Offener Brief an Frau Dr. Pöppelmann
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Veröffentlicht: Freitag, 04. Juli 2014 12:52
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Geschrieben von Brigitte Doetsch
Offener Brief
Sehr geehrte Frau Dr. Pöppelmann,
sicher erinnern Sie sich an die Veranstaltung "Der Erste Weltkrieg. Was wir aus ihm lernen können." und die anschließende Diskussion mit Herrn Prof. Münkler in Ihrem Hause vor einigen Wochen am 10. Juni.
Meine Empfindungen an diesem Abend waren der Art, dass Herr Prof. Münkler aus den historischen Erkenntnissen zu den Erfahrungen des 1. Weltkriegs nicht die Lehre für eine friedliche, die Kriegsgefahr verhindernde und militärische Gewalt ablehnende Politik gezogen hat.
Diese meine Wahrnehmung von seiner tendenziell Kriegsgewalt befürwortenden Haltung wird mir bestätigt mit verschiedenen Verlautbarungen von Herrn Münkler - aktuell zur Frage von Kampfdrohnen.
"Ich glaube, man muss begreifen, dass die Herstellung von Kampffähigkeit auf vielen Ebenen erfolgt. Da spielen geopolitische Faktoren eine Rolle, demographische, wie viele, junge Männer man hat, d.h. wie viele Opfer man riskieren kann, technologische Entwicklungen, taktische Innovationen, strategische Ideen. Und innerhalb dieses gesamten Ensembles kann man sagen, dass postheroische Gesellschaften wie unsere, also Gesellschaften, die nicht zusammengehalten werden durch bestimmte Männlichkeitsideale, durch die Idee von Ehre und Opfer und derlei mehr, dass sie darauf angewiesen sind, sich gleichsam technologische Hilfsmittel als Krücken ihrer auch militärischen Handlungsfähigkeit zu beschaffen. [...]"
Ich lese zum einen daraus, dass an Stelle der fehlenden (tradierten) Männlichkeitsideale der Einsatz technologischer Hilfsmittel, wie Kampfdrohnen, die militärische Handlungsfähigkeit gewährleisten soll. Und zum anderen erschüttert mich, dass die Herstellung von Kampffähigkeit auch eine Frage der Anzahl der jungen Männer sein soll, die eine Gesellschaft opfern kann.
Meine Frage dazu lautet: Welche Mutter, welcher Vater kann ihren/seinen Sohn opfern für die Kampffähigkeit eines Landes?
Die von mir am 10. Juni eher abschätzig empfundene Haltung von Prof. Münkler gegenüber kritischen Bürgerinnen und Bürgern, die Friedenspolitik einer Politik, die militärische Gewalt als Option sieht, vorziehen, zeigt sich für mich u.a. in folgenden Äußerungen:
"Die Kritiker werfen vieles durcheinander. Sie werfen Taktik, Operatives, Strategisches und Politisches durcheinander. Ob eine Drohne eine Angriffswaffe oder eine Verteidigungswaffe ist, entscheidet sich konkret; wie überhaupt die Unterscheidung zwischen Angriff und Verteidigung eine ist, die man in diesem Sinne jedenfalls völkerrechtlich nur auf der politischen Ebene diskutieren kann; in taktischer Hinsicht das zu diskutieren, ist ein Zeichen von politischer und militärischer Ahnungslosigkeit." ebd.
Dabei ignoriert Prof. Münkler wohl die doch nachvollziehbare mehrheitliche Haltung einer Gesellschaft, die aus den erschütterlichen Folgen von zwei Weltkriegen schlussfolgert:
"Eine deutliche Mehrheit der Deutschen ist gegen zusätzliche Bundeswehr-Einsätze im Ausland. Nur 18 Prozent der Bürger vertreten die Meinung, Deutschland solle 'in der Welt größeres militärisches Engagement zeigen'. 78 Prozent und damit fast vier Fünftel lehnen diese Forderung ab. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag der Wochenzeitung „der Freitag“.
Im Nachgang zu der o.g. Veranstaltung stellen sich mir folgende Fragen:
Warum wurde Prof. Münkler, der nachweislich für zunehmende militärische Gewalt mit deutscher Beteiligung plädiert, überhaupt und von wem eingeladen?
Obwohl der Titel lautete "Der Erste Weltkrieg. Was wir aus ihm lernen können.", wollte Prof. Münkler in der Diskussion dazu keine Antworten geben.
Warum wurde nicht ein weiterer Referent oder eine Referentin eingeladen, die die Lehren aus dem ersten Weltkrieg in einer proaktiven Friedenspolitik sehen, und damit die o.g. Mehrheitsmeinung stärken?
Wann wird das Landesmuseum eine weitere Veranstaltung anbieten, mit einem Referenten oder einer Referentin, die eine andere Antwort auf die Frage "Was können wir aus dem ersten Weltkrieg lernen?" vertreten?
Und eine letzte persönliche Frage muss erlaubt sein:
Zeugt es von politischer und militärischer Ahnungslosigkeit, wenn Eltern ihre Söhne nicht opfern wollen und wenn eine Gesellschaft mehrheitlich militärische Gewalt als politsches Mittel nicht unterstützt?
Ich bitte freundlich um Ihre Stellungnahme und verbleibe mit freundlichen Grüßen,