Liebe Leser und Leserinnen des b-s! Der b-s hat ab 1. Mai 2019 unter braunschweig-spiegel.de einen neuen Auftritt. Unter archiv.braunschweig-spiegel.de erreichen Sie den b-s von 2008 bis April-2019 in seiner letztmaligen Form, incl. funktionsfähiger interner Beitragslinks, als historisches Dokument.

Die Suchfunktion der Archivfassung ist NICHT mehr aktiv. Sie finden die Beiträge der Jahre 2005 bis 2019 jedoch über https://www.braunschweig-spiegel.de
Die Menüstruktur der Archiv-Fassung ging dabei jedoch komplett verloren.

Die Veränderungen die in der Amtszeit von Ex-OB Dr. Gert Hoffmann stattfanden (https://de.wikipedia.org/wiki/Gert_Hoffmann#Oberb%C3%BCrgermeister_in_Braunschweig) sind hier dokumentiert. Hierunter fallen umstrittene Privatisierungen, Flughafenausbau, Schlossparkvernichtung, und Errichtung von ECE-Schlossarkaden ...

Chronologisch beginnt der b-s hier: http://archiv.braunschweig-spiegel.de/index.php/diese-zeitung-seit-2005


"Nordkorea – ich war da"

 

Skyline von Pjöngjang, der Hauptstadt Nordkoreas

Mein Aufenthalt in Nordkorea war sowohl spektakulär – als auch völlig normal. Ich war in einem kommunistischen Land, das der vormalige US-amerikanische Präsident Bush der Achse des Bösen zugeordnet hatte.  Die trauernde Bevölkerung wird mir seit wenigen Tagen als skurrile um ihren Führer ekstatisch trauernde Masse durch Kommentare vieler unserer Medien vermittelt. Viele der Kommentatoren vermitteln den Eindruck, dass sie ein Recht hätten der Trauer mit der westlichen Arroganz zu begegnen. Was davon Propaganda ist und was nicht, kann leider bei unseren freien Medien kaum beurteilt werden.

Ich war 2003 in Nordkorea und möchte berichten, wie es mir dort ergangen ist.

Ich habe die Nordkoreaner nicht als verängstigte Baumbewohner erlebt, sondern als Menschen, die unzweifelhaft unter schwierigeren Bedingungen als wir Deutschen diszipliniert, stolz, fleißig, respektvoll, zielbewusst und sehr warmherzig sowie gastfreundlich am Kreislauf des Lebens teilnehmen und dabei genau so glücklich oder enttäuscht sind wie Menschen überall auf dieser Welt.

Nordkorea war eine vormals hochindustrialisierte Volkswirtschaft, die heute ebenso wie weite Teile der Infrastruktur stark verschlissen ist. Der Zusammenbruch des sozialistischen Systems in Europa verursachte in diesem Land eine wirtschaftliche Notsituation, die durch Naturkatastrophen (Überflutungen; Trockenheit; Taifune) und durch Verharren an alten politischen Lösungen für die eigene Volkswirtschaft massiv verschärft wurde. Ende der 90er Jahre wandte sich Nordkorea an die Weltöffentlichkeit und bat um Hilfe für ihre hungernde Bevölkerung. Deutschland bot Hilfe zur Selbsthilfe an.



Eine der Lösungsmöglichkeiten war die Produktion von deutlich mehr und von gesunden Kartoffeln. Kartoffeln haben pro Flächeneinheit mehr Kalorien als jede andere Nutzpflanze und sie enthalten vor allem wichtige Nährstoffe. Die Kartoffelanbaufläche in Nordkorea sollte deshalb deutlich erhöht werden, was jedoch eine eigene Pflanzgutproduktion voraussetzt. Die Ausbildung von nordkoreanischen Fachkräften für diese Produktion erfolgte im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit dem Projektpartner InWEnt durch die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, dem heutigen Julius Kühn-Institut (JKI). Im Zeitraum von 2002 bis 2004 wurden 11 nordkoreanische  Agrarwissenschaftler jeweils ca. ½ Jahr zu phytosanitären Themen im JKI weitergebildet. Im Mittelpunkt stand der Nachweis von Schaderregern in Kartoffelknollen mit der Methode ELISA, die Herstellung der dafür notwendigen Chemikalien (in Braunschweig) und die Produktion von virusfreien Miniknollen zur Vermehrung.

ELISA-Test im Labor

2004 hat die Akademie der Landwirtschaftswissenschaften Nordkoreas eine internationale Kartoffeltagung in Pjöngjang mit anschließender Rundreise durch das Land durchgeführt. An beidem habe ich teilgenommen. Begleitet von den mir aus Braunschweig vertrauten „Kartoffelspezialisten“ habe ich etwas über das Land und die Menschen erfahren.

Es war ein Gefühl der Genugtuung und Freude zu sehen, dass das am JKI vermittelte Wissen in den entlegensten Gewächshäusern für die Miniknollenproduktion in den Bergen Nordkoreas umgesetzt wurde. Es war beachtlich, wie mit dem vermittelten Wissen aus Braunschweig unter den schwierigen Verhältnissen umgegangen wurde. Mit Improvisation und Klugheit wurde das Erlernte in die Praxis überführt. Die Wissenschaftler setzten alles daran ihrem Volk zu helfen.

 

Kartoffelstützpunkt: Abladen von Speisekartoffeln vor Gewächshaus zur Miniknollenproduktion auf dem Land

Von der Schönheit der Landschaft Nordkoreas war ich fasziniert. Etwa 80 % der Fläche des Landes sind Gebirge. Es sind also Flächen, die leider nur sehr schwer in die Nahrungsgüterproduktion einbezogen werden können.

Es war mir fremd, das Verhalten vieler ehrfurchtsvoller Menschen, in deren Mitte ich den ehemaligen Präsidenten Kim Il Sung, aufgebahrt im Sarkophag liegen sah. Was wird die Menschen zu diesem Besuch motiviert haben? War es Respekt und Ehrerbietung vor der Lebensleistung dieses Mannes, denn schließlich hatten sich die Lebensbedingungen in Nordkorea nach dem Koreakrieg bis Mitte der 70er Jahre spürbar verbessert. War es Zuneigung und Dankbarkeit von Menschen, deren Sicht auf diese Welt eingeschränkt ist? Wurde da ein religiöses Element ausgelebt in einem Land, in dem ich einen Gottesdienst besuchte, es aber nicht Normalität ist, Christ oder Konfuzianist zu sein.

Man ist mir mit großer Wertschätzung in der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften und dem Landwirtschaftsministerium begegnet. Frauen in oberen und mittleren Leitungsebenen bin ich nicht begegnet. Ich habe Freundlichkeit und Ausgelassenheit beim Institutspiknik erlebt. Die Familien meiner Kollegen durfte ich leider nicht treffen.

Es war spannend im Gespräch mit der Botschafterin Deutschlands in Nordkorea und ihren Mitarbeitern (zwischen der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik und der Bundesrepublik Deutschland bestehen seit dem 1. März 2001 diplomatische Beziehungen) über deren engagierte, zeitweise auch mühsame Arbeit mit einem kulturell und politisch anders denkenden Partner und über die Parallelen unserer beiden Länder in der Trennung und dem aufwendigen Weg hin zu einer wiedervereinigten Nation zu erfahren.

Für mich war es ein Augenblick Geschichte, als ich Nordkoreas Vizeaußenminister Choe Sun Hon beim Empfang zur Deutschen Einheit in der deutschen Botschaft traf und seinem Beitrag lauschen konnte. Choe Sun Hon war Leiter der Delegation Nordkoreas auf dem „Sechs-Parteien-Gipfel“ über Nuklearfragen auf der koreanischen Halbinsel vom 27. bis 29. August 2003 in Beijing. Hintergrund

Die Gespräche wurden mit großen Unterbrechungen bis April 2009 geführt. Seit dem sind sie ausgesetzt. Am 24. Oktober 2011 begann in Genf eine neue Runde der Gespräche zwischen den USA und Nordkorea über eine mögliche Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche über Nuklearfragen auf der koreanischen Halbinsel.

Nordkorea vollzieht mit seiner Atompolitik einen schwierigen Drahtseilakt zwischen Bedrohung und Abverlangen von Zugeständnissen für das Land. Es bleibt zu wünschen, dass es dem designierten Staatsoberhaupt Kim Jong Un gelingt, verkrustete Strukturen zu lösen und sein Land nach außen zu öffnen.

Kurzer Abriss der jüngeren Koreanischen Geschichte.

Additional information

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.