Abt Jerusalem Akademie - Naturphilosophie in der Praxis


 

Themenreihe in Kooperation mit der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. (FEST), Heidelberg, der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft (BWG) und dem Umweltbeauftragten der Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig

 

Di 30.08.2016, 19.00 Uhr
„Von Bienen und Blumen…“ – Zur aktuellen Lage der Natur aus ethischer Sicht
Referentin: Prof. Dr. Nicole C. Karafyllis, Seminar für Philosophie, TU Braunschweig
Bis in die jüngste Zeit war die Biene für die Umweltethik kein Thema. Naturphilosophisch wird sie aber quer durch die Jahrhunderte beachtet – von Aristoteles bis Francis Bacon. Auf der Veranstaltung wird erläutert, was uns die Biene bedeutet und auf welche Weise sie zu einem „politischen Tier“ geworden ist. Gerade das jüngere Bienensterben fordert die Naturethik auf, die Wechselwirkungen zwischen Natur, Pflanze und Landschaft stärker zu berücksichtigen, was v.a. seit der Energiewende und der Züchtung von neuen Industriepflanzen akut ist. Denn die Bienen sind davon direkt betroffen. In die Aufmerksamkeit wird das gemeinsame Ziel rücken, sich der Schutzwürdigkeit auch derjenigen Tiere zu widmen, die dem Menschen nicht ähnlich sind – aber von denen wir abhängen.

Do 29.09.2016, 19.00 Uhr
„Freies Spiel in der Natur“ – Natur in Bildung und Erziehung
Referent: Prof. Dr. Ulrich Gebhard, Didaktik der Biowissenschaften, Uni Hamburg
Der Mensch ist ökologisch und evolutionär in die Natur eingebunden und „braucht“ sie in einem sehr grundlegenden Sinne. Vor dem Hintergrund dieses prinzipiellen ökologischen Zusammenhangs wird in dem Vortrag die These vertreten, dass der Mensch „Natur“ auch noch in weiteren Hinsichten „braucht“: als Erfahrungsraum und als Sinninstanz. „Natur“ vermittelt die Erfahrung von Kontinuität und damit Vertrautheit und zugleich ist sie immer wieder neu. Naturerfahrungen entsprechen so einem grundlegenden Wunsch nach Vertrautheit und zugleich einem ebenso grundlegenden Bedürfnis nach Neuem und Vielfalt. Von Kindern werden die Flächen am meisten geschätzt, die von den Planern „vergessen“ wurden. Ein wesentlicher Wert von Naturerfahrungen besteht in der Freiheit, die sie vermitteln können. Die Wirkung von Natur ereignet sich nebenbei. Der Naturraum wird als bedeutsam erlebt, in dem man eigene Phantasien und Träume schweifen lassen kann und er auf diese Weise eine persönliche Bedeutung bekommt.

Mi 26.10.2016, 19.00 Uhr
„Natur essen“ – Wenn aus Lebewesen Nahrungsmittelprodukte werden
Referentin: Dr. Heike Baranzke, Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften, Bergische Universität Wuppertal
Essen ist mehr als ein biologisches Ernährungsgeschehen. Es ist in vielfacher Weise eine Identitätsfrage. Sowohl was, als auch, wie wir essen, ist Ausdruck mehr oder weniger bewusster Einstellungen zur Natur und zu uns selbst. Diese Einstellungen sind ihrerseits durch soziale, kulturelle und sogar durch spirituelle Einflüsse mitgeformt. Mit dem Vortrag soll der Appetit geweckt werden, Spuren möglicher Sinndimensionen eines nur scheinbar banalen Verhaltens zu entdecken.

Di 15.11.2016, 19.00 Uhr
„Wie viel Wildnis wollen wir?“ – Über nützliche und schöne Natur
Referent: Dr. Thomas Kirchhoff, Forschungsstätte der Ev. Studienstiftung (FEST)Heidelberg, Institut für interdisziplinäre Forschung
Wildnis ist immer öfter der Gegenstand medialer Inszenierungen, das Entwicklungsziel von Naturschutz und der Sehnsuchtsort, an dem Menschen Abenteuer erleben wollen. Aber Wildnis stößt auch auf vehemente Ablehnung. Regelmäßig kommt es zu heftigen Kontroversen, wenn Wölfe gesichtet, Nationalparke ausgewiesen oder Wildnisentwicklungsgebiete geplant werden. Der Vortrag will die Hintergründe dieser unterschiedlichen Einstellungen deutlich machen. Dazu wird in kulturwissenschaftlich-naturphilosophischer Perspektive gefragt: Was ist Wildnis? Welche unterschiedlichen positiven und negativen Bedeutungen hat Wildnis in unserer Kultur? Wie kommen diese Bedeutungen zustande? Wie verhält sich das Naturschutzziel „Wildnis“ zu klassischen Zielen des Umwelt- und Naturschutzes, etwa der Erhaltung von Biodiversität, dem Schutz einzigartiger Landschaften und der Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit? Auf dieser Basis lässt sich dann diskutieren: Wie viel Wildnis wollen wir?

Di 30.11.2016, 19.00 Uhr
„Quanten und Kosmos“ – Warum faszinieren sie?
Referentin: Prof. Dr. Dr. Brigitte Falkenburg, Institut für Philosophie und Politikwissenschaft, TU Dortmund
Woher rührt die Faszination für den Urknall, die beschleunigte Expansion des Universums, schwarze Löcher und die Hawking-Strahlung, die Verschränkung der Quanten, Schrödingers Katze, oder die Viele-Welten-Deutung der Quantentheorie? Welche Naturbilder transportieren diese Vorstellungen? Was daran gründet in sozialen oder kulturellen Mythen, und was ist physikalische Wirklichkeit? Der Vortrag wird skizzieren, wie sich die Vorstellungen über die Welt im Kleinen und im Großen im Lauf der Zeit und im Wandel der Kulturen geändert haben, worauf dies beruhte und wie stark uns dieses naturphilosophische Erbe bis heute beeinflusst. Wichtige Stationen sind: die Mikrokosmos-Makrokosmos- Analogien der Renaissance; die Überwindung des mittelalterlichen Weltbilds durch die neuzeitliche Astronomie und Physik; die metaphysischen Welterklärungsansprüche im Zeitalter des Rationalismus und ihre Kritik; das Versagen der klassischen Physik und die Debatte um die Quantentheorie; und schließlich die schwindelerregenden Einsichten der neueren Kosmologie.
Literaturhinweis: Thomas Kirchhoff et al. (Hg.): Naturphilosophie. Ein Lehr- und Studienbuch, Tübingen: Mohr-Siebeck, Dez. 2016

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