar hervor, dass die Stadt nach 2014 in eine schwierige Situation geraten wird. Vor der Privatisierung der Stadtwerke wurden mit deren Gewinnen die Verluste anderer städtischer Betriebe (z.B. der Verkehrs AG) ausgeglichen. Nach der Privatisierung geht das nun nicht mehr. Deshalb wurde ein Teil der Erlöse zurückgestellt, um die Verluste zu decken. Diese Rückstellung ist aber 2014 verbraucht. Originalton der Stadt in ihrer Pressemitteilung vom 13.01.2010:
„Gegengerechnet werden müssten allerdings die 30 Millionen Euro, die die Stadt nach 2014 für die Deckung von Verlusten der Konzerntöchter (gemeint sind die städtischen Betriebe, A.M.) aufbringen müsse.“
Und die „Stadt Braunschweig Beteiligungsgesellschaft“ stellt in ihrem Wirtschaftsplan 2010 fest:
„Die vorhandene Liquidität wird im Jahre 2012 verbraucht sein. Der Gewinnvortrag reicht dem gegenüber noch bis 2014, so dass voraussichtlich erstmals für das Jahr 2014 Verlustübernahme-zahlungen .. geleistet werden müssten.“
„Auch könnte Fremdkapital am Kapitalmarkt aufgenommen werden.“
Es könne dann entweder Fremdkapital bei der Stadt aufgenommen werden, was diese natürlich dann an anderer Stelle nicht zur Verfügung hätte, oder: „Auch könnte Fremdkapital am Kapitalmarkt aufgenommen werden. … In der Planung ist die Aufnahme von Fremdkapital am Kapitalmarkt abgebildet.“
Interessant auch die Terminierung: „Über die Sicherstellung der Liquidität ist noch im Detail zu entscheiden. Es wird davon ausgegangen, dass hierzu spätestens im Jahre 2012 eine Entscheidung getroffen wird.“
Das Jahr 2014
Das wäre dann also wenige Monate nach der Wahl. Und 2014, wenn das Problem richtig drängend wird, verabschiedet sich OB Dr. Hoffmann in den Ruhestand.
Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild: die Privatisierung hat eine Situation geschaffen, die dazu führen wird, dass ab 2014 eine Finanzierungslücke aufreißt und das jedes Jahr von Neuem. Aber anstatt sich mit diesem Problem auseinander zu setzen und ohne eine wirkliche Lösung zu präsentieren, schlägt Dr. Hoffmann einen sogenannten Antischuldenpakt vor. Seriös geht anders.