Schlimmer als der „worst case“: Ein Blick auf die Einzelhandelsbilanz nach 10 Jahre „Schlossarkaden“
- Details
- Veröffentlicht: Samstag, 15. April 2017 10:03
- Geschrieben von Matthias Witte
Vor 10 Jahren öffnete ECE ihr euphemistisch „Schloss-Arkaden“ getauftes Einkaufszentrum.
Die damaligen Befürworter des ECE - Dr. Gert Hoffmann, die IHK und die BZ - nehmen dieses Jubiläum zum Anlass, eine Einzelhandelsbilanz zu ziehen. Ihrer Auffassung nach ist diese Bilanz überwältigend positiv. Der ehemalige OB brachte die vielstimmigen, aber gleichgerichteten Aussagen seiner damaligen Mitstreiter auf den Punkt, wenn er in der Jubiläumsveranstaltung der IHK am 27.03.2017 behauptete:
„Es hat selten eine so umstrittene historische Entscheidung gegeben, die sich im Nachhinein als so segensreich erwiesen hat.“ Die Kritiker hätten sich vollständig geirrt. Als Beleg dafür verwies er auf die Zahlen, die vorlägen.
Tatsächlich lesen sich einige Zahlen - oberflächlich und in gewisser Auswahl betrachtet - nicht unbedingt schlecht.
So reichte es Henning Noske in der BZ vom 30.03.2017, einfach souverän auf die dem Artikel beigefügten Statistiken von 2006 und 2014 zu verweisen, um die einsame Kritik von IHK-Vizepräsident und Graff-Geschäftsführer Joachim Wrensch, dass das ECE den Einzelhändlern in der City geschadet hätte, scheinbar zu entkräften. Alle relevanten Zahlen, von den Mieten über die Zentralität bis zum Umsatz, haben sich von 2006 bis 2014 jedenfalls dem Anschein nach verbessert.
Kniet man sich tiefer in alle Zahlen, die zur Verfügung stehen (und nicht nur in einige Zahlen zweier Jahrgänge), und versteht sie zu lesen, so ergibt sich ein ganz anderes Bild: die alte Braunschweiger City (ohne „Schlossarkaden“) steht - davon zeugen die Zahlen - dramatisch schlechter da in den Jahren vor ECE. Und es deutet alles darauf hin, dass dies zum erheblichen Teil von der ECE-Ansiedlung bewirkt wurde.
Die Umsatzzahlen der alten City vor und nach ECE
Wesentliche Kennziffern für das Wohlergehen einer Einzelhandelslage sind ihr Umsatz und die Größe ihrer Verkaufsflächen.
2002/2003 belief sich der Einzelhandels-Umsatz der City laut GfK-Prisma-Gutachten[1] auf 681 Mio € - bei cirka 160 000 qm Verkaufsfläche.
2014 belief sich der Einzelhandels-Umsatz der City incl. „Schlossarkaden“ laut Comfort-Gutachten[2] auf 730 Mio € - bei cirka 185 000 qm[3] Verkaufsfläche.
Das klingt zunächst nach einer moderaten Umsatzsteigerung der City als Ganzes. Zwischen 2003 und 2014 stiegen jedoch die Verbraucherpreise inflationsbedingt um ca. 20%. Inflationsbereinigt entsprechen 730 Mio € von 2014 also ca. 610 Mio € von 2003.
Das heißt: Die City incl. ECE-„Schlossarkaden“ hatte im Jahr 2014 in Preisen von 2003 10% weniger Umsatz als die City ohne ECE im Jahr 2003.
Der Umsatz der „Schlossarkaden“ lässt sich nur schätzen; ECE hält sich bedeckt. Bei einem konservativ angenommenen Umsatz von ca. 4000 €/ qm im Jahr und 30 000 qm reiner Verkaufsfläche werden es ungefähr 120 Mio € im Jahr sein. Der Umsatz der alten City wird also 2015 bei ungefähr 610 Mio € gelegen haben. Das sind in Preisen von 2003 ungefähr 510 Mio €.
Wie gesagt erzielte die alte City 2002/2003 - auf 160 000 qm Verkaufsfläche- 680 Mio € Umsatz. Die Umsatzeinbußen der alten City 2015 liegen gegenüber 2002/2003 also - bei gleicher Verkaufsfläche - inflationsbereinigt bei ungefähr 25%.
Hat das ECE also wirklich alle Erwartungen aufs Schönste erfüllt - wie die damaligen Befürworter des ECE-Projekts während der IHK-Veranstaltung zum ECE-Jubiläum nicht müde wurden zu betonen?
Im besagten GfK-Prisma-Gutachten, auf das die Stadt damals ihre Planungen stützte, wurde die Zukunft in 3 alternativen Szenarien antizipiert:
Im Best-Case-Szenario wurde der City incl. ECE für das Jahr 2010 ein Umsatz von 823 Mio € vorausgesagt.
Im Worst-Case-Szenario sollte der Umsatz der City incl. ECE 2010 708 Mio € betragen.
Wie gesagt lag der tatsächliche Umsatz der City incl. ECE im Jahr 2014 in Preisen von 2002/2003
bei nur 610 Mio €.
D.h.: Der Umsatz der City incl. ECE ist heute um cirka 14% geringer als es für den schlimmsten Fall von GfK-Prisma vorausgesagt worden war.
Eigentlich kein Grund zum Jubeln.
Sinkende Mieten und die gute Miene zum bösen Spiel
ECE-Manager Tangerding sprach auf der IHK-Jubiläumsveranstaltung von heute noch stabil zu erzielenden hervorragenden 120 €/qm Mieten in den Braunschweiger 1a-Lagen; Schwierigkeiten bei der Neuvermietung seien auf solche hohen Mietpreisforderungen zurückzuführen. Die BZ wusste zu berichten, dass die Mieten von 2006 bis 2014 in den besten 1a-Lagen in Braunschweig von 85 €/qm auf 95 €/qm gestiegen seien.
Steigende Spitzenmieten scheinen schlecht zu den erheblichen Umsatzeinbrüchen der alten City zu passen. Abgesehen davon, dass die Steigerung von 85 auf 95 € in 8 Jahren gerade der Inflationsausgleich darstellen, kann es für diese Zahlen mehrere Erklärungen geben: Zum einen mag es sein, dass in einigen Spitzenlagen am Damm solche Preise tatsächlich noch erzielt werden. Aber City innerhalb des City-Rings ist mehr als Damm und Hutfiltern. Zudem ist in Frage zu stellen, wie repräsentativ das Daten-Material ist.
Eigentümern von Immobilien in - jedenfalls vormals - hervorragenden Lagen der City berichten im persönlichen Gespräch, dass sie in den letzten Jahren die Miete stark senken mussten, weil ihre Mieter ebenso starke Umsatzeinbrüche erlitten haben. Geschäfte in City-Randlage seien mittlerweile sogar für Mieten zu haben, die nicht wesentlich über Wohnungsmieten liegen - z.T. ist die Rede von gegenüber 2005 halbierten Mieten. Gerade in diesen Lagen fällt die Neuvermietung schwer - überhöhte Mietvorstellungen werden kaum der Grund sein.
Die Eigentümer reden über so etwas nicht gern öffentlich: wer redet schon gern seine Immobilie schlecht. Ebenso werden die Geschäftsinhaber ungern von Umsatzeinbrüchen reden: schlecht fürs Geschäft. Und so machen die Betroffenen gute Miene zum bösen Spiel.
Eine bemerkenswerte Ausnahme ist Herr Wrensch von der Buchhandlung Graff, der auf der IHK-Jubiläumsveranstaltung als einziger den Mut hatte, von Personalabbau in Folge der Eröffnung der ‚Schlossarkaden‘ zu berichten - und von Umsätzen, die nicht wieder das Niveau der Zeiten vor dem Center erreicht hätten.
Die falsche Mär von ECE-Spitzenkönnern und bräsigen Braunschweigern
Die Standardantwort der ECE-Verteidiger ist, dass die Braunschweiger Innenstadtkaufleute natürlich vom ECE herausgefordert würden. Sie müssten schon bereit sein, zu investieren und innovativ zu sein. Sonst würden sie eben in Schwierigkeiten geraten. Herr Ackers, der stadtplanerische Geburtshelfer des ECE, brachte diese Argumentation bei der Veranstaltung zum zehnjährigen „Schloss“-Jubiläum im „roten Saal“ des Kulturinstitutes mit den Worten auf den Punkt, dass die heruntergekommenen 1a-Lagen am Damm die Herausforderung durch das ECE benötigt hätten, damit Braunschweig seinen Rang als Einkaufsstadt nicht an Wolfsburg oder gar an Salzgitter verliert.
Haben also die Eigentümer der Lagen, die heute die größten Schwierigkeiten haben, einfach nicht angemessen auf die Herausforderung des neuen Einkaufszentrums zu reagieren gewusst?
Bei näherer Betrachtung eine pikante Frage. Die nennenswerten dauerhaften Leerstände in der City, die es im Gefolge der ECE-Eröffnung gab, sind der Welfenhof und der Citypoint und zuletzt auch die Burgpassage. Ausgerechnet diese drei Immobilien, deren Leerstand die ganze nordwestliche City in erhebliche Mitleidenschaft zieht, standen die allerlängste Zeit in Verwaltung der angeblichen Überflieger von ECE. Kenntnisreiche Beobachter der Szene meinen, dass ECE die drei besagten Passagen bewusst heruntergewirtschaftet hat, um ihr Vorzeigeprojekt, die ECE-„Schlossarkaden“, zu stärken. Ins eigene Fleisch hat sie sich damit nicht geschnitten: denn alle drei Passagen wurden von ihr nur verwaltet.
Ein Detail am Rande: Der Citypoint war lange Jahre auch im Eigentum der ECE, wurde aber von der ECE im Jahr 2004, wenige Tage nach der Unterzeichnung des Vertrags mit der Stadt über den Bau der „Schlossarkaden“, an einen schottischen Investor verkauft. Das Vertrauen der ECE in die Zukunft der alten Innenstadt war offensichtlich nach der Vertragsunterzeichnung über ihr neues Einkaufszentrum begrenzt. Das Risiko der angeblich ach so heilsamen Herausforderung der City durch ihre eignen „Schlossarkaden“ wollten sie mit einer eigenen Immobilie jedenfalls nicht tragen. Recht hatten sie.
Braunschweig 2003: eine Stadt in Trümmern?
Die ECE-Apologeten werden nicht müde zu betonen, dass ECE eine Investitionswelle in der Braunschweiger Innenstadt ausgelöst hätte. Wie viel hätte sich doch getan, seitdem 2004 beschlossen worden war, dass die ECE-„Schlossarkaden“ kommen würden.
Unbestritten ist seit 2004 einiges investiert worden. Es ist aber eine recht gewagte Behauptung, dass das wegen ECE passiert ist. Das immer wieder gerne angeführte Comfort-Geschäftshaus-Projekt am Damm war längst geplant, als ECE beschlossen wurde, und ist nicht wegen, sondern trotz ECE verwirklicht worden. Die Realisierung eines Einkaufszentrums auf dem ehemaligen Post-Areal wurde von Kanada-Bau trotz fortgeschrittener Pläne wg. des ECE-Projekts erst einmal aufgegeben und sehr verzögert - konkrete Pläne von Braunschweiger Investoren für das Schlosspassagen-/Polizei-Areal ließen mit dem Bau der Schloss-Arkaden nicht mehr verwirklichen. Auch der Umbau der Steinwegpassage war vor ECE in Planung. Saturn war als Ankermieter vorgesehen. Stattdessen ging Saturn in die „Schlossarkaden“, in deren Schatten das „Schloss-Carree“ als Einzelhandelsstandort kaum gedeihen kann.
Wenn angeblich vor ECE nicht kontinuierlich in die Innenstadt investiert wurde: Wie konnte sich dann die Trümmerwüste von 1945 in die lebendige Innenstadt 2004 verwandeln? Das großklotzige Cinemaxx war damals jüngst gebaut worden (2000), das architektonisch erfreuliche Graff-Haus ein Jahr zuvor (1999). 2004 war der fast alles zerstörende Krieg 59 Jahre her, seit dem Bau von ECE sind 12 weitere Jahre vergangen: Sollen wir wirklich glauben, dass ohne ECE diese Zeit - in der es das Geld billig gab wie nie - nicht genutzt worden wäre, um die letzten Kriegslücken zu schließen und um billig hochgezogene Nachkriegsbauten durch opulentere Bauten zu ersetzen und Plätze gefälliger zu gestalten?
Die gesteigerte Braunschweiger Zentralität: ein Strohfeuer
Nun mag die Lage nicht gerade gut sein: Aber - so kann man fragen - wäre nicht ohne ECE alles noch viel schlimmer? Nach Behauptung der ECE-Apologeten verlor die City vor der Eröffnung der „Schlossarkaden“ an Zentralität. Nach der Eröffnung von ECE aber sei die Zentralität von Braunschweig gestiegen. (Die Zentralität ist Indikator dafür, wie groß die Anziehungskraft einer Stadt für auswärtige Käufer ist: umso höher die Zentralitätskennziffer, umso mehr Geld lassen (auswärtige) Kunden in der Stadt)
Auf den ersten Blick scheinen diese Aussagen zu stimmen. Die IHK fokussiert in einem internen Papier ihren Blick auf die Jahre 2000 bis 2006 und stellt fest, dass die Zentralität in diesen Jahren von 146,2 auf 142,9 gefallen sei.
Die IHK konstatiert mit Eröffnung der „Schlossarkaden“ eine deutliche Trendwende. Und tatsächlich schnellte die Zentralität im Jahr 2007 - dem Jahr der Eröffnung des Centers - auf 150,6, um 2009 mit 155,9 einen Höhepunkt zu erreichen.
Der Anschein eines vermeintliche Abwärtstrends Braunschweigs, der durch ECE nicht nur aufgehalten, sondern sogar deutlich umgekehrt wurde, verflüchtigt sich jedoch, wenn man die Zahlen längerfristig betrachtet und die schwachen Jahre 2005 und 2006 richtig einordnet.
Von 1991 - 2004 bewegte sich die Zentralität der Stadt gemäß den mir vorliegenden IHK-Daten stabil zwischen 145 und 149. (Der einzige Ausreißer ist der Wert 1997, in dem die Zentralität 151 betrug.). Der Wert für 2004 war mit 147,6 sogar um 1,4 Punkte höher als der Wert von 2000. Die These der sinkenden Zentralität vor der Entscheidung zum Bau der „Schloss-Arkaden“ findet in den IHK-Zahlen also keine Bestätigung.
2005 allerdings sank Braunschweigs Zentralität schlagartig um über 7 Punkte auf 140,5. Der Grund war die ECE-Riesenbaustelle am Bohlweg‚ die Braunschweig unattraktiv machte. Wolfenbüttel warb damals offensichtlich erfolgreich damit, dass man bei ihnen ohne Lärm und Dreck einkaufen konnte: Laut IHK stieg die Zentralität von Wolfenbüttel von 2004 auf 2005 (Beginn der ECE-Baustelle in Braunschweig) schlagartig um dramatische 20 Punkte (von 92,5 auf 113,3), um ab 2007 (nach ECE-Öffnung) ebenso schlagartig wieder auf 94 zu sinken.
Ab 2007 steigt die Zentralität von Braunschweig dann auf nie gekannte Werte. Allerdings ist das ein Strohfeuer, denn nach 2009 sinkt die Zentralität stetig, um 2013 mit 148,7 wieder in dem Bereich der Werte zu liegen, die vor 2005 galten. Die jüngeren Werte (mit knapp über 140 für 2014 und 2015) liegen wohl nochmal deutlich schlechter, sind allerdings kaum vergleichbar, da ein anderes Institut die Werte ermittelt hat - mit evtl. anderen Methoden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der direkte Städtevergleich mit Wolfenbüttel und Salzgitter: alle 3 Städte (WF, SZ und BS) stehen laut IHK-Gutachten 2013 ziemlich genau wieder da, wo sie vor dem Bau des ECE standen. Den Zentralitätskennziffern nach war das ECE also für Braunschweig als Ganzes ein Nullsummenspiel. Große Umsätze wurden lediglich verlagert von den alten Lagen in die Schloss-Arkaden.
Ein Wunder wäre das nicht. Was wurde den Bürgern nicht alles erzählt, warum das ECE kommen müsse. Braunschweiger müssten in Hamburg und Berlin einkaufen, weil Braunschweig keine hochwertigen Geschäfte habe. Filzhutliebhaber, die in Düsseldorf einkauften, erzählten mir, dass sie davon ausgingen, dass es im ECE ein Geschäft mit Filzartikeln gäbe; ein kleiner Japaner hoffte auf ein Geschäft mit extra kleinen Herrenschuhen. Ich selbst wünsche mir seit Jahrzehnten ein Geschäft speziell für französische Kolonialbriefmarken.
Natürlich ist nichts von solchen exquisiten Exotengeschäften ins ECE gekommen, stattdessen nur die üblichen Allerweltsketten, die es vielfach auch in der alten City gibt und für die dort auch noch Platz wäre. Wer vor ECE meinte, in Berlin einkaufen zu müssen, wird sich von den „Schlossarkaden“ kaum in Braunschweig halten lassen.
Schenken und Enteignen
ECE bekam das Schlossparkgrundstück als 1b-Lage für 1350 €/qm. Planungsrechtlich waren beim Verkauf alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass dieses Grundstück 1a-Lage würde. 1a-Lagen kosteten damals in Braunschweig ca. 3000 €/qm. Zusätzlich durfte ECE u.a. Mehrkosten für den Bau der Schlossfassade und Infrastrukturkosten - für die sie ohnehin hätten aufkommen müssen - vom lächerlich geringen Grundstückspreis abziehen.
Das bedenkend, muss man schon schlucken, wenn ECE-Manager Tangerding jetzt auf der IHK-Jubiläumsveranstaltung davon schwärmt, dass die Schlossfassade und die phantastische Lage in der Braunschweiger Innenstadt entscheidend seien für den kommerziellen Erfolg des Centers. Bezahlen mussten sie dafür nicht.
Man kann der Auffassung sein, dass ECE von der Stadt reich beschenkt wurde - zu Lasten des öffentlichen Eigentums. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn die Stadt hat mit der planungsrechtlichen Schaffung von neuen 1a-Lagen, deren Umfang ca. 20% bis 30% der alten 1a Lagen in der Fußgängerzone beträgt, die bisherigen Eigentümer und Nutzer der alten City nachhaltig geschädigt. Beste Geschäftslagen lassen sich nicht beliebig vermehren. Das Abnicken der „Schlossarkaden“ kam somit einer Teilenteignung der Eigentümer der alten City gleich.
Mir ist es bis heute ein Rätsel, wie die CDU unter Gert Hoffmann gegen die Interessen ihrer ureigensten Klientel handeln konnte, um einen auswärtigen Konzern zu beglücken.
Résumé
Obwohl die Zentralität Braunschweigs gleichgeblieben ist, ist der Einzelhandelsumsatz in der Braunschweiger City von 2002/2003 bis 2014 inflationsbereinigt um ca. 10% gesunken. Das offenbart eine grundsätzliche Krise des Einzelhandels, die nicht ECE anzulasten ist, sondern wohl vor allem auf den Internethandel zurückzuführen ist.
Die „Schlossarkaden“ verschärfen diese Krise in der Braunschweiger City jedoch erheblich, insofern der ohnehin kleinere Kuchen nun auch noch mit ECE geteilt werden muss: Die Zahlen der IHK wie auch stichprobenartige Zahlen einzelner Geschäfte deuten darauf hin, dass die alte City 2014 gegenüber 2002/2003 Umsatzeinbußen von inflationsbereinigt ungefähr 25% erlitten hat. Stichproben deuten auf z.T. erheblich geringere Ladenmieten als vor 10 Jahren. Der öffentlich sichtbare Zustand einzelner problematischer Lagen innerhalb des Cityrings deutet in gleiche Richtung.
Insofern sind die Jubelarien der damaligen ECE-Befürworter, dass sich alles zum Besten gewendet hätte und die City - den „Schlossarkaden“ sei Dank - mit erfreulichen Umsätzen bei steigenden Ladenmieten florieren würde, sachlich schwer nachvollziehbar. Tatsächlich sind die Umsatzzahlen des Einzelhandels in der City deutlich schlechter als im Worst-Case-Szenario des GfK-Prisma-Gutachtens von 2003.
Auch das Argument, dass die „Schlossarkaden“ den Abwärtstrend der Stellung Braunschweigs als Einkaufsstadt gestoppt und die Zentralität sogar nachhaltig gesteigert hätte, lässt sich aus den vorliegenden Zahlen nicht nachvollziehen. Vor 2005 war die Zentralität Braunschweig gemäß den Zahlen der IHK auf hohem Niveau stabil. Die Verwerfungen zunächst der ECE-Baustelle, dann der ECE-Eröffnung sorgten erst für stark sinkende, dann jäh ansteigende Zentralitätsziffern, um am Ende zum Ausgangsniveau vor 2005 zurückzukehren. Angesichts des Allerweltsangebots in den „Schlossarkaden“ verwundert ein solches Nullsummenspiel nicht.
Für die alte City war das ECE-Projekt jedoch kein Nullsummenspiel: Sie hat in dem Maße deutlich verloren, in dem die ECE reich von der Stadtverwaltung unter OB Hoffmann beschenkt wurde.
---------------------
[1] Auf das 2003 erstellte Gutachten der ECE-nahen GfK-Prisma stützte sich die Stadtverwaltung bei der Frage, ob das geplante ECE-Center für die Innenstadt verträglich sein würde. Die Präsentation des Gutachtens ist auf www.braunschweig.de unter dem Suchwort „gfk prisma“ einsehbar.
[2] Der „Comfort-Städtereport Braunschweig 2016“ ist unter den entsprechenden Suchworten im Internet leicht zu finden.
[3] Der Comfort-Städtereport spricht von „klar über 180.000 qm Verkaufsfläche“, die IHK nennt für 2014 183 000 und für 2015 189 000 qm.