Verwaltung erhofft grünes Licht für den Stadtbahn-Ausbau

Nur Streckenausbau, bessere Taktung und intelligenter Service machen die Tram in Braunschweig attraktiver. Foto: Klaus Knodt

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Nur 13 Prozent des innerstädtischen Verkehrs wird in Braunschweig mit öffentlichen Verkehrsmitteln unternommen – das ist ein beschämend niedriger Wert im Vergleich zu anderen Großstädten mit bis zu 25 Prozent ÖPNV-Anteil. Und das soll, nicht zuletzt aus ökologischen Gründen, geändert werden: „Wir streben mindestens 20 Prozent an“, so Oberbürgermeister Ulrich Markurth (SPD). Dafür soll kräftig in das Stadtbahnnetz investiert werden. Vorläufiger Zwischenstand: rund 220 Millionen Euro, die zwischen 47 und 57 Prozent von Bund und Land gefördert werden könnten.

Im Rathaus wurden nach abgeschlossener Bürgerbeteiligung nun erste Ergebnise vorgestellt. Wenn der Rat bis Ende des Jahres zustimmt, könnten die ersten beiden Großprojekte in die Planung gehen: Die Verlängerung der Linie 3 bis ins Neubaugebiet Volkmarode sowie der Neubau einer Trasse vom Hauptfriedhof nach Rautheim, wo im Lindenberg ein attraktives, neues Wohngebiet entstanden ist. Hierzu gibt es bislang noch drei verschiedene Trassenalternativen, da erst mit Beginn der offiziellen Planungen mit der Bahn über eine Querung der Gleise an der Helmstedter Straße bzw. einen Brückenschlag direkt über den Hauptgüterbahnhof hinüber verhandelt werden kann (Kostenvarianten zwischen 44 und 58 Mio. Euro). Besonderheit in Volkmarode: Die Bahn soll im Neubauabschnitt stadteinwärts auf der Straße verkehren und stadtauswärts auf einem nördlich davon gelegenen Rasenstreifen, und deshalb temporär auf „britischen“ Linksverkehr wechseln.

 

Nach abgeschlossener Bürgerbeteiligung könnte der Rat noch in diesem Jahr über den Ausbau der Teilstrecken Volkmarode und Rautheim beschliessen. Repro: Klaus Knodt

Im weiteren Verlauf, so der Oberbürgermeister, sieht das „Stadt. Bahn. Plus.“-Konzept (welche Agentur denkt sich eigentlich immer diese peinlichen 90-er-Jahre Slogans aus???) die neue Linie „Campusbahn“ vom Campus Nord bis hinunter zum Klinikum Salzdahlumer Straße vor, sowie die Anbindung des Kanzlerfelds über den westlichen Ring an das bestehende Netz. Das ist mit derzeit veranschlagten 120 Millionen Euro noch ferne Zukunftsmusik; hilft der Stadt aber, ein schlüssiges Gesamtausbaukonzept (bis 2030) vorzulegen. Markurth: „Hätten wir nur die Verlängerung nach Volkmarode angedacht, wäre das nicht förderungsfähig gewesen“. Die Bürgerbeteiligungen für diese beiden Teilprojekte beginnen ab sofort (Heidberg: Mittwoch, 29. August, 18.00 Uhr, Schulzentrum Stettinstraße).

Mit den Teilprojekten Volkmarode und Rautheim verbindet Jörg Reincke (Geschäftsführer der Braunschweiger Verkehrs-GmbH) die Hoffnung auf „10.000 Menschen mehr pro Tag, die die Straßenbahn nutzen“. Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer unterstrich: „Die Moblitätswende macht nicht vor Braunschweig halt. Wir müssen auch das sich verändernde Nutzungsverhalten der nachwachsenden Generation im Auge behalten. Sonst verpassen wir den Anschluss.“ Der Bus sei, auch aus Umwelt- und Kostengründen, keine echte Alternative. Ökologisch bewußte Jüngere verlangen nach attraktiven Alternativen zum motorisierten Individualverkehr, dem einst ein gut ausgebautes Braunschweiger Tram-Netz zum Opfer fiel. Reincke: „Im Betrieb wird die Zahl der Schienenfahrzeuge um 7 wachsen. Die Busflotte kann um 20 Fahrzeuge schrumpfen. Das ist auch ein wirtschaftlicher Faktor.“

 

Albrecht Curland und Jörg Reincke (Verkehrs-AG), Oberbürgermeister Ulrich Markurth und Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer (v.l.) mit dem Trassenplan für den Bauabschnitt nach Volkmarode. Foto: Klaus Knodt

 Erste Planungen des Stadtbahnausbaus waren im Jahr 2015 von vorsichtigen 170 Millionen Euro Investitionsbedarf ausgegangen. Albrecht Curland, Gesamtleiter des Projekts bei der Verkehrs-GmbH: „Seither ist der Baukostenindex um rund 10 Punkte gestiegen. Zudem wurden die Planungs- und Gutachterkosten gemäß der förmlichen Verfahrensanleitung angesetzt. Diese werden sich jedoch erhöhen.“ Mehr Geld fliesst zudem in die Risikovorsorge. Am Index für das positive mathematische Kosten-/Nutzen-Verhältnis gemäß Standardisierter Bewertung habe dies jedoch nichts geändert.

 Um das erklärte Ziel der Stadt zu erreichen, die Akzeptanz für den schienengebundenen ÖPNV zu erhöhen, reichen allerdings neue Gleise allein nicht aus. Das hat auch die Verkehrs-GmbH erkannt. Reincke: „Die Tarifangebote müssen angepasst werden und wir müssen über Zahlsysteme via elektronischer Medien nachdenken“. In anderen Städten gibt es schon seit Jahrzehnten Kurzstreckentickets für 3 oder 4 Stationen, die in Braunschweig noch fehlen – und Abrechnungsverfahren über elektronische Medien, die nur die tatsächlich genutzte Wegstrecke berechnen, sind serienreif. Der Verkehrs-GmbH-Chef: „Wir denken über bestehende Zugangsbarrieren und Service nach und planen u.a., die Zahl der Echtzeit-Abfahrtsanzeiger von derzeit 80 auf 240 zu erhöhen.“ Auch der elektronische Vertrieb sei im Hause „ein ganz klares Thema“.

Schöne neue Tram-Zukunft? Wohl eher ja. „Die Bagger“, so Leuer, würden allerdings „nicht schon im kommenden Jahr anrollen“. Davor stehen noch Planfeststellungsverfahren mit erneuter Bürgerbeteiligung – und ein Ratsbeschluss. Hoffentlich noch in diesem Jahr.

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