Asse II: Lob und Anerkennung für den Landkreis Wolfenbüttel

Erste öffentliche Fach-Kontroverse zur ASSE II bringt die Probleme auf den Tisch

Landrat Röhmann hatte nicht zu viel versprochen, als er im Sommer versprach, der Landkreis Wolfenbüttel werde zukünftig für einen angemessenen Rahmen für die öffentliche Auseinandersetzung über die ASSE II schaffen. Rund 350 Menschen folgten am Mittwoch der Einladung in die Eulenspiegel-Halle in Schöppenstedt, um den nicht unanstrengenden Versuch zu machen, sich in einer knapp vierstündigen Veranstaltung ein klareres Bild von der Situation und möglichen Perspektive des Atommüll-Lagers zu machen.

Im Zentrum stand die Frage der Standsicherheit des Grubengebäudes. In einem Gutachten, das lange geheim gehalten und erst nach erheblichem öffentlichen Druck kurz vor der Veranstaltung veröffentlicht worden war, hatte das Leipziger Institut für Gebirgsmechanik eine spürbare Abnahme der Tragfähigkeit des Grubengebäudes für Anfang 2014 prognostiziert. Die von der ASSE-II-Betreiberin GSF geplante Flutung des Atommüll-Bergwerkes sei eine mögliche Stabilisierungsmaßnahme, die aber zwingend einen zusätzlichen "pneumatischen Stützversatz" erfordere. Das Gutachten wurde von Dr.Ing. habil. Wolfgang Minkley vertreten.

Eine andere Perspektive hatte Dr. Peter Jordan von CDM Consult GmbH, Bochum. Im Zentrum seiner Betrachtung stand nicht die Standsicherheit, die wie in Morsleben gezeigt durch technische Maßnahmen erhöht werden kann. Hauptproblem seien die Laugenzuflüsse, die - wie BMU, BMBF und NMU in einer gemeinsamen Erklärung erst gestern eingeräumt hatten, durchaus noch deutlich zunehmen können. In dieser Situation Flüssigkeit ins Bergwerk einzubringen, sei so ziemlich das letzte was man gebrauchen könne, meinte auch der Hannoversche Geologe Dr. Detlef Appel in der weiteren Diskussion.

Für das Niedersächsische Umweltministerium erläuterte Ministerialrat Joachim Bluth, dass es erhebliche Nachforderungen an die Schließungsunterlagen der GSF in Bezug auf Plausibilität und Widerspruchsfreiheit gäbe. Das Land fordere von der GSF u.a. eine Betrachtung des Absaufens während des Betriebes, ein realistischer Vergleich unterschiedlicher Schließungsvarianten und der Rückholung, sowie eine Umweltverträglichkeitsprüfung.

Öffentlichkeitsbeteiligung ?

Bluth ging auch auf die zugesagte und geplante Öffentlichkeitsbeteiligung ein. Wie auch sein Kollege vom BMBF faßte er dabei jedoch hauptsächlich die Kommunalpolitik ins Auge. Ganz anders die Bürgermeisterin der Samtgemeinde ASSE, Regina Bollmeier, die gemeinsam mit anderen BürgermeisterInnen jüngst den Vorschlag für ein Gremium aus WissenschaftlerInnen, Fachbehörden und VertreterInnen von Betroffenen gefordert hatte, die auch die Mittel verfügen müßten, den Prozeß zu steuern. In dieser Frage, das wurde sehr deutlich, gibt es zwischen den beteiligten Ministerien deutliche Differenzen.

Jenseits dieser förmlichen Beteiligung betonte Angelika Herzog von der ASSE-II-Koordination der KritikerInnen, die Bedeutung des öffentlichen Druckes. Es mache sie wütend zu sehen, dass Anwohner schon 1964 auf genau die Probleme hingewiesen haben, die heute erstmals offen auf den Tisch gekommen sind. Und angesichts der Erfahrungen gäbe es auch jetzt keinen Grund, Vertrauen in Betreiber oder Politik zu haben. Deshalb sei es wichtig, dass die Klage weitergeführt werde und dass Bürgerinnen und Bürger sich weiter engagieren, z.B. beim ASSE-Spaziergang jeden zweiten Sonntag im Monat.

"Eine wichtige Veranstaltung, resümiert Ursula Schönberger für die Arbeitsgemeinschaft Schacht KONRAD: "Ein Anfang und wir können nur hoffen, dass der Landkreis es schafft, diese Qualität zu halten. Es ist deutlich geworden, dass es bei den Wissenschaftlern erhebliche Differenzen bei der Beurteilung der Prozesse in der ASSE II und noch große Defizite bei der Bestandsaufnahme gibt. Und es ist deutlich geworden, dass es Alternativen zum geplanten Vorgehen der GSF gibt, die ausgearbeitet, verglichen und optimiert werden müssen. Darauf haben die Menschen an der ASSE nach diesem ganzen Desaster und erheblichen Fehlentscheidungen in der Vergangenheit einfach ein Recht und zwar ohne Ansehen der Kosten. Und mal ehrlich: Was wüßten wir wohl heute von alledem, wenn nicht so viele Menschen und Organisationen nachgefragt und Druck gemacht hätten und es eine Klage auf Atomrecht gäbe.“

Ein Bericht der TAZ vom 22.11. 07