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So ernst nimmt die Stadt ihre Bürger

Sonntag Vormittag, gegen zehn, halb elf Uhr. Zwischen Frühstück und Sonntagsdienst ist noch etwas Zeit, die ich lesend auf dem Sofa verbringe. Dazu dudelt Musik in minderer Zimmerlautstärke, wie es sich für eine Mietwohnung und einen heiligen Tag eben gehört. Draußen rumort ein LKW herum. Was kann das wieder sein, wahrscheinlich ist irgendetwas mit der Straßenbahntrasse nicht in Ordnung. Dieses Mal reparieren sie eben nicht nachts, sondern Sonntags. Auch schön. Das Rumoren und Ramentern nimmt kein Ende, wird stattdessen immer lauter. Plötzlich hört man jemanden über Megaphon jemandem etwas zurufen. Was ist da los?

Ein Blick aus dem Fenster trifft einen Blick in das Fenster. Im ersten Stock schwingt ein Feuerwehrmann im Korb eines Leiterwagens vorbei - an meinem Fenster. Er lässt sein Vehikel höher steigen und ruft "Hier geht es" nach unten. Per Megaphon kommt die Aufforderung "versuch's mal weiter rechts". Er versucht es weiter rechts. Was überhaupt? Brennt es über mir? Steht da ein Selbstmörder? Nach Notfall sieht es aber nicht aus.

Vor dem Leiterwagen steht ein bemütztes Rudel Offizieller herum. Ich beschließe, mir dort Informationen einzuholen, und schlendere nach unten. Beeilen muss ich mich nicht, so schnell bekommen sie die Gerätschaft nicht abgebaut. Zwei Frauen, eine mit einem Plan der Friedrich-Wilhelm-Straße in der Hand, auf dem sie Markierungen vornahm, gucken mich erwartungsvoll an. Auf meine Frage "was geht" erzählen sie, dass die FriWi "neu überplant wird", hier Straßenlaternen installiert werden sollen und sie gerade gucken, ob man im Notfall auch an alle Wohnungen in der Straße herankommt, "wegen der Oberleitungen", hier ginge schließlich die Straßenbahnstrecke lang. "Kein Notfall also", beteuern sie. "Und auch kein Grund, die Bewohner zu informieren, wie?", halte ich dagegen. Sie gucken sich an und stammeln "die Feuerwehr hat doch", "es wurden alle informiert" und solcherlei Nuscheleien mehr. "Nein, wurde nicht, sonst würde ich hier ja nicht stehen", sage ich. "Das ist ja komisch", kommt es von den zwei Verhuschten. "Es ist nicht besonders angenehm, wenn man auf dem Sofa liegt und plötzlich mitbekommt, dass einem jemand auf den Bauch guckt." Sie nicken, immerhin freundlich. "Ja, da haben Sie recht." Na, super, vielen Dank auch. Das kommt ja rechtzeitig. "Und überhaupt", fällt mir ein, "was sagt eigentlich die Gewerkschaft dazu, dass Sie das hier am Sonntag machen?" Das Gegenargument: "Wollen Sie das in der Woche machen - in der Vorweihnachtszeit?" Nein, aber wie sieht's nach Weihnachten aus?

Auf dem Weg zurück in meine Wohnung treffe ich meine Nachbarin, die auch gerade in Erfahrung bringen will, was draußen vor sich geht. Ich erkläre es ihr und frage sie, ob sie das wusste. "Nein", sagt sie, "wenn die das vorher bekannt gegeben hätten, wäre es schon lange ein Straßengespräch gewesen." Sie hat einen Hund und ist entsprechend häufig in der Straße unterwegs.

Da fühlt man sich als Bürger der Stadt doch so richtig für voll genommen. Wir machen, was wir wollen, und dulden keine Querulanten, deswegen sagen wir nicht, was wir vor haben. Der Bürger bekommt's mit, wenn's zu spät ist, das reicht völlig hin. Sonst füllt er am Ende noch Unterschriftenlisten dagegen aus. Wo kämen wir denn da hin, wenn der Bürger plötzlich mündig wäre?

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