Stolperstein für Minna Faßhauer
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- Veröffentlicht: Samstag, 04. Juli 2015 10:19
- Geschrieben von Heide Janicki
Gunter Demnig bei der Verlegung des Stolpersteins für Minna Faßhauer
Am Montag, 29. Juni 2015, wurde für Minna Faßhauer in der Hugo-Luther-Straße 12, ein Stolperstein verlegt. Hier war ihr letzter frei gewählter Wohnort. Hergestellt wurde der Stolperstein wieder durch den Kölner Künstler Gunter Demnig, der durch Frau Boldt-Stülzebach vom Kulturinstitut auf der Verlegungsroute begleitet wurde. Beim Setzen des Steins gingen ihm Beschäftigte der Stadt zur Hand.
Einige Worte nach der Verlegung von Heide Janicki
Etwa 20 Interessierte ehrten die anerkannte Antifaschistin Minna Faßhauer mit ihrer Anwesenheit, unter ihnen das Mitglied des Bezirksrates Westliches Ringgebiet, Gisela Ohnesorge. Heide Janicki gab mit einem kurzen Bericht Einblicke in das Leben Minna Faßhauers. Einige TeilnehmerInnen legten Blumen an den Stein und würdigten so den Anlass. Die im Verlegungszeitplan angekündigte öffentliche Ehrung fand nicht statt.
Wer war Minna Faßhauer?
Minna Faßhauer war aus Bleckenstedt im Bördekreis Wanzleben gekommen, wo sie am 10. Oktober 1875 geboren wurde. Sie kam aus einfachen Verhältnissen als Jugendliche nach Braunschweig und verdingte sich als Dienstmädchen. Hier lernte sie ihren Mann Georg kennen, mit dem sie zwei Söhne bekam.
Minna Faßhauers Leben wurde Teil der Braunschweiger Arbeiterbewegung. Bereits Anfang des letzten Jahrhunderts kämpfte und diskutierte sie im „Bildungsverein jugendlicher Arbeiter“ unter illegalen Bedingungen für die Beseitigung des reaktionären Bundesvereinsgesetzes von 1854, das nur unpolitische Vereine gestattete und Jugendlichen und Frauen die politische Betätigung ganz verbot.
Nach Beseitigung des Gesetzes 1908 war sie in den Organisationen der Arbeiterschaft aktiv für die Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen. Politisch war ihr Ziel die Beseitigung des Drei-Klassen-Wahlrechts, das die Menschen in Unmündigkeit hielt, und insbesondere die Erreichung des Frauenwahlrechts.
Von den Gewerkschaften delegiert gründete sie 1914 mit anderen die Kinderschutz-kommission, die mit dem Recht auf organisierte Betreuung der Kinder die bis dahin übliche mildtätige Zuwendung des Bürgertums ablöste. Gleichzeitig wurde sie in eine Versammlung delegiert,
(…) „die im Auftrage der Regierung von Herrn Landsyndikus Klaue einberufen und geleitet wurde. Eingeladen waren die Landwirtschafts-, Handels-, Handwerkskammer, der Innungsausschuß, (…, die bürgerlichen Frauenvereine, das Gewerkschaftskartell und --- der Deutsch-vaterländische Arbeiterverein (…) Für den Ausschuß wurden bestimmt: 2 Vertreter des Metallindustriellenverbandes, (…) je ein Vertreter der Landwirtschafts-, der Handels- und der Handwerkskammer und Fräulein Lina Koch von den Frauenvereinen; von den Arbeitnehmervertretern die Genossin Faßhauer, die Genossen Hammerschmidt, Reinowski und Wesemeier (…)“ (Beilage zum Volksfreund vom 20. August 1914)
Damit war der Grundstein für das Braunschweiger Arbeitsamt und die geordnete Arbeitsvermittlung gelegt.
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges arbeitete Minna Faßhauer im Auftrag der Arbeiter-organisationen mit dem Verband der bürgerlichen Frauenvereine für das Herzogtum Braunschweig zusammen mit dem Ziel, die Frauen und Kinder der zum Kriegsdienst eingezogenen Männer zu betreuen, Arbeit für erwerbssuchende Frauen und freiwillige Hilfskräfte zu vermitteln.
Als sie sich 1916 mit der Arbeiterschaft auf die Seite von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg und gegen die Bewilligung weiterer Kriegskredite stellte – was der vaterländischen Grundhaltung der bürgerlichen Frauenvereine und deren Leiterin Frau Götze widersprach – wurde die Zusammenarbeit mit Minna Faßhauer aufgekündigt. Dabei schreckte man vor Unterstellungen und Kriminalisierung nicht zurück. Ihre klare Haltung gegen Nationalismus und Krieg legte den Grundstein für ihre spätere Verfolgung.
An den antimilitaristischen Kämpfen in Braunschweig hat sie während des Krieges großen Anteil. Sie ist organisierend beteiligt am Generalstreik gegen Krieg, für Frieden, Brot und Freiheit. Das Ziel war die sofortige Beendigung des Krieges, das mit der Novemberrevolution 1918 erreicht wurde.
Der Arbeiter- und Soldatenrat übertrug ihr das Amt als Volkskommissarin für Volksbildung, in dem sie die heute noch gültigen Gesetze zur Befreiung der Schulen von der Kirchenaufsicht erlässt, und sie hebt die Geschlechtertrennung an den Schulen auf.
Sie wird in den Braunschweiger Landtag gewählt, legt ihr Mandat aber nieder als sich abzeichnet, daß die Räterepublik, für die sie mit der Arbeiterschaft gekämpft hatte, keine Mehrheit findet. Die Niederschlagung der Novemberrevolution durch die Maercker-Truppen tat ein Übriges, politischen Rückschritt einzuleiten.
Als sich die Lage durch das Wiedererstarken der Reaktion bis zum Kapp-Putsch 1920 und auch danach weiter verschärft wird Minna Faßhauer wieder bespitzelt und verfolgt. Sprengstoffanschläge in Braunschweig werden der Arbeiterschaft, den Kommunisten, vor allem aber Minna Faßhauer angelastet. Sie wird ohne stichhaltige Beweise zu neun Monaten Gefängnis verurteilt, von denen sie fünf verbüßt, bevor sie amnestiert wird. In den Wirren dieser Jahre wird sie Mitglied der KAPD, einer linken Abspaltung der KPD. Dort hilft sie, politische Arbeit mit dem Arbeitslosenausschuss zu organisieren.
Die unbewiesenen Anschuldigungen nahm Landespolizeichef und SS-Führer Jeckeln jedoch zum Anlass, sie als vorbestraft einzustufen, als sie 1935 wieder verhaftet worden war. Jetzt wurde sie angeklagt "... des hochverräterischen Unternehmens, mit Gewalt die Verfassung des Reiches zu ändern, insbesondere dadurch (…), dass sie zur Vorbereitung des Hochverrats einen organisatorischen Zusammenhalt herstellte (…) und dass sie zur Beeinflussung der Massen seit 1934 die Schriften "Kampfsignal", "Der rote Rebell", "Deutscher Mann was nun?" herstellte oder verbreitete."
Jeckeln verfolgte vor allem die Angehörigen der Räterepublik, so auch Minna Faßhauer. Er holt den Prozess nach Braunschweig, was unüblich war, um mit einem Tribunal gegen bekannte Persönlichkeiten den Widerstand der Arbeiterschaft zu brechen.
Am 27. Mai 1935 wurde sie in Untersuchungshaft, am 6. Oktober 1935 in Schutzhaft genommen, die damit begründet wurde, sie habeBeziehungen zu den führenden Mitgliedern der illegalen kommunistischen Räte-Union gehabt, bzw. sie habe zu den geistigen Führern dieser illegalen Gruppe gehört. Ein weiterer Grund wurde konstruiert mit der Vermutung, daß sie durch ihre politische Tätigkeit und mit ihrer Erfahrung in illegaler Tätigkeit dieser Vereinigung mit Rat und Tat zur Seite gestanden habe. Den Beschuldigungen widerspricht sie vehement, was mit einer Hausstrafe von 14 Tagen Arrest bestraft wird.
Am 24. Oktober 1935 wird sie in das Konzentrationslager Moringen verbracht, aus dem sie am 13. Januar 1936 mit einem schweren Magenleiden entlassen wird. Sie hatte über 50 Pfund Körpergewicht verloren. Da war sie 60 Jahre alt.
Nach Kriegsende wurde Minna Faßhauer Mitglied der VVN. Außerdem tritt sie in die KPD ein, kandidiert zu den Kommunalwahlen und wird auch in der politischen Frauenarbeit aktiv.
1949 erleidet sie während einer Frauenversammlung der KPD einen Gehirnschlag. Sie hatte die Frauen aufgefordert mitzuhelfen zukünftige Kriege zu verhindern. Internationale Verständigung unter den Völkern zur Erhaltung eines dauerhaften Friedens für die Menschheit waren ihre letzten Worte. Sie starb wie sie gelebt hat: mitten in der politischen Arbeit für die Menschen ihrer Klasse. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde sie am 2. August 1949 beigesetzt.
Mit dem Stolperstein wird eine Frau in Erinnerung bleiben, deren politische Arbeit bis in die Gegenwart wirksam ist und die mit Mut und Gradlinigkeit ihren Weg gegen Faschismus und Krieg ging.