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Axolotl - ein Nachruf

Der traurigste Meldung des Tages steht heute in der Welt: Der Axolotl ist in freier Wildbahn vermutlich ausgerottet: "Wissenschaftler der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko haben vier Monate lang den einzigen bekannten Lebensraum des Tieres in den Seen des Gebietes Xochimilco untersucht und dabei keine Exemplare des Axolotls gefunden."

Als Nachruf präsentieren wir einen Artikel aus Brehms Tierleben über dieses erstaunliche Tier.

Copyright CC: Henry Mühlpfordt

In der Nähe der Stadt Mejiko, so erzählt der alte Hernandez, gibt es eine Art Seefisch mit weicher Haut und vier Füßen, wie sie die Eidechsen haben, eine Spanne lang und einen Zoll dick, Axolotl oder Wasserspiel genannt. Der Kopf ist niedergedrückt und groß; die Zehen sind wie bei den Fröschen. Die Färbung ist schwarz und braun gefleckt. Das Tier hat seinen Namen von der ungewöhnlichen und spaßhaften Gestalt erhalten. Sein Fleisch gleicht dem der Aale, ist gesund und schmackhaft und wird gebraten, geschmort und gesotten gegessen, von den Spaniern gewöhnlich mit Essig, Pfeffer und Nelken, von den Mejikanern bloß mit spanischem Pfeffer zubereitet. An einer anderen Stelle spricht derselbe Berichterstatter von Kaulquappen, welche die Indianer mit Wohlbehagen genießen und sogar manchmal auf die Märkte bringen.

Lange Zeit achtete niemand dieser Angaben, bis das von dem in seiner Art trefflichen Beobachter recht gut beschriebene Tier nach England kam und nun der wissenschaftlichen Welt bekannt wurde. Eine genauere Beschreibung lieferte Cuvier nach zwei von Alexander von Humboldt aus Mejiko mitgebrachten Stücken. Diese hatten die Größe eines Erdsalamanders und die Gestalt einer Molchlarve, wurden von Humboldt und Cuvier auch als solche angesehen. Ihr Leib war gedrungen, der Kopf platt und verhältnismäßig breiter als bei den bekannten Wassermolchen, der Schwanz zusammengedrückt und auf der Oberseite mit einem schwachen Kamme versehen, welcher über den Rücken sich fortsetzte. Die Vorderbeine hatten vier, die hinteren fünf Zehen. Die Färbung war ein ziemlich gleichmäßiges Dunkelbraungrün; die Zeichnung bestand aus schwarzen Flecken und weißen Tüpfeln.

Nach diesen beiden Stücken gelangten viele andere nach Europa, und alle glichen den beschriebenen. Deshalb sah man sich veranlasst, zu glauben, dass diese Larvengestalt die bleibende der Tiere sein möchte und wurde darin unterstützt durch andere Schwanzlurche, von denen man ebenfalls nur Larvenformen kannte. So ließ sich denn selbst Cuvier bestimmen, den Axolotl zu den Kiemenlurchen zu setzen, tat dies jedoch nicht, ohne ausdrücklich seine Zweifel hervorzuheben und entschuldigte sich mit den Worten: »Ich sehe mich genötigt, den Axolotl unter die Geschlechter mit bleibenden Kiemen zu setzen, weil so viele Zeugen versichern, dass er letztere nicht verliert.«

So stand es um die Kunde des Tieres im Jahre 1865. Einer oder der andere Forscher verfuhr wie Cuvier; aber obgleich Baird sagte, dass das Gepräge einer Larve dem Axolotl viel zu deutlich aufgedrückt sei, um an dem Larvenzustande desselben zweifeln zu können, und dass das Nichtauffinden des ausgebildeten Tieres noch keineswegs ein Beweis sei gegen sein Vorhandensein, gab es doch auch andere, welche jeden Zweifel ausschlossen und mit aller Bestimmtheit behaupteten, die eingehendsten Untersuchungen hätten bewiesen, der Axolotl verwandele sich nicht. Für letztere Meinung sprach auch die, obschon äußerst dürftige Kunde, welche wir inzwischen über das Freileben der Tiere erhalten hatten. Nach allen Angaben, auch den neuesten Mitteilungen Saussures, hat man den Axolotl in Mejiko niemals im verwandelten Zustande gesehen, ebenso wenig einen einzigen verwandelten Molch in der Nähe der Seen gefunden, wogegen der Axolotl so gemein ist, dass man ihn als Nahrungsmittel zu Tausenden auf den Markt bringt.

Da erhielt der Akklimatisationsgarten zu Paris sechs lebende Axolotl, fünf Männchen und ein Weibchen und gab sie an die reichhaltige Sammlung lebender Kriechtiere und Lurche ab, welche sich im Pflanzengarten zu Paris befindet. Ein Jahr lang hatten die Tiere, welche man in geeigneten Becken untergebracht hatte, in Gefangenschaft gelebt, gefressen und sich nach Art anderer Molchlarven benommen, als plötzlich am achtzehnten Februar 1865 große Aufregung unter ihnen bemerklich wurde. Es zeigte sich bei Männchen und Weibchen eine beträchtliche Anschwellung der Afterränder, und erstere gaben, während sie das Weibchen eifrig verfolgten, ihren Samen ins Wasser ab. Bereits am folgenden Tage begann das Weibchen Eier zu legen, und zwar ganz in derselben Weise, wie es Tritonen tun; im Laufe des folgenden Tages hatte es sein Geschäft bereits vollendet. Sechs Wochen später wiederholten sich dieselben Vorgänge. Dumeril ließ beide Male die Pflanzen, an welche die Eier angeklebt worden waren, herausnehmen und in gesonderte Becken versetzen. Es ergab sich, dass fast alle Eier befruchtet waren. Achtundzwanzig bis dreißig Tage später begann das Ausschlüpfen der Larven. Zunächst entwickelten sich die Kiemen; einige Tage später platzte die Mundspalte, und die Tierchen begannen mit Begierde die im Wasser umher schwimmenden Kerfe wegzuschnappen. Von nun an ging die Weiterbildung ihren regelmäßigen Gang. Anfangs September hatten die jungen Tiere beinahe die Größe ihrer Erzeuger erlangt.

Mitte September zeigte sich an einem Jungen eine höchst auffallende Veränderung. Die Kiemenquasten, der Kamm auf Rücken und Schwanz schrumpften ein; die Gestalt des Kopfes veränderte sich etwas, und auf der dunklen Grundfarbe der Haut traten kleine gelblichweiße Flecke in großer Anzahl hervor. Am achtundzwanzigsten September beobachtete man gleiche Veränderungen an einem anderen Jungen, am siebenten Oktober dieselben an einem dritten, am zehnten Oktober an einem vierten. Alle vier wandelten sich in derselben Weise zu vollkommenen Tieren um, wie andere Schwanzlurche auch: es wurden Molche aus ihnen, und die Richtigkeit der Ansicht Humboldts und Cuviers war erwiesen.

Einer der ersten Versuche, welche Dumeril anstellte, bezweckte, zu erfahren, ob man durch gewaltsamen Eingriff die Entwicklung beschleunigen könne. Er schnitt deshalb mehreren Axolotl zuerst einzelne Kiemen der einen, später auch die der anderen Seite ab, erfuhr, dass diese Gebilde sich ersetzten, wiederholte an denselben Tieren den Versuch und gelangte zu dem Ergebnisse, dass der Ersatz der Kiemen bei einem und demselben Stücke fünf- bis sechsmal stattfinden kann, ohne die Larve zu gefährden. Einzelne der Versuchstiere verwandelten sich schließlich allerdings auch; schwerlich aber ist man berechtigt, anzunehmen, dass dies infolge der Verstümmelung ihrer Kiemen geschehen sei.

Was Dumeril nur unvollständig oder nicht zu erzielen vermochte, gelang einer durch ihre sorgsamen Beobachtungen an Kerbthieren wohl bekannten und von allen Fachmännern gerühmten Dame, Fräulein von Chauvin in Freiburg im Breisgau. Weismann war auf den Gedanken gekommen, ob es nicht möglich sei, die Axolotllarven sammt und sonders oder doch größtenteils zur Verwandlung zu zwingen, wenn man sie in Lebensverhältnisse bringe, welche ihnen den Gebrauch der Kiemen erschweren, den der Lungen aber erleichtern, sie also nötige, von einer gewissen Altersstufe an halb auf dem Lande zu leben.

Der genannte Gelehrte hatte auch hierauf bezügliche Versuche angestellt, aber keine Erfolge gewonnen, weil, wie er bald einsah, höchst sorgfältige, durch Monate hindurch fortgesetzte Pflege und Beobachtung der Tiere dazu erforderlich war. Fräulein von Chauvin nahm seine Versuche wieder auf und begann dieselben mit fünf ungefähr acht Tage alten Axolotllarven, welche von zwölf ihr zugekommenen allein am Leben geblieben waren. Bei der außerordentlichen Zartheit dieser Tiere, schreibt die Dame, übt die Beschaffenheit und Wärme des Wassers, die Art und Menge des gereichten Futters namentlich in der ersten Zeit den größten Einfluss aus, so dass man nicht vorsichtig genug in deren Behandlung sein kann. Die Tierchen wurden bei geregelter Wasserwärme in einem Glase von etwa dreißig Zentimeter Durchmesser gehalten und ihnen als Nahrung zuerst Daphnien, später auch größere Wassertiere in reichlicher Menge dargeboten. Dabei gediehen alle fünf Larven vortrefflich. Schon Ende Juni zeigten sich bei den kräftigsten die Anfänge der Vorderbeine; am neunten Juli kamen auch die Hinterbeine zum Vorscheine. Anfangs November fiel der Pflegerin auf, dass ein Axolotl beständig an der Oberfläche des Wassers sich aufhielt und dies brachte sie auf die Vermuthung, dass nunmehr der richtige Zeitpunkt eingetreten sei, ihn auf die Umwandlung vorzubereiten. Zu diesem Ende wurde er am ersten November in ein bedeutend größeres Glasgefäß mit flachem Boden gebracht, welches derartig gestellt und mit Wasser gefüllt war, dass er nur an einer Stelle ganz unter Wasser tauchen konnte, während er bei dem häufigen Herumkriechen auf dem Boden des Gefäßes mehr oder weniger mit der Luft in Berührung kam. An den folgenden Tagen wurde das Wasser allmählich noch mehr vermindert, und in dieser Zeit zeigten sich die ersten Veränderungen an dem Tiere. Die Kiemen fingen an einzuschrumpfen; gleichzeitig bestrebte sich die Larve, seichte Stellen zu erreichen. Am vierten November begab sie sich ganz und gar aufs Land und verkroch sich in feuchtem Moose, welches auf der höchsten Stelle des Bodens auf einer Sandschicht angebracht worden war. Zu dieser Zeit erfolgte die erste Häutung. Innerhalb der vier Tage vom ersten bis vierten November ging eine auffallende Veränderung im äußeren vor sich. Die Kiemenquasten schrumpften fast ganz zusammen, der Kamm auf dem Rücken verschwand vollständig, und der bis dahin breite Schwanz nahm eine rundere Gestalt an. Die graubraune Körperfarbe verwandelte sich nach und nach in eine schwärzliche; vereinzelte, anfangs undeutliche weiße Flecke traten hervor und gewannen mit der Zeit an Lebhaftigkeit. Als am vierten November der Axolotl aus dem Wasser kroch, waren die Kiemenspalten noch geöffnet, schlossen sich aber allmählich und konnten bereits nach etwa acht Tagen nicht mehr wahrgenommen werden, weil die Haut inzwischen sie überwachsen hatte.

Von den übrigen Larven zeigten sich schon Ende November noch drei ebenso kräftig entwickelt wie die ersten, und die Dame glaubte darin einen Hinweis zu erkennen, dass auch für jene der richtige Zeitpunkt für Beschleunigung des Entwickelungsherganges eingetreten sei; sie wurden deshalb derselben Behandlung unterworfen. Einer von ihnen verwandelte sich auch in der Tat gleichzeitig und genau so wie der erste: er hatte noch vollkommene Kiemenquasten als er in das flache Wasser gesetzt wurde; schon vier Tage später aber waren dieselben fast vollständig zusammengeschrumpft. Das Tier ging nun aufs Land, und im Verlaufe von etwa zehn Tagen erfolgte die Überwachsung der Kiemenspalten und die vollständige Annahme der Salamanderform. Während dieser letzten Zeit nahm das Tier Nahrung zwar auf, aber nur, wenn man es dazu nötigte. Bei zwei anderen ging die Entwickelung langsamer von statten. Die beiden suchten nicht so häufig die seichten Stellen auf und setzten sich im allgemeinen auch nicht so lange der Luft aus, so dass die größere Hälfte des Januar verstrich, bis sie ganz aufs Land gingen. Nichts desto weniger dauerte das Eintrocknen der Kiemenquasten nicht längere Zeit als bei den ersten beiden. Ebenso erfolgte auch die erste Häutung, sobald sie aufs Land krochen. Der letzte Axolotl, welcher von Anfang an schwächlicher aussah, als die anderen und auch im Wachstum auffallend zurückblieb, zeigte noch viel beträchtlichere Abweichung bei der Verwandlung als die beiden letzterwähnten. Er gebrauchte vierzehn Tage anstatt vier, um die Verwandlung so weit zu vollenden, dass er das Wasser verlassen konnte. Bei seiner Zartheit und schwächlichen Natur war er selbstverständlich für alle äußeren Einflüsse viel empfindlicher als die anderen. Wurde er der Luft zu lange ausgesetzt, so nahm er eine hellere Färbung an und gab außerdem einen eigentümlichen Geruch von sich, ähnlich dem, welchen Salamander verbreiten, wenn sie geängstigt oder gefährdet werden. Wurde er, wenn solche Erscheinungen eintraten, wieder in tieferes Wasser zurückgebracht, so tauchte er sofort unter und erholte sich dann allmählich wieder. Die Kiemen aber entfalteten sich dann immer von neuem. Derselbe Versuch wurde wiederholt angestellt und war jedes Mal von denselben Erfolgen begleitet, woraus geschlossen werden darf, dass durch die Ausübung eines zu heftigen Zwanges mit Absicht auf die Beschleunigung des Umwandlungsherganges ein Stillstand und bei fortgesetztem Zwange sogar der Tod eintreten kann.

Aus den Beobachtungen schließt Fräulein von Chauvin folgendes: Axolotllarven vollenden zum größten Teile, wenn nicht alle, ihre Verwandlung, wenn sie gesund aus dem Ei schlüpfen und richtig gefüttert werden, und zweitens, wenn man Einrichtungen trifft, welche sie vom Athmen unter dem Wasser zum Athmen über dem Wasser nötigen.

Weismann zieht aus vorstehenden Beobachtungen verschiedene Schlüsse. Er hält zunächst den Axolotl nicht für eine Fortschritts-, sondern für eine Rückschlagsform und glaubt, dass diejenigen Tiere, welche heute die Seen von Mejiko bevölkern, in früheren Zeiten bereits ausgebildete Molche waren, bei Veränderung in ihren Lebensbedingungen aber wieder auf die frühere Stufe der Fischlinge oder Fischmolche zurückgesunken sind. Dieser Rückschlag ist nach seiner Meinung dadurch veranlasst worden, dass dem Axolotl die Möglichkeit, ans Land zu gehen, entzogen und er zum Verharren im Wasser gezwungen wurde. In den Seen Mejikos sind der Salzgehalt, sowie das zeitweise Trockenliegen eines Teiles der Gewässer Bedingungen hierfür. Der entblößte Seeboden ist dann eine wüstenhafte Fläche ohne Nahrung und ohne Schlupfwinkel, ohne Pflanzenwelt, bedeckt mit einer Salzkruste, welche die Ernährung der Tiere auf dem Lande geradezu unmöglich machen würde. Durch Humboldt wissen wir, dass der Spiegel des Sees von Mejiko in verhältnismäßig neuer Zeit um ein bedeutendes höher lag als heute, und ferner ist bekannt, dass das Hochland mit Wald bedeckt war, während dieser jetzt ausgerottet ist. »Darf man nun annehmen«, sagt Weismann, »dass etwa zur Diluvialzeit die Bergwälder sich bis zum Rande des damals noch tiefen, steiler abfallenden und bedeutend salzärmeren Sees erstreckten, so sind damit nicht nur wesentlich von den heutigen verschiedene Lebensbedingungen aufgewiesen, sondern auch solche, wie sie für die Ausbildung einer Salamandrinenform ganz besonders günstig waren. Somit dürfen wir wohl mit einiger Sicherheit annehmen, dass auch am Beginne der Diluvialzeit die Wälder von Mejiko in der Umgegend der Seen mit Querzahnmolchen bevölkert waren, dass diese später aber, als die Seen mehr und mehr austrockneten und die Luft mehr und mehr an Feuchtigkeit verlor, auch immer schwieriger auf dem Lande leben konnten. Sie würden zuletzt völlig ausgestorben sein, wenn ihnen nicht durch Rückschlag auf die Fischmolchform das Wasser von neuem zugänglich geworden wäre«.

Ich erwähne diese Schlussfolgerungen nur, um einen neuen Beweis für die beklagenswerte Tatsache anzuführen, dass ein nicht geringer Theil der heutigen Naturforscher, welcher in Darwins Fußtapfen zu wandeln glaubt, nicht nur alles erklären will, sondern auch alles erklären zu können wähnt. Die Annahmen Weismanns sind zwar möglicherweise berechtigt, aber in keiner Weise begründet. Was wir gegenwärtig wissen, ist, dass Axolotl im Larvenzustande geschlechtsreife Eier legen, also sich fortpflanzen und demungeachtet im Larvenzustande verharren können, und ebenso, dass einzelne Larven sich zu Molchen entwickeln. Was außerdem noch gesagt werden mag, darf vielleicht als geistreiche Folgerung gelten, fördert unsere Kenntnis des betreffenden Tieres aber nicht um einen einzigen Schritt. Wenig will es besagen, dass man in Mejiko noch keine verwandelte Axolotl gefunden hat; denn eine genauere Durchforschung des noch so dürftig bekannten Landes kann, wenn nicht in diesem einen, so in einem anderen von Axolotl bewohnten, günstiger gelegenen See das Gegenteil ergeben.

Infolge der außerordentlichen Vermehrung der Axolotl, welche allein im Pariser Pflanzengarten binnen zwei Jahren und neun Monaten nicht weniger als dreitausendunddreihundert Eier legten, ist die Larve des Molches seitdem in viele Hände gelangt. Auch ich habe zeitweilig Axolotl besessen, währenddem aber, weil übermäßig beschäftigt, niemals etwas über sie niederschreiben können, und will deshalb über ihr Betragen in Gefangenschaft und ihre Pflege noch einige Bemerkungen Röhrigs einschalten, weil ich glaube, ihnen in jeder Beziehung beistimmen zu dürfen. Bei Tage kriechen die Axolotllarven gewöhnlich träge am Boden hin; kommt ihnen aber etwas fremdartiges in den Weg, so fliehen sie mit Ungestüm so, dass sie gewöhnlich heftig an Steine und Glaswand des Wasserbeckens anstoßen. Nachts hängen sie sich an irgend einer Pflanze in der Nähe des Wasserspiegels fest, wahrscheinlich um leichter Luft einholen zu können. Denn außerdem, dass sie mittels der Kiemen im Wasser atmen, kommen sie auch häufig über der Oberfläche hervor, nehmen mit so großer Heftigkeit Luft ein, dass man zuweilen ein förmliches Geräusch vernimmt, und drehen sich hierauf wiederum wie unsere Molche, blitzschnell mit dem Kopfe nach unten. Als Beute betrachten sie alles Getier, welches sie bewältigen und verschlingen können, sind auch ebenso gefräßig wie unsere Molche, nicht aber im Stande, so große Bissen zu verschlucken, wie beispielsweise der Kammmolch es vermag. Regenwürmer, kleine Krebsarten, namentlich Wasserflöhe, Ameisenpuppen, kleine Erdwürmer, schmächtige Kaulquappen, junge Fröschchen und dergleichen; als Ersatz derselben lange, wurmähnliche Streifen geschnittenen rohen Fleisches, bilden ihre Nahrung. Die dargereichte Speise wird erst ein wenig gekaut und dann verschluckt. Wenn die Laichzeit eintritt, welche sich bei uns zu Lande nicht nach der Jahreszeit zu richten scheint, setzt das Männchen seinen Samen in Kegeln ab, deren Fuß eine gallertartige Masse bildet, wogegen die Spitze die Samenfaden enthält. Nach einigen Tagen öffnet sich die Spitze des Kegels, die Samenfaden werden frei und verteilen sich im Wasser, und das Weibchen legt nun seine Eier, welche im Wasser mit dem Samen in Berührung kommen. Je nach der Wärme durchbrechen die Keimlinge die Eihaut und leben dann nach Art älterer Larven, denen sie vom ersten Anfang an in Färbung und Aussehen gleichen.

Nachdem also in unwiderleglicher Weise nachgewiesen worden, dass der Axolotl nur die Larve eines Molches ist, hat man ihm auch seine Stellung im System endgültig anweisen können. Dumerils Untersuchungen zufolge gehört er der in Nordamerika weit verbreiteten und artenreichen Sippe der Querzahnmolche an, welche mit Verwandten die gleichnamige Unterfamilie (Lechriodonta) bilden und nach Strauch folgende gemeinschaftliche Merkmale haben: Die Gaumenzähne sitzen längs des Hinterrandes des bald gestutzten, bald in einem nach hinten gerichteten dreieckigen unpaaren Fortsatz ausgezeichneten Gaumenbeines und bilden demnach entweder der Quere nach gestellte oder schräge nach hinten zu stärker oder schwächer auseinanderschweifende Reihen. Das Keilbein ist bei einem Teile der Arten mit einem besonderen knöchernen oder knorpeligen, Zähne tragenden Blatte versehen. Der Bau der Querzahnmolche (Amblystoma) im engeren Sinne ist bald schlank, bald mehr oder weniger gedrungen, die Haut glatt, die Ohrdrüsengruppe gewöhnlich vorhanden, aber oft sehr undeutlich begrenzt, der Rumpf durch eine Anzahl senkrechter Hautfalten förmlich geringelt, der Schwanz dick, an der Wurzel fast drehrund, im weiteren Verlaufe stärker oder schwächer zusammengedrückt, am Ende ziemlich spitz abgerundet und niemals mit Hautsäumen versehen; die Vorderfüße haben vier, die Hinterfüße fünf freie Zehen. Die Gaumenzähne bilden zwei glatte oder leicht bogenförmig gekrümmt verlaufende Querreihen, deren innere Enden einander in der Mitte des Gaumenbeines entweder unmittelbar berühren oder doch kaum von einander getrennt sind, und stel- len zusammengenommen somit eine gerade Querreihe oder auch einen Bogen dar, dessen außerordentlich schwache Außenwölbung nach hinten gerichtet ist. Es kann jedoch auch jede Reihe an ihrem äußeren Ende unterbrochen sein, so daß das äußerste Stück derselben vereinzelt erscheint. Dem Keilbeine mangeln Zähne. Die Zunge ist groß, eiförmig gestaltet und mit ihrer ganzen Unterseite an dem Boden der Mundhöhle festgewachsen, so daß mit Ausnahme des Hinterrandes nur ihre Ränder in sehr geringer Ausdehnung frei sind. Mit der Feststellung der Sippe ändert sich auch der bisherige wissenschaftliche Name der Larve (Gyrinus mexicanus, Siren pisciformis, Siredon Axolotl) und der Axolotl muß demgemäß den eines umgewandelten Thieres (Amblystoma mexicanum) erhalten.

 Aus: Brehms Tierleben. Kolorierte Originalausgabe 1883

Bd. 7 Lurche: Zweite Reihe und Ordnung: Schwanzlurche (Urodela), S. 639ff

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