Wenn das Flugblatt zur Kontrolle der Polizei vorgelegt werden muss…
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- Veröffentlicht: Dienstag, 11. Mai 2010 12:13
- Geschrieben von Dr. Ingeborg Gerlach
Sorge um die im Grundgesetz verankerte Demonstrationsfreiheit war der Grund für die DGB-Veranstaltung am 3. Mai mit Johannes Henschel, Rechtsanwalt aus Göttingen (als Verteidiger nach dem „Braunschweiger Kessel“ von 2005 hier wohlbekannt) und Sebastian Wertmüll vom DGB Hannover. Die beiden Referenten machten klar, dass mit der geplanten Neufassung des Nds. Versammlungsgesetzes vieles legalisiert werden soll, was bisher zwar nicht im Gesetz stand, aber im Alltag schon mal praktiziert wurde, so z.B. die wachsende Zahl von Auflagen für Veranstalter, womit eine eindeutig abschreckende Absicht verfolgt wird. Ordner, die gestellt nun zwingend gestellt werden müssen, können von der Polizei als „ungeeignet“ abgelehnt werden. Nach welchen Kriterien? Das war der Haupteinwand gegen Schünemanns Werk: es sei schwammig in den Formulierungen, zu extensiver Auslegung durch die Polizei einladend. So beim „Vermummungsverbot“ (jegliche Bekleidung soll verboten werden, die „einschüchternd“ wirkt), bei mitgeführten Transparenten usw. Verstöße gegen die Vorschrift sind nun keine Ordnungswidrigkeiten mehr, sondern Straftatbestände. Auch dass jedes Flugblatt erst der Polizei vorgelegt werden muss, deutet auf eine massive Einschränkung der Demonstrations- und auch der Koalitionsfreiheit hin. Und das alles, wie die beiden Referenten versicherten, ohne dass irgendwelche Gefahren drohten, die eine Verschärfung begründeten.
Niedersachsen hat weitgehend vom bayerischen Entwurf abgeschrieben, ohne Rücksicht darauf, dass dieser gerichtlich inzwischen abgebügelt worden ist. Die Landesregierung wählte auch nicht den gängigen Weg einer Regierungsvorlage, die eine vorgezogene Bürgerbeteiligung möglich gemacht hätte, sondern schickte die Regierungsfraktionen vor. Die politische Opposition in Hannover wandte sich, wie der anwesende Landtagsabgeordnete der SPD Bachmann versicherte, geschlossen gegen diesen Entwurf. Die Grünen haben einen „liberalen“ Entwurf eines Versammlungsgesetzes ausgearbeitet. Die beiden Referenten zeigten sich zuversichtlich, dass Karlsruhe und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das niedersächsische Machwerk kippen würden, empfahlen aber Vorsicht: “Erst mal sparen!“ rieten sie einem DGB-Vertreter, der häufig Demonstrationen anmeldet. Denn die Strafgelder seien saftig.
Fragt sich, wie eine kritische Öffentlichkeit für dieses Problem mobilisiert werden kann (in Bayern konnte sie das Gesetz zu Fall bringen!).
Da vermisste man einige Teile des oppositionellen Braunschweiger Parteienspektrums im Saal, die offenbar den Ernst der Lage nicht erkannt haben.