CDU-Wahlkampfzeitung

Liebe Genossinnen und Genosse,

die meisten von euch dürften die CDU-Wahlkampfzeitung erhalten haben. Sie wurde immerhin in einer Auflage von 120 000 Exemplaren gedruckt - übrigens in derselben Druckerei wie die Braunschweiger Zeitung - und kommerziell verteilt, so dass dieses Blättchen wohl flächendeckend auf Braunschweig herabrieselte.

Dazu ein paar Anmerkungen.

Erstens zeigt auch dieses Beispiel, womit wir es zu tun haben. Schwarz-Gelb verfügt offensichtlich um ein Vielfaches der Mittel, über das alle anderen Parteien verfügen. Und im Gegensatz zu uns können sie sich offensichtlich auch in erheblichem Umfang professionelle Hilfe leisten.

Andererseits zeigt der Vorgang auch, wie unsicher diese Parteien trotz ihres siegessicheren Gehabes über den Ausgang der Wahl sind. Sonst würden sie nicht soviel Geld für Wahlwerbung ausgeben.

Und vor allem wissen sie offensichtlich auch, wie wenig Anklang die Parteinamen CDU und FDP noch bei den Braunschweigerinnen und Braunschweigern haben. Das ist auch eine Erklärung dafür, dass die CDU in ihrer Wahlwerbung für die Briefwahl jeden Hinweis auf diese Partei als Absender unterlassen hat. Die wissen genau, dass Briefe mit CDU-Absender in vielen Fällen gleich ungeöffnet im Papierkorb gelandet wären. Daher auch der Versuch, das eigentliche Flugblatt in seiner Form einer amtlichen Mitteilung anzunähern.

Die gleiche Strategie verwenden sie bei diesem sogenannten Braunschweig Extra. In der Erscheinungsform eine gewisse Annäherung an die Braunschweiger Zeitung, und im Innern an keiner Stelle ein Hinweis auf die Auftraggeber. Statt dessen ein nichtsagender Name für einen presserechtlich Verantwortlichen.

Wie gesagt: alles Zeichen der Unsicherheit.

Das ist aber kein Grund dafür, dieses Blättchen nicht ernst zu nehmen. Ich will hier nur auf den verlogenen Artikel mit der Überschrift "Schuldenwahn wird bestraft" eingehen.

Ich bin allgemein zurückhaltend damit, jemand der Lüge zu bezichtigen, denn damit unterstellt man, dass der Beschuldigte bewusst eine Unwahrheit verbreitet. Doch dieser Artikel strotzt nur so davon.

Da wird behauptet: "2001 hatte Rot-Grün einen riesigen Schuldenberg von fast einer halbe Milliarde Euro hinterlassen. Unsere Stadt war kommunalpolitisch handlungsunfähig und konnte wichtigste Zukunftsaufgaben nicht mehr anpacken."

Das ist gelogen, und die CDU weiß das - Oberbürgermeister Dr. Hoffmann hat seinerzeit ja selber das Finanzdezernat übernommen.

Die Wahrheit ist: An Ende des Jahres 2001 hatte Braunschweig einen Schuldenstand von 468 Millionen Euro. Den Schulden standen aber erhebliche Vermögenswerte gegenüber, die die Schulden weit überstiegen. Diese Vermögenswerte warfen teilweise sogar  Einnahmen für die Stadt ab. Im selben Jahr 2001 hatte die Stadt bei Zinskosten von 29,1 Millionen Euro allein schon Einnahmen in Höhe von 33,7 Mio. Euro als Gewinnausschüttung der Braunschweiger Versorgungs-AG. Das heißt:  Die Einkünfte aus dem städtischen Vermögen waren deutlich höher als die Zinsbelastungen aus aufgenommenen Darlehen. Braunschweig war also zu Amtsantritt von Dr. Hoffmann nicht überschuldet, sondern stand besser da als die meisten anderen Städte Deutschlands. Die Schulden der Stadt waren durch Vermögen mehr als ausgeglichen.

Die nächst Lüge: OB Dr. Hoffmann habe vor knapp zehn Jahren mit striktem Sparkurs und kreativer Finanzpolitik den städtischen Haushalt saniert.

Daran ist nur eines richtig: Nicht vor knapp zehn Jahren, sondern in den knapp zehn Jahren Schwarz-Gelb hat die Stadt einen großen Teil ihrer Schulden zurückgezahlt. Am Ende dieses Jahres liegen sie voraussichtlich bei 111 Millionen Euro. Das bedeutet einen Schuldenabbau von 356 Mio. Euro in diesem Zeitraum. So weit - so gut. Aber um welchen Preis!

Im gleichen Zeitraum hat die Stadt unter Dr. Hoffmann nämlich erhebliche Vermögenswerte veräußert:

Veräußerung Erlös in Mio. Euro

74,9% Braunschweiger Versorgungs-AG                  453 ,0

GWK-Anteile                                                          12,2

49% der Nibelungen-Wohnbau-GmbH                        49,0

Deutsche Städte-Medien GmbH                                  4,6

Restliche 51% der Stadtreinigung Braunschweig GmbH  2,0

Seniorenzentrum "In den Rosenäckern"                       5,5

Stadtentwässerung Braunschweig GmbH                  253,3

Beleuchtung, Lichtsignalanlagen                                 1,1

Summe 780,7

Durch diese Verkäufe wurden Einnahmen in Höhe 780,7 Mio. Euro erzielt. Das hätte gereicht, um alle Schulden abzubauen und noch 312 Mio. Euro überzubehalten. Die Stadt wird aber Ende 2011 noch 111.4 Mio. Euro Schulden haben. Die Schulden wurden also nur um 468,7 - 111,4 = 357,3 Mio. Euro abgebaut.

In 1o Jahren Schwarz-Gelb wurden zwar die Schulden nominell um 357,3 Mio Euro verringert, aber das Vermögen um 780,7 Mio Euro! Das ist das Gegenteil einer Haushaltssanierung: Die Stadt hat zwar weniger Schulden, aber vor allem viel weniger Vermögen als vor der Amtsübernahme von Dr. Hoffmann. Im Klartext: Für jeden Euro Schuldenabbau hat Dr. Hoffmann das städtische Vermögen um 2,15 Euro verringert.

Oder soll das das Kreative an seiner Finanzpolitik sein?

Kreativ war etwas anderes: die Verpachtung des städtischen Kanalnetzes auf 30 Jahre. Normalerweise sind die Pachten für Gebäude, Grundstücke oder Einrichtungen jährlich fällig. Die Stadt hätte also bei einer Verpachtung über 30 Jahre jährliche Einnahmen von über 8 Millionen Euro erzielen können. Statt dessen hat er die Pachtsumme für die 30 Jahre auf einen Schlag kassiert - seine Nachfolger bekommen für die restliche Laufzeit der Verpachtung gar nichts mehr. Sie müssen das Kanalnetz für lau verpachten. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite: Der Käufer - die Stadtentwässerung Braunschweig- musste für diese Einmalzahlung einen Kredit aufnehmen. Die Kreditkosten rechnet er natürlich in die Abwassergebühren ein. Alle Braunschweiger,zahlen dieses Darlehen über höhere Abwassergebühren ab - direkt über Gebührenbescheid oder indirekt über ihre Miete. Und dafür sollen sie wohl nach dankbar sein!

Leider scheint das alles viel zu kompliziert zu sein, um sich damit zu beschäftigen - unsere Lokalzeitung eingeschlossen. Offensichtlich hat das OB Dr. Hoffmann ermutigt, auf das alles noch eins draufzusetzen. Das ist sein hochinteressanter Vorschlag einer Schuldenbremse durch Aufnahme einer solchen Regelung in die Hauptsatzung der Stadt Braunschweig.

Eine Schuldenbremse in der Hauptsatzung zu verankern, ist eine reine Luftnummer. Die Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz  hat als Begründung, dass das Grundgesetz nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden kann. Also muss auch die jeweilige Opposition in diese Überlegungen einbezogen werden. Die Hauptsatzung kann dagegen jederzeit mit einfacher Ratsmehrheit geändert werden. Das hat Schwarz-Gelb bei einigen Entscheidungen der Vergangenheit gnadenlos durchgezogen, mit denen die Rechte der Opposition beschnitten wurden. Das wäre auch b ei einer Schuldenbremse möglich.

In der Sache besteht derzeit ohnehin keine Handlungsnotwendigkeit. Wie OB Dr. Hoffmann selbst mitteilte, verfüge die Stadt über freie Finanzmittel von über 100 Millionen Euro. Deshalb darf die Stadt sowieso keine Kredite im Kernhaushalt aufnehmen, da Kreditfinanzierung nachrangig ist - erst nach dem Verbrauch dieser Mittel ist die Aufnahme von Krediten überhaupt erlaubt.

Deshalb hat Dr. Hoffmann auch "kreditähnliche Rechtsgeschäfte" und Kreditaufnahme städtischer Gesellschaften in seinen Vorschlag mit einbezogen. Das ist nun der Gipfel der Unwahrhaftigkeit und Volksverdummung. Zur Erklärung: Bei einem "kreditähnlichen Rechtsgeschäft" nimmt jemand anders - irgendein Unternehmen - den Kredit auf; die Stadt zahlt Zinsen und Tilgung. Und wenn der Kredit durch ein städtisches Unternehmen erfolgt, gehen die Kreditkosten in das Unternehmensergebnis ein und mindern den Ertrag oder verursachen einen Verlust. Auf diese Art werden derzeit in Braunschweig eine Reihe von Investitionen finanziert - so zum Beispiel die Sanierung des Eintrachtstadions oder der Bau des Sport- und Freizeitbades an der Hamburger Straße. Allein in der Ratssitzung Ende Mai dieses Jahres wurden solche Finanzierungen im Umfang von etwa 120 Millionen Euro beschlossen - nämlich für das PPP-Projekt zur Sanierung von Schulen und Kindergärten und für den Neubau der Wilhelm-Bracke-Gesamtschule. Beide Maßnahmen wurden durch Redner von CDU und FDP enthusiastisch gefeiert  - über die Finanzierung durch neue Schulden verloren sie kein Wort. Und jetzt - wenige Monate später -wird Saulus zum Paulus und schlägt den Verzicht auf solche Finanzierungen vor. Das ist Verlogenheit in Reinkultur.

Dann setzt der OB dem Ganzen noch dadurch die Krone auf, dass er eine Antwort der im Rat der Stadt vorhandenen Parteien auf seinen Vorschlag binnen 10 Tagen verlangt! Nur zur Erinnerung: Nach der Niedersächsischen Gemeindeordnung hat der Oberbürgermeister die Beschlüsse des Rates auszuführen, nicht etwa der Rat die Beschlüsse das Oberbürgermeisters. Hier ist in letzten knapp 10 Jahren offensichtlich manches in die fasche Richtung gelaufen. Es wird höchste Zeit, das zu ändern.